Lot Nr. 121


Giorgio de Chirico *


Giorgio de Chirico * - Klassische Moderne

(Volos, Griechenland 1888–1978 Rom)
Oreste e Pilade, 1966, signiert; auf der Rückseite betitelt und nochmals signiert, mit rücks. notarieller Beglaubigung, Öl auf Leinwand, 40 x 30 cm, gerahmt

Provenienz:
Galleria Molino, Rom
Farsetti, Prato, 29. Mai 1999, Los 436
Europäische Privatsammlung

Literatur:
C. Bruni Sakraischik, Catalogo Generale Giorgio de Chirico, Opere dal 1951 al 1974, Electa, Mailand, 1974, Bd. 5, Nr. 720 mit Abb.
Catalogo Arte Moderna, Giorgio Mondadori, Gruppo Cairo Editore, 2018, S. 102, Nr. 6 mit Abb.

„Das sitzende Mannequin ist dazu bestimmt, Räume zu bewohnen, insbesondere die Ecken der Räume. Freier Himmel passt nicht zu ihm. In Räumen sind sie zu Hause; Dort entfalten sie sich und zeigen großzügig das Talent ihrer unbeschreiblichen und mysteriösen Poetik. [...]

Dieser geheimnisvolle Aspekt der Räume und ihrer Ecken, den ich in zahlreichen Gemälden zum Ausdruck gebracht habe, stellt auch ein Phänomen von großem metaphysischem Interesse dar. Aber jetzt darüber zu reden, würde zu lange dauern, und wie es einmal gesagt wurde, gibt es Fälle und Momente, in denen wir nur dann wahre Philosophen (oder auch Dichter und Maler) sind, wenn wir schweigen.“
Giorgio de Chirico, Nascita del manichino, 1938

Die metaphysische Wende des Malers ereignete sich bekanntlich nach seiner Lektüre der Werke Boecklins, Nietzsches und Schopenhauers, die den Fokus seiner Forschung auf die „Melancholie der schönen Herbstnachmittage italienischer Städte“ verlagerte. Er schrieb: „Schopenhauer und Nietzsche waren die ersten, die [mich] über die tiefere Bedeutung der unsinnigen Natur des Lebens aufklärten und darüber wie dieser Unsinn in Kunst verwandelt werden konnte […]. Die großen neuen Schöpfer sind die Philosophen, die über die Philosophie hinausgegangen sind.“

Seine Jahre in Paris, in denen er den damals dreißigjährigen Picasso auf sich aufmerksam machen und die Brillanz eines begeisterten Apollinaires einfangen würde, waren für de Chirico eine wichtige Zeit der Zusammenarbeit und des Lernens: diese Jahre waren der Beginn seines ikonographischen Mannequin-Zyklus.

Nach einer sehr arbeitsreichen Periode mit mehreren Aufträgen erholte er sich in den 1960er Jahren um sich wieder auf seine eigene Arbeit zu konzentrieren. Hier begann er nun eine neue Forschungsphase, die als Neometaphysik bekannt war. In dieser Zeit malte er Werke, die Motive seiner eigenen Malerei in den 1910er, 20er und 30er Jahren zeigten und neu ausdrückten. Themen wie die Mannequins, die Troubadours sowie die Archäologen, die Gladiatoren, die geheimnisvollen Bäder und die Sonne, werden in einem neuen Licht interpretiert: Nach den dunklen, strengen Eigenschaften seiner ersten metaphysischen Phase, die von einem Gefühl des Unbehagens durchdrungen war, verwendet er nun helle Farben und kreiert eine im Vergleich gelassenere Atmosphäre. De Chirico setzt neue Kompositionen seiner bekanntesten Motive auf poetische Weise ein, wie zum Beispiel seine metaphysischen Innenräume, die von mythologischen Charakteren wie Orest und Pylades bewohnt sind.

Das Ziel der metaphysischen Erforschung des Mannequins besteht für de Chirico darin, „den Menschen als Gestalt eines Leitfadens zu machen oder als Mittel, Symbole, Empfindungen, Gedanken auszudrücken, vollständig zu unterdrücken, um so die Malerei ein für alle Mal von jenem Anthropomorphismus zu befreien, unter dem die Skulptur erstickt, und so alles, einschließlich des Menschen, in seiner Eigenschaft als ein Objekt anzusehen.“ Es ist diese totale Objektivität des Mannequins, die den Menschen dazu bringt, es abzulehnen oder sogar zu hassen: Die Abwesenheit von Leben und Seele macht sie ewig und geht weit über den Tod jedes Menschen hinaus. Orest und Pylades, die Symbole der brüderlichen Freundschaft, wurden hier so dargestellt, dass es ein Gefühl der Unwirklichkeit erzeugt, und das obwohl sie in einem Moment der Intimität gefangen sind und menschlicher erscheinen als ihre zehn Jahre alten Vorgänger. Die Farbpalette und die starken Kontraste erreichen jedoch wieder eine surreale und unbehagliche Dimension, in die der Betrachter transportiert wird. Dieser Eindruck wird durch die Darstellung der vor dem Fenster auftauchenden farblosen Gebäude noch verstärkt.

28.11.2018 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 198.200,-
Schätzwert:
EUR 140.000,- bis EUR 180.000,-

Giorgio de Chirico *


(Volos, Griechenland 1888–1978 Rom)
Oreste e Pilade, 1966, signiert; auf der Rückseite betitelt und nochmals signiert, mit rücks. notarieller Beglaubigung, Öl auf Leinwand, 40 x 30 cm, gerahmt

Provenienz:
Galleria Molino, Rom
Farsetti, Prato, 29. Mai 1999, Los 436
Europäische Privatsammlung

Literatur:
C. Bruni Sakraischik, Catalogo Generale Giorgio de Chirico, Opere dal 1951 al 1974, Electa, Mailand, 1974, Bd. 5, Nr. 720 mit Abb.
Catalogo Arte Moderna, Giorgio Mondadori, Gruppo Cairo Editore, 2018, S. 102, Nr. 6 mit Abb.

„Das sitzende Mannequin ist dazu bestimmt, Räume zu bewohnen, insbesondere die Ecken der Räume. Freier Himmel passt nicht zu ihm. In Räumen sind sie zu Hause; Dort entfalten sie sich und zeigen großzügig das Talent ihrer unbeschreiblichen und mysteriösen Poetik. [...]

Dieser geheimnisvolle Aspekt der Räume und ihrer Ecken, den ich in zahlreichen Gemälden zum Ausdruck gebracht habe, stellt auch ein Phänomen von großem metaphysischem Interesse dar. Aber jetzt darüber zu reden, würde zu lange dauern, und wie es einmal gesagt wurde, gibt es Fälle und Momente, in denen wir nur dann wahre Philosophen (oder auch Dichter und Maler) sind, wenn wir schweigen.“
Giorgio de Chirico, Nascita del manichino, 1938

Die metaphysische Wende des Malers ereignete sich bekanntlich nach seiner Lektüre der Werke Boecklins, Nietzsches und Schopenhauers, die den Fokus seiner Forschung auf die „Melancholie der schönen Herbstnachmittage italienischer Städte“ verlagerte. Er schrieb: „Schopenhauer und Nietzsche waren die ersten, die [mich] über die tiefere Bedeutung der unsinnigen Natur des Lebens aufklärten und darüber wie dieser Unsinn in Kunst verwandelt werden konnte […]. Die großen neuen Schöpfer sind die Philosophen, die über die Philosophie hinausgegangen sind.“

Seine Jahre in Paris, in denen er den damals dreißigjährigen Picasso auf sich aufmerksam machen und die Brillanz eines begeisterten Apollinaires einfangen würde, waren für de Chirico eine wichtige Zeit der Zusammenarbeit und des Lernens: diese Jahre waren der Beginn seines ikonographischen Mannequin-Zyklus.

Nach einer sehr arbeitsreichen Periode mit mehreren Aufträgen erholte er sich in den 1960er Jahren um sich wieder auf seine eigene Arbeit zu konzentrieren. Hier begann er nun eine neue Forschungsphase, die als Neometaphysik bekannt war. In dieser Zeit malte er Werke, die Motive seiner eigenen Malerei in den 1910er, 20er und 30er Jahren zeigten und neu ausdrückten. Themen wie die Mannequins, die Troubadours sowie die Archäologen, die Gladiatoren, die geheimnisvollen Bäder und die Sonne, werden in einem neuen Licht interpretiert: Nach den dunklen, strengen Eigenschaften seiner ersten metaphysischen Phase, die von einem Gefühl des Unbehagens durchdrungen war, verwendet er nun helle Farben und kreiert eine im Vergleich gelassenere Atmosphäre. De Chirico setzt neue Kompositionen seiner bekanntesten Motive auf poetische Weise ein, wie zum Beispiel seine metaphysischen Innenräume, die von mythologischen Charakteren wie Orest und Pylades bewohnt sind.

Das Ziel der metaphysischen Erforschung des Mannequins besteht für de Chirico darin, „den Menschen als Gestalt eines Leitfadens zu machen oder als Mittel, Symbole, Empfindungen, Gedanken auszudrücken, vollständig zu unterdrücken, um so die Malerei ein für alle Mal von jenem Anthropomorphismus zu befreien, unter dem die Skulptur erstickt, und so alles, einschließlich des Menschen, in seiner Eigenschaft als ein Objekt anzusehen.“ Es ist diese totale Objektivität des Mannequins, die den Menschen dazu bringt, es abzulehnen oder sogar zu hassen: Die Abwesenheit von Leben und Seele macht sie ewig und geht weit über den Tod jedes Menschen hinaus. Orest und Pylades, die Symbole der brüderlichen Freundschaft, wurden hier so dargestellt, dass es ein Gefühl der Unwirklichkeit erzeugt, und das obwohl sie in einem Moment der Intimität gefangen sind und menschlicher erscheinen als ihre zehn Jahre alten Vorgänger. Die Farbpalette und die starken Kontraste erreichen jedoch wieder eine surreale und unbehagliche Dimension, in die der Betrachter transportiert wird. Dieser Eindruck wird durch die Darstellung der vor dem Fenster auftauchenden farblosen Gebäude noch verstärkt.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Klassische Moderne
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 28.11.2018 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 17.11. - 28.11.2018


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.