Lot Nr. 98


Gaetano Gandolfi


Gaetano Gandolfi - Alte Meister

(San Matteo della Decima 1734-1802 Bologna)
Die Heilige Familie mit dem heiligen Augustinus,
datiert unten Mitte: 1761,
Öl auf Leinwand, 230 x 152 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich beauftragt durch die Familie Salaroli;
Villa Monsignori di San Giovanni in Calamosca, Bologna;
Privatsammlung, Bologna

Literatur:
D. Biagi Maino, Gaetano Gandolfi, Turin, 1995, S. 345/346, Nr. 7, Abb. 9;
M. Riccòmini (Hg.), Maurizio Nobile. N. 21, Katalog, Bologna 2018, Nr. 25

Dank des ausgezeichneten Erhaltungszustands des vorliegenden Gemäldes vermittelt sich dem Betrachter die ebenso kostbare wie seltene Frische der Darstellung Gaetano Gandolfis. Die äußerst ansprechende Komposition befand sich in einer Bologneser Privatsammlung und wurde erstmals von Donatella Biagi Maino publiziert (Biagi Maino 1995, S. 31/32, 345/346).

Das Werk könnte sich ursprünglich im Besitz der Familie Salaroli befunden haben. Fest steht, dass es einmal die Villa Monsignori di San Giovanni in Calamosco schmückte, wie eine um 1930 bis 1935 entstandene Fotografie zeigt, die sich im Familienarchiv der Comelli erhalten hat (wie Donatella Biagi Maino bestätigt hat und bei Riccòmini 2018, Nr. 25, angemerkt wird, wo der bischöfliche Heilige identifiziert wird).

Die Provenienz des Gemäldes ist von entscheidender Bedeutung, zumal die Geschichte der Villa Monsignori mit einigen der bemerkenswertesten Episoden in der Geschichte des Bologneser Malerei verflochten ist. Ihr erster Besitzer, Pompeo Monsignori, war den Carracci-Cousins freundschaftlich verbunden, die oft bei ihm zu Gast waren, und Ludovico Carracci und seine Mitarbeiter Lionello Spada und Francesco Brizio schufen Fresken für ihn.

Im Lauf des 17. Jahrhunderts ging die Villa in das Eigentum von Carlo Beccadelli über, dann gehörte sie bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts der Familie Salaroli, von der sie die Nicoli übernahmen, in deren Besitz sie bis 1852 verblieb. In diesem Jahr erwarb Raffaele Bisteghi die Villa, die 1902 als Erbe an Giambattista Comelli fiel. In den 1960er-Jahren befand sich das Gemälde offensichtlich nicht mehr in Calamosco: Cuppini und Matteucci hatten damals ihre Bestandsaufnahme der Bologneser Villen und der darin befindlichen Gemälde vollendet, und es ist auszuschließen, dass ein so bedeutendes Altarbild wie das Gaetano Gandolfis von Anna Maria Matteucci übersehen worden wäre, die für die Erfassung der Gemälde verantwortlich war (siehe G. Cuppini, A. M. Matteucci, Ville del Bolognese, 2. Aufl., Bologna 1969, S. 110-113, 351/352).

Vor diesem Hintergrund lässt sich eine These im Hinblick auf die Umstände der Beauftragung des vorliegenden Werks formulieren. Da die prächtige Villa der Adelsfamilie Salaroli gehörte, kann man annehmen, dass sie es war, die sich 1761 entschloss, bei einem vielversprechenden jungen Künstler ein neues Altarbild für die Kapelle der Villa in Auftrag zu geben.

Gaetano Gandolfi war bereits gegen Ende des vorhergehenden Jahrzehnts künstlerisch in Erscheinung getreten und stand unter dem Schutz des kultivierten Sammlers und Bibliophilen Antonio Buratti, einer in den kulturellen Bologneser Kreisen wichtigen Persönlichkeit. Buratti plante und förderte etwa die Herausgabe des Bandes Le Pitture di Pellegrino Tibaldi e Niccolò Abbati esistenti nell’Istituto di Bologna (1756), zu dem auch Gandolfi einen Beitrag leistete (Biagi Maino 1995, S. 15-18). Das Werk sollte dem Ansehen des renommierten Hauptsitzes des Bologneser Istituto delle Scienze dienen, das in diesen Jahren von Papst Benedikt XIV. neu gegründet wurde (siehe D. Biagi Maino, L’immagine del Settecento da Luigi Ferdinando Marsili a Benedetto XIV, Turin 2005). Buratti ermöglichte dem talentierten jungen Gaetano auch einen einjährigen Studienaufenthalt in Venedig, der es dem Künstler wie den Carraccis erlaubte, sich mit Licht und Farbe venezianischer Meisterwerke der Malerei auseinanderzusetzen.

Während seines Aufenthalts in Venedig studierte Gaetano, auf den Grundlagen seiner lokalen Ausbildung aufbauend, die Kunst Tizians, Veroneses und Tintorettos und begann sich für die Neuerungen Giovanni Battista Tiepolos zu begeistern, von dem er während seiner ihn prägenden Bologneser Jahre an der Accademia Clementina des Istituto delle Scienze gehört hatte. Francesco Algarotti, ein Mentor der Künstler seiner Generation, hatte sich während Gandolfis Aufenthalt in Bologna von 1756 bis 1762 des Künstlers angenommen und diesen mit Tiepolo bekannt gemacht. Die durch das intensive Studium Tiepolos gewonnenen Vorstellungen und Ideen sollten für Gaetano Gandolfis gesamte brillante Laufbahn stets ein wesentlicher Bezugspunkt bleiben.

Die Datierung 1761, die Gandolfi auf der Stufe anbrachte, auf die der bischöfliche Heilige seinen Fuß setzt, ist ein klares Zeichen der Selbstbehauptung, Hinweis auf ein neues Selbstbewusstsein, als ob der Künstler damit einen Punkt markieren wollte, von dem es für ihn kein Zurück mehr gab. Im Vergleich zu seinen nur zwei Jahre zuvor entstandenen Werken wie dem Altarbild für die Kirche San Giacomo Apostolo in Piumazzo und der vierzehnten Kreuzwegstation (Biagi Maino 1995, S. 345, Nr. 5, 6) behauptet das vorliegende Gemälde aufgrund seiner kompositorischen Neuheit und seiner raffinierten Farbgebung nachdrücklich einen herausragenden Platz. Das Werk verbindet die Begeisterung für venezianische Einflüsse mit dem reichen Farbspektrum der Bologneser Malerei des 17. Jahrhunderts, die der Künstler in seinen Studienjahren kennengelernt hatte.

Die rosa und blassblauen Gewänder der jugendlichen Maria vermitteln ein zartes Bild höchster Anmut; auch die Segnungsgeste des Jesuskindes hat etwas ganz und gar nobles. Der großartig wiedergegebene Ornat des heiligen Augustinus, dessen Chorrock das Licht zurückstrahlt, die als prächtig geschmückter wertvoller Edelstein gestaltete Schließe und der rhythmisch abgestufte Anstieg der Komposition sind allesamt als Neuerungen anzusehen. Innovationen dieser Art gab es nicht in den Jahren, in denen Giampietro Zanotti über das Geschick der Accademia bestimmte: Sein klassizistischer Ruf zur Ordnung wurde mit Nachdruck in die Tat umgesetzt und eingefordert und Gandolfis früher datiertes Altarbild für Piumazzo spiegelt dies noch wieder.

Gaetano Gandolfi beschritt für die lokale Schule der Malerei einen kühnen neuen Weg, bezahlte aber einen Preis dafür. Er wartete lange, bis er zur Akademie zugelassen wurde, und musste zusehen, wie viele weniger begabte Künstler vor ihm zu Mitgliedern wurden. Erst nachdem er sich nicht nur in Italien, sondern auch in England und Russland bewährt und unter Beweis gestellt hatte, dass er seinen Landsleuten und vielen seiner Zeitgenossen voraus war, wurde er 1765 in die Akademie gewählt. Er hatte eine wahrlich bahnbrechende Karriere durchlaufen.

Wir danken Donatella Biagi Maino für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

23.10.2018 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 271.400,-
Schätzwert:
EUR 300.000,- bis EUR 400.000,-

Gaetano Gandolfi


(San Matteo della Decima 1734-1802 Bologna)
Die Heilige Familie mit dem heiligen Augustinus,
datiert unten Mitte: 1761,
Öl auf Leinwand, 230 x 152 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich beauftragt durch die Familie Salaroli;
Villa Monsignori di San Giovanni in Calamosca, Bologna;
Privatsammlung, Bologna

Literatur:
D. Biagi Maino, Gaetano Gandolfi, Turin, 1995, S. 345/346, Nr. 7, Abb. 9;
M. Riccòmini (Hg.), Maurizio Nobile. N. 21, Katalog, Bologna 2018, Nr. 25

Dank des ausgezeichneten Erhaltungszustands des vorliegenden Gemäldes vermittelt sich dem Betrachter die ebenso kostbare wie seltene Frische der Darstellung Gaetano Gandolfis. Die äußerst ansprechende Komposition befand sich in einer Bologneser Privatsammlung und wurde erstmals von Donatella Biagi Maino publiziert (Biagi Maino 1995, S. 31/32, 345/346).

Das Werk könnte sich ursprünglich im Besitz der Familie Salaroli befunden haben. Fest steht, dass es einmal die Villa Monsignori di San Giovanni in Calamosco schmückte, wie eine um 1930 bis 1935 entstandene Fotografie zeigt, die sich im Familienarchiv der Comelli erhalten hat (wie Donatella Biagi Maino bestätigt hat und bei Riccòmini 2018, Nr. 25, angemerkt wird, wo der bischöfliche Heilige identifiziert wird).

Die Provenienz des Gemäldes ist von entscheidender Bedeutung, zumal die Geschichte der Villa Monsignori mit einigen der bemerkenswertesten Episoden in der Geschichte des Bologneser Malerei verflochten ist. Ihr erster Besitzer, Pompeo Monsignori, war den Carracci-Cousins freundschaftlich verbunden, die oft bei ihm zu Gast waren, und Ludovico Carracci und seine Mitarbeiter Lionello Spada und Francesco Brizio schufen Fresken für ihn.

Im Lauf des 17. Jahrhunderts ging die Villa in das Eigentum von Carlo Beccadelli über, dann gehörte sie bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts der Familie Salaroli, von der sie die Nicoli übernahmen, in deren Besitz sie bis 1852 verblieb. In diesem Jahr erwarb Raffaele Bisteghi die Villa, die 1902 als Erbe an Giambattista Comelli fiel. In den 1960er-Jahren befand sich das Gemälde offensichtlich nicht mehr in Calamosco: Cuppini und Matteucci hatten damals ihre Bestandsaufnahme der Bologneser Villen und der darin befindlichen Gemälde vollendet, und es ist auszuschließen, dass ein so bedeutendes Altarbild wie das Gaetano Gandolfis von Anna Maria Matteucci übersehen worden wäre, die für die Erfassung der Gemälde verantwortlich war (siehe G. Cuppini, A. M. Matteucci, Ville del Bolognese, 2. Aufl., Bologna 1969, S. 110-113, 351/352).

Vor diesem Hintergrund lässt sich eine These im Hinblick auf die Umstände der Beauftragung des vorliegenden Werks formulieren. Da die prächtige Villa der Adelsfamilie Salaroli gehörte, kann man annehmen, dass sie es war, die sich 1761 entschloss, bei einem vielversprechenden jungen Künstler ein neues Altarbild für die Kapelle der Villa in Auftrag zu geben.

Gaetano Gandolfi war bereits gegen Ende des vorhergehenden Jahrzehnts künstlerisch in Erscheinung getreten und stand unter dem Schutz des kultivierten Sammlers und Bibliophilen Antonio Buratti, einer in den kulturellen Bologneser Kreisen wichtigen Persönlichkeit. Buratti plante und förderte etwa die Herausgabe des Bandes Le Pitture di Pellegrino Tibaldi e Niccolò Abbati esistenti nell’Istituto di Bologna (1756), zu dem auch Gandolfi einen Beitrag leistete (Biagi Maino 1995, S. 15-18). Das Werk sollte dem Ansehen des renommierten Hauptsitzes des Bologneser Istituto delle Scienze dienen, das in diesen Jahren von Papst Benedikt XIV. neu gegründet wurde (siehe D. Biagi Maino, L’immagine del Settecento da Luigi Ferdinando Marsili a Benedetto XIV, Turin 2005). Buratti ermöglichte dem talentierten jungen Gaetano auch einen einjährigen Studienaufenthalt in Venedig, der es dem Künstler wie den Carraccis erlaubte, sich mit Licht und Farbe venezianischer Meisterwerke der Malerei auseinanderzusetzen.

Während seines Aufenthalts in Venedig studierte Gaetano, auf den Grundlagen seiner lokalen Ausbildung aufbauend, die Kunst Tizians, Veroneses und Tintorettos und begann sich für die Neuerungen Giovanni Battista Tiepolos zu begeistern, von dem er während seiner ihn prägenden Bologneser Jahre an der Accademia Clementina des Istituto delle Scienze gehört hatte. Francesco Algarotti, ein Mentor der Künstler seiner Generation, hatte sich während Gandolfis Aufenthalt in Bologna von 1756 bis 1762 des Künstlers angenommen und diesen mit Tiepolo bekannt gemacht. Die durch das intensive Studium Tiepolos gewonnenen Vorstellungen und Ideen sollten für Gaetano Gandolfis gesamte brillante Laufbahn stets ein wesentlicher Bezugspunkt bleiben.

Die Datierung 1761, die Gandolfi auf der Stufe anbrachte, auf die der bischöfliche Heilige seinen Fuß setzt, ist ein klares Zeichen der Selbstbehauptung, Hinweis auf ein neues Selbstbewusstsein, als ob der Künstler damit einen Punkt markieren wollte, von dem es für ihn kein Zurück mehr gab. Im Vergleich zu seinen nur zwei Jahre zuvor entstandenen Werken wie dem Altarbild für die Kirche San Giacomo Apostolo in Piumazzo und der vierzehnten Kreuzwegstation (Biagi Maino 1995, S. 345, Nr. 5, 6) behauptet das vorliegende Gemälde aufgrund seiner kompositorischen Neuheit und seiner raffinierten Farbgebung nachdrücklich einen herausragenden Platz. Das Werk verbindet die Begeisterung für venezianische Einflüsse mit dem reichen Farbspektrum der Bologneser Malerei des 17. Jahrhunderts, die der Künstler in seinen Studienjahren kennengelernt hatte.

Die rosa und blassblauen Gewänder der jugendlichen Maria vermitteln ein zartes Bild höchster Anmut; auch die Segnungsgeste des Jesuskindes hat etwas ganz und gar nobles. Der großartig wiedergegebene Ornat des heiligen Augustinus, dessen Chorrock das Licht zurückstrahlt, die als prächtig geschmückter wertvoller Edelstein gestaltete Schließe und der rhythmisch abgestufte Anstieg der Komposition sind allesamt als Neuerungen anzusehen. Innovationen dieser Art gab es nicht in den Jahren, in denen Giampietro Zanotti über das Geschick der Accademia bestimmte: Sein klassizistischer Ruf zur Ordnung wurde mit Nachdruck in die Tat umgesetzt und eingefordert und Gandolfis früher datiertes Altarbild für Piumazzo spiegelt dies noch wieder.

Gaetano Gandolfi beschritt für die lokale Schule der Malerei einen kühnen neuen Weg, bezahlte aber einen Preis dafür. Er wartete lange, bis er zur Akademie zugelassen wurde, und musste zusehen, wie viele weniger begabte Künstler vor ihm zu Mitgliedern wurden. Erst nachdem er sich nicht nur in Italien, sondern auch in England und Russland bewährt und unter Beweis gestellt hatte, dass er seinen Landsleuten und vielen seiner Zeitgenossen voraus war, wurde er 1765 in die Akademie gewählt. Er hatte eine wahrlich bahnbrechende Karriere durchlaufen.

Wir danken Donatella Biagi Maino für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 23.10.2018 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.10. - 23.10.2018


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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