Lot Nr. 80


Giuseppe Maria Crespi


Giuseppe Maria Crespi - Alte Meister

(Bologna 1665-1747)
Die büßende Maria Magdalena,
Öl auf Leinwand, 97 x 76 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Angelo Cecconi, Florenz;
Sammlung Aldo Briganti, Rom;
Privatsammlung, Como

Ausgestellt:
Rom, Palazzo Massimo alle Colonne, Cinque Pittori del Settecento, Ghislandi, Crespi, Magnasco, Bazzani, Ceruti, April 1943, Nr. 18

Literatur:
M. Marangoni, La raccolta Cecconi di pittura secentesca, in: Dedalo. Rassegna d’arte diretta da Ugo Ojetti, 2, 1921, S. 371/372, mit Abb.;
A. Morandotti (Hg.), Cinque Pittori del Settecento, Ghislandi, Crespi, Magnasco, Bazzani, Ceruti, Ausstellungskatalog, Venedig 1943, Nr. 18;
M. Marangoni (Hg.), Arte Barocca, Florenz 1953, S. 131 Taf. 86;
M. P. Merriman, Giuseppe Maria Crespi, Mailand 1980, S. 260/261, Nr. 96, mit Abb.;
G. Viroli in: A. Emiliani, A.B. Rave (Hg.), Giuseppe Maria Crespi 1665-1747, Ausstellungskatalog, Bologna 1990, S.148, Erwähnung unter Nr. 74;
A. Emiliani, in: A. Emiliani, R. D’Amico, A. Volpe (Hg.), Doni acquisti depositi. Le acquisizioni degli ultimi dieci anni, 1987-1997, Bologna 1997, S. 55;
A. Emiliani, in: J. Bentini (Hg.), Percorsi del Barocco. Acquisti, doni e depositi alla Pinacoteca Nazionale di Bologna, 1990-1999, Bologna 1999, S. 78;
W. Prohaska, in: J. Bentini et al. (Hg.), Pinacoteca Nazionale di Bologna. Catalogo generale. 4. Seicento e Settecento, Venedig 2011, S. 147, Erwähnung unter Nr. 85.

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri (Nr. 70199) als Werk Giuseppe Maria Crespis verzeichnet.

Bei diesem gut erhaltenen Gemälde handelt es sich um die frühere von zwei bekannten eigenhändigen Fassungen dieser Komposition Giuseppe Maria Crespis. Die zweite Fassung wird in der Pinacoteca Nazionale, Bologna (Inv. Nr. 7197), aufbewahrt. Das vorliegende Gemälde datiert aus den frühen 1720er-, das Bologneser Bild aus den 1730er-Jahren.

Der Tradition folgend ist Maria Magdalena als sinnliche Gestalt mit langem, rotem Haar dargestellt; mit schmerzvollem Ausdruck betrachtet sie das Kruzifix, das sie mit der Linken an den rechten Arm gelehnt hält, welchen sie wiederum als Ausdruck der Reue über die Brust gelegt hat. Der ganze Körper ist im gewundenen Kontrapost dargestellt, um dem Betrachter die Tragik der Protagonistin eindringlicher zu vermitteln. Zur Linken der Heiligen ist der Totenschädel als ihr Attribut zu sehen, während im Hintergrund eine Höhle auszumachen ist. Das Gemälde, welches von außergewöhnlich hoher Qualität ist, ist nach den Worten Marangonis (siehe Literatur) „quasi monocromatica su toni dorati“ [„nahezu monochrom in Goldtönen“] gemalt. Die zu dieser Wirkung beitragenden ockerroten Schatten betonen den erotischen Charakter der Szene und erinnern an die ausschweifenden Gemälde Rubens’. Selbst die runden, üppigen Arme und der schnelle, flüssige Pinselstrich lassen an Rubens denken. Crespis Biograf Gian Pietro Zanotti berichtet, dass Rubens in den 1720er-Jahren tatsächlich eine Inspirationsquelle war (siehe G. P. Zanotti, Storia dell’Accademia Clementina di Bologna, Bologna 1739, II, S. 70). Die Fassung in Bologna gehört ins nachfolgende Jahrzehnt und weist vom Stil her auf Crespis letzte Schaffensperiode.

Dieses einnehmende Bild der Maria Magdalena kann für die im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitete Entwicklung von Heiligenbildern mit sinnlichem Unterton stehen und verrät die Vorliebe von Auftraggebern für von profanen Elementen durchdrungene religiöse Themen. Insbesondere in Bologna wurzelte diese Strömung in einer Tradition, die vom Spätwerk Guido Renis bis hin zu Cantarini, Pasinelli, Giovanni Gioseffo dal Sole und anderen reicht. Zu den dem vorliegenden Gemälde am nächsten kommenden „Vorläufern“ gehören beispielsweise die Maria Magdalena dal Soles in der Pinacoteca in Bologna und jene Giovanni Antonio Burrinis in der Pinacoteca in Parma, die zwischen Mitte der 1680er-Jahre und den frühen 1690er-Jahren zu datieren sind. Andrea Emiliani weist darauf hin, dass der gewundene Kontrapost der Magdalena im vorliegenden Gemälde von einem Vorbild herrühren mag, das „gegenüber dem Andenken Ludovico Carraccis nicht unempfänglich war“ [„un modello non insensibile alla memoria di Ludovico Carracci“] (siehe Literatur, Emiliani 1999). Darüber hinaus lässt die weiche Pinselführung an das Schaffen Federico Baroccis denken, insbesondere an dessen zarte Zeichnungen und Pastelle, die Crespi in den Sammlungen von Kardinal Leopoldo de’ Medici in Urbino und Florenz bewundert haben könnte.

Crespi nahm sich der Geschichte der Maria Magdalena bei mehreren Gelegenheiten an, wobei er sein Augenmerk jedes Mal auf einen anderen Aspekt des Themas richtete, wie die beiden Darstellungen in Hannover (Niedersächsisches Landesmuseum) und eine weitere nur von einer Fotografie her bekannte Darstellung bezeugen (siehe M. P. Merriman, Giuseppe Maria Crespi, Mailand 1980, S. 260, Nr. 94, 95). Diese Werke zeigen eine ähnliche Komposition, welche die Reue der büßenden Heiligen in den Vordergrund rückt, während eine weitere Version im Musée des Beaux Arts in Lyon die nachdenkliche Stimmung der Heiligen betont (siehe Viroli unter der Literatur).

Das vorliegende Gemälde wurde erstmals von Matteo Marangoni in den 1920er-Jahren publiziert, als es sich in der Florentiner Sammlung von Angelo Cecconi, einem wichtigen Kenner italienischer Kunst des 17. Jahrhunderts, befand. In den 1940er-Jahren gelangte das Bild in die römische Sammlung von Aldo Briganti, dem Vater des bekannten Kunsthistorikers Giuliano und selbst Wissenschaftler. 1943 wurde das Bild im Palazzo Massimo alle Colonne in Rom anlässlich einer Ausstellung von Gemälden des 18. Jahrhunderts gezeigt. Später gelangte es in die Sammlung des jetzigen Besitzers.

23.10.2018 - 18:00

Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Giuseppe Maria Crespi


(Bologna 1665-1747)
Die büßende Maria Magdalena,
Öl auf Leinwand, 97 x 76 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Angelo Cecconi, Florenz;
Sammlung Aldo Briganti, Rom;
Privatsammlung, Como

Ausgestellt:
Rom, Palazzo Massimo alle Colonne, Cinque Pittori del Settecento, Ghislandi, Crespi, Magnasco, Bazzani, Ceruti, April 1943, Nr. 18

Literatur:
M. Marangoni, La raccolta Cecconi di pittura secentesca, in: Dedalo. Rassegna d’arte diretta da Ugo Ojetti, 2, 1921, S. 371/372, mit Abb.;
A. Morandotti (Hg.), Cinque Pittori del Settecento, Ghislandi, Crespi, Magnasco, Bazzani, Ceruti, Ausstellungskatalog, Venedig 1943, Nr. 18;
M. Marangoni (Hg.), Arte Barocca, Florenz 1953, S. 131 Taf. 86;
M. P. Merriman, Giuseppe Maria Crespi, Mailand 1980, S. 260/261, Nr. 96, mit Abb.;
G. Viroli in: A. Emiliani, A.B. Rave (Hg.), Giuseppe Maria Crespi 1665-1747, Ausstellungskatalog, Bologna 1990, S.148, Erwähnung unter Nr. 74;
A. Emiliani, in: A. Emiliani, R. D’Amico, A. Volpe (Hg.), Doni acquisti depositi. Le acquisizioni degli ultimi dieci anni, 1987-1997, Bologna 1997, S. 55;
A. Emiliani, in: J. Bentini (Hg.), Percorsi del Barocco. Acquisti, doni e depositi alla Pinacoteca Nazionale di Bologna, 1990-1999, Bologna 1999, S. 78;
W. Prohaska, in: J. Bentini et al. (Hg.), Pinacoteca Nazionale di Bologna. Catalogo generale. 4. Seicento e Settecento, Venedig 2011, S. 147, Erwähnung unter Nr. 85.

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri (Nr. 70199) als Werk Giuseppe Maria Crespis verzeichnet.

Bei diesem gut erhaltenen Gemälde handelt es sich um die frühere von zwei bekannten eigenhändigen Fassungen dieser Komposition Giuseppe Maria Crespis. Die zweite Fassung wird in der Pinacoteca Nazionale, Bologna (Inv. Nr. 7197), aufbewahrt. Das vorliegende Gemälde datiert aus den frühen 1720er-, das Bologneser Bild aus den 1730er-Jahren.

Der Tradition folgend ist Maria Magdalena als sinnliche Gestalt mit langem, rotem Haar dargestellt; mit schmerzvollem Ausdruck betrachtet sie das Kruzifix, das sie mit der Linken an den rechten Arm gelehnt hält, welchen sie wiederum als Ausdruck der Reue über die Brust gelegt hat. Der ganze Körper ist im gewundenen Kontrapost dargestellt, um dem Betrachter die Tragik der Protagonistin eindringlicher zu vermitteln. Zur Linken der Heiligen ist der Totenschädel als ihr Attribut zu sehen, während im Hintergrund eine Höhle auszumachen ist. Das Gemälde, welches von außergewöhnlich hoher Qualität ist, ist nach den Worten Marangonis (siehe Literatur) „quasi monocromatica su toni dorati“ [„nahezu monochrom in Goldtönen“] gemalt. Die zu dieser Wirkung beitragenden ockerroten Schatten betonen den erotischen Charakter der Szene und erinnern an die ausschweifenden Gemälde Rubens’. Selbst die runden, üppigen Arme und der schnelle, flüssige Pinselstrich lassen an Rubens denken. Crespis Biograf Gian Pietro Zanotti berichtet, dass Rubens in den 1720er-Jahren tatsächlich eine Inspirationsquelle war (siehe G. P. Zanotti, Storia dell’Accademia Clementina di Bologna, Bologna 1739, II, S. 70). Die Fassung in Bologna gehört ins nachfolgende Jahrzehnt und weist vom Stil her auf Crespis letzte Schaffensperiode.

Dieses einnehmende Bild der Maria Magdalena kann für die im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitete Entwicklung von Heiligenbildern mit sinnlichem Unterton stehen und verrät die Vorliebe von Auftraggebern für von profanen Elementen durchdrungene religiöse Themen. Insbesondere in Bologna wurzelte diese Strömung in einer Tradition, die vom Spätwerk Guido Renis bis hin zu Cantarini, Pasinelli, Giovanni Gioseffo dal Sole und anderen reicht. Zu den dem vorliegenden Gemälde am nächsten kommenden „Vorläufern“ gehören beispielsweise die Maria Magdalena dal Soles in der Pinacoteca in Bologna und jene Giovanni Antonio Burrinis in der Pinacoteca in Parma, die zwischen Mitte der 1680er-Jahre und den frühen 1690er-Jahren zu datieren sind. Andrea Emiliani weist darauf hin, dass der gewundene Kontrapost der Magdalena im vorliegenden Gemälde von einem Vorbild herrühren mag, das „gegenüber dem Andenken Ludovico Carraccis nicht unempfänglich war“ [„un modello non insensibile alla memoria di Ludovico Carracci“] (siehe Literatur, Emiliani 1999). Darüber hinaus lässt die weiche Pinselführung an das Schaffen Federico Baroccis denken, insbesondere an dessen zarte Zeichnungen und Pastelle, die Crespi in den Sammlungen von Kardinal Leopoldo de’ Medici in Urbino und Florenz bewundert haben könnte.

Crespi nahm sich der Geschichte der Maria Magdalena bei mehreren Gelegenheiten an, wobei er sein Augenmerk jedes Mal auf einen anderen Aspekt des Themas richtete, wie die beiden Darstellungen in Hannover (Niedersächsisches Landesmuseum) und eine weitere nur von einer Fotografie her bekannte Darstellung bezeugen (siehe M. P. Merriman, Giuseppe Maria Crespi, Mailand 1980, S. 260, Nr. 94, 95). Diese Werke zeigen eine ähnliche Komposition, welche die Reue der büßenden Heiligen in den Vordergrund rückt, während eine weitere Version im Musée des Beaux Arts in Lyon die nachdenkliche Stimmung der Heiligen betont (siehe Viroli unter der Literatur).

Das vorliegende Gemälde wurde erstmals von Matteo Marangoni in den 1920er-Jahren publiziert, als es sich in der Florentiner Sammlung von Angelo Cecconi, einem wichtigen Kenner italienischer Kunst des 17. Jahrhunderts, befand. In den 1940er-Jahren gelangte das Bild in die römische Sammlung von Aldo Briganti, dem Vater des bekannten Kunsthistorikers Giuliano und selbst Wissenschaftler. 1943 wurde das Bild im Palazzo Massimo alle Colonne in Rom anlässlich einer Ausstellung von Gemälden des 18. Jahrhunderts gezeigt. Später gelangte es in die Sammlung des jetzigen Besitzers.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 23.10.2018 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.10. - 23.10.2018