Lot Nr. 331


Avanzino Nucci


Avanzino Nucci - Alte Meister

(Città di Castello 1551–1629 Rom)
David und Abigail; und
Abraham und die drei Engel,
Tempera auf Holz, 93 x 83 cm und 94,5 x 82 cm, gerahmt, Pendants (2)

Provenienz:
vermutlich Sala della Lavanda, Ospedale della Trinità dei Pellegrini e Convalescenti, Rom;
Sammlung Harry G. Sperling (1906–1971), New York;
Auktion, Sotheby’s, London, 24. März 1971, Lot 64 (als Avanzino Nucci);
Kunsthandel Francesco Romano, Rom (1972);
Privatsammlung, Rom

Literatur:
J. A. Gere/P. Pouncey, Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum: Artists Working in Rome c. 1550 to c. 1640, London 1983, S. 138 (als Avanzino Nucci);
G. Sapori, in: Pittura del Seicento. Ricerche in Umbria, hg. von L. Barroero et al., Ausstellungskatalog, Perugia 1989, S. 189 (als Avanzino Nucci);
P. Leone de Castris, Pittura del Cinquecento a Napoli. 1573–1606 l’ultima maniera, Neapel 1991, S. 186 (als Avanzino Nucci);
M. Pupillo, Un’ipotesi per Avanzino Nucci nell’Ospedale della SS. Trinità dei Pellegrini a Roma, in: Storia dell’Arte, 85, 1995, S. 395–411, mit Abb. (als Avanzino Nucci);
H. Röttgen, Modello storico, modus e stile: il ritorno dell’età paleocristiana attorno al 1600, in: Arte e Committenza nel Lazio nell’età di Cesare Baronio, hg. von P. Tosini, Rom 2009, S. 34, unter Anm. 7 (als Avanzino Nucci);
P. M. Jones, Altarpieces and Their Viewers in the Churches of Rom from Caravaggio to Guido Reni, London 2016, S. 321, Anm. 92 (als Avanzino Nucci)

Die vorliegenden Gemälde sind in der Fototeca Zeri als Werke Avanzino Nuccis verzeichnet (Nr. 32289–32290).

Bei den beiden hier dargestellten Szenen handelt es sich um biblische Begebenheiten. Die erste ist dem Buch Samuel entnommen (25, 18–19). David sandte Leute zu Nabal, um Speis und Trank zu erbitten, wurde jedoch abgewiesen; ohne Wissen ihres Mannes macht sich Nabals Frau auf den Weg über einen Berg, um David und seine Armee einzuholen und reichliche Gaben zu überbringen. Avanzino Nuccis Gemälde zeigt jenen Moment, in dem die Frau sich vor David zu Boden wirft und ihn anfleht, die Unhöflichkeit ihres Mannes zu vergessen und ihre Geschenke anzunehmen. Die zweite Szene stellt die bekanntere der beiden Episoden dar, die der Genesis entnommen ist (18, 1–15). Abraham empfängt drei Gäste, die er mit Speis und Trank bewirtet; später geben sich die Männer als von Gott entsandte Engel zu erkennen.

Das Thema der Gastfreundschaft verbindet die beiden Szenen, was Pupillo (siehe Literatur) dazu veranlasst hat, die Gemälde als ehemalige Teile der Ausstattung der Sala della Lavanda innerhalb des Pilgertrakts des Ospedale della Trinità dei Pellegrini e Convalescenti in Rom zu identifizieren: Die Einrichtung wurde als eines der wichtigsten Zentren der Stadt, die Pilgern Gastfreundschaft erwiesen, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts größtenteils zerstört.

Die Räumlichkeiten, in denen die rituelle Fußwaschung der Pilger erfolgte, war mit einem Gemäldezyklus von Avanzino Nucci ausgestattet, der bei Baglione Erwähnung findet, wobei die einzelnen Themen jedoch nicht beschrieben werden. „Alla Trinità de’ Pellegrini, egli [Nucci] istoriò tutta la stanza, dove si lavano i piedi à Forastieri con diversi avvenimenti, a fresco espressi“ [‘In der Trinità de’ Pellegrini, stattete er [Nucci] den gesamten Raum, in dem die Füße der Fremden gewaschen werden, mit unterschiedlichen Begebenheiten in Freskotechnik aus“] (siehe G. Baglione, Le vite de’ pittori scultori et architetti. Dal pontificato di Gregorio XIII fino a tutto quello d’Urbano VIII, Rom 1649, hg. von G. Gradara Pesci, Velletri 1924, S. 301).

Laut Pupillo führte Nucci die vorliegenden Werke nach 1600 aus. Sie sind vergleichbar mit zwei Leinwandbildern von der Hand des Künstlers, Der Heilige Petrus und der Centurio und Der heilige Petrus und Simon Magus, beides Werke der Cassa di Risparmio di Perugia (siehe Pupillo, Literatur). Nucci verrät Einflüsse unterschiedlicher künstlerischer Strömungen, die Rom zur Jahrhundertwende erfasst hatten: Zum einen griff er spätmanieristische Züge auf, zum anderen setzte er sich mit der naturalistischen Malweise Roncallis und des Cavalier d’Arpino auseinander. Es ist darauf hinzuweisen, dass Nucci gegen Ende des 16. Jahrhunderts mit Letzterem bei mehreren Projekten zusammenarbeitete.

Leone de Castris (siehe Literatur) hält die vorliegenden Werke hingegen für die ersten bekannten Werke des Künstlers und datiert sie um 1590, zumal sie eine klare „Sixtinische“ Prägung aufweisen und offenbar der Zeit vor dem Aufenthalt des Künstlers in Neapel zwischen 1595 und 1599 angehören.

Die Künstlerpersönlichkeit Avanzino Nucci ist immer noch zu einem großen Teil unerforscht, trotz der Tatsache, dass der Maler bei zahlreichen zeitgenössischen Biografen Erwähnung findet, darunter auch bei Giovanni Baglione, der ihn als „pratico e buon pittore“ [„praktischen und guten Maler“] beschreibt (siehe G. Baglione, ebd., S. 300f.).

Avanzino Nucci war ein Schüler von Niccolò Circignani und vorwiegend in Rom tätig, doch arbeitete er auch in den Marken, in Umbrien und Neapel; er schuf zahlreiche Ausstattungszyklen. Es ist dokumentiert, dass er an den großen Ausstattungsprojekten beteiligt war, die im Rom des späten Cinquecento von Sixtus V. initiiert worden waren, darunter jene des Lateranpalasts, der Heiligen Treppe und der vatikanischen Bibliothek.

30.04.2019 - 17:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Avanzino Nucci


(Città di Castello 1551–1629 Rom)
David und Abigail; und
Abraham und die drei Engel,
Tempera auf Holz, 93 x 83 cm und 94,5 x 82 cm, gerahmt, Pendants (2)

Provenienz:
vermutlich Sala della Lavanda, Ospedale della Trinità dei Pellegrini e Convalescenti, Rom;
Sammlung Harry G. Sperling (1906–1971), New York;
Auktion, Sotheby’s, London, 24. März 1971, Lot 64 (als Avanzino Nucci);
Kunsthandel Francesco Romano, Rom (1972);
Privatsammlung, Rom

Literatur:
J. A. Gere/P. Pouncey, Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum: Artists Working in Rome c. 1550 to c. 1640, London 1983, S. 138 (als Avanzino Nucci);
G. Sapori, in: Pittura del Seicento. Ricerche in Umbria, hg. von L. Barroero et al., Ausstellungskatalog, Perugia 1989, S. 189 (als Avanzino Nucci);
P. Leone de Castris, Pittura del Cinquecento a Napoli. 1573–1606 l’ultima maniera, Neapel 1991, S. 186 (als Avanzino Nucci);
M. Pupillo, Un’ipotesi per Avanzino Nucci nell’Ospedale della SS. Trinità dei Pellegrini a Roma, in: Storia dell’Arte, 85, 1995, S. 395–411, mit Abb. (als Avanzino Nucci);
H. Röttgen, Modello storico, modus e stile: il ritorno dell’età paleocristiana attorno al 1600, in: Arte e Committenza nel Lazio nell’età di Cesare Baronio, hg. von P. Tosini, Rom 2009, S. 34, unter Anm. 7 (als Avanzino Nucci);
P. M. Jones, Altarpieces and Their Viewers in the Churches of Rom from Caravaggio to Guido Reni, London 2016, S. 321, Anm. 92 (als Avanzino Nucci)

Die vorliegenden Gemälde sind in der Fototeca Zeri als Werke Avanzino Nuccis verzeichnet (Nr. 32289–32290).

Bei den beiden hier dargestellten Szenen handelt es sich um biblische Begebenheiten. Die erste ist dem Buch Samuel entnommen (25, 18–19). David sandte Leute zu Nabal, um Speis und Trank zu erbitten, wurde jedoch abgewiesen; ohne Wissen ihres Mannes macht sich Nabals Frau auf den Weg über einen Berg, um David und seine Armee einzuholen und reichliche Gaben zu überbringen. Avanzino Nuccis Gemälde zeigt jenen Moment, in dem die Frau sich vor David zu Boden wirft und ihn anfleht, die Unhöflichkeit ihres Mannes zu vergessen und ihre Geschenke anzunehmen. Die zweite Szene stellt die bekanntere der beiden Episoden dar, die der Genesis entnommen ist (18, 1–15). Abraham empfängt drei Gäste, die er mit Speis und Trank bewirtet; später geben sich die Männer als von Gott entsandte Engel zu erkennen.

Das Thema der Gastfreundschaft verbindet die beiden Szenen, was Pupillo (siehe Literatur) dazu veranlasst hat, die Gemälde als ehemalige Teile der Ausstattung der Sala della Lavanda innerhalb des Pilgertrakts des Ospedale della Trinità dei Pellegrini e Convalescenti in Rom zu identifizieren: Die Einrichtung wurde als eines der wichtigsten Zentren der Stadt, die Pilgern Gastfreundschaft erwiesen, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts größtenteils zerstört.

Die Räumlichkeiten, in denen die rituelle Fußwaschung der Pilger erfolgte, war mit einem Gemäldezyklus von Avanzino Nucci ausgestattet, der bei Baglione Erwähnung findet, wobei die einzelnen Themen jedoch nicht beschrieben werden. „Alla Trinità de’ Pellegrini, egli [Nucci] istoriò tutta la stanza, dove si lavano i piedi à Forastieri con diversi avvenimenti, a fresco espressi“ [‘In der Trinità de’ Pellegrini, stattete er [Nucci] den gesamten Raum, in dem die Füße der Fremden gewaschen werden, mit unterschiedlichen Begebenheiten in Freskotechnik aus“] (siehe G. Baglione, Le vite de’ pittori scultori et architetti. Dal pontificato di Gregorio XIII fino a tutto quello d’Urbano VIII, Rom 1649, hg. von G. Gradara Pesci, Velletri 1924, S. 301).

Laut Pupillo führte Nucci die vorliegenden Werke nach 1600 aus. Sie sind vergleichbar mit zwei Leinwandbildern von der Hand des Künstlers, Der Heilige Petrus und der Centurio und Der heilige Petrus und Simon Magus, beides Werke der Cassa di Risparmio di Perugia (siehe Pupillo, Literatur). Nucci verrät Einflüsse unterschiedlicher künstlerischer Strömungen, die Rom zur Jahrhundertwende erfasst hatten: Zum einen griff er spätmanieristische Züge auf, zum anderen setzte er sich mit der naturalistischen Malweise Roncallis und des Cavalier d’Arpino auseinander. Es ist darauf hinzuweisen, dass Nucci gegen Ende des 16. Jahrhunderts mit Letzterem bei mehreren Projekten zusammenarbeitete.

Leone de Castris (siehe Literatur) hält die vorliegenden Werke hingegen für die ersten bekannten Werke des Künstlers und datiert sie um 1590, zumal sie eine klare „Sixtinische“ Prägung aufweisen und offenbar der Zeit vor dem Aufenthalt des Künstlers in Neapel zwischen 1595 und 1599 angehören.

Die Künstlerpersönlichkeit Avanzino Nucci ist immer noch zu einem großen Teil unerforscht, trotz der Tatsache, dass der Maler bei zahlreichen zeitgenössischen Biografen Erwähnung findet, darunter auch bei Giovanni Baglione, der ihn als „pratico e buon pittore“ [„praktischen und guten Maler“] beschreibt (siehe G. Baglione, ebd., S. 300f.).

Avanzino Nucci war ein Schüler von Niccolò Circignani und vorwiegend in Rom tätig, doch arbeitete er auch in den Marken, in Umbrien und Neapel; er schuf zahlreiche Ausstattungszyklen. Es ist dokumentiert, dass er an den großen Ausstattungsprojekten beteiligt war, die im Rom des späten Cinquecento von Sixtus V. initiiert worden waren, darunter jene des Lateranpalasts, der Heiligen Treppe und der vatikanischen Bibliothek.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 30.04.2019 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 20.04. - 30.04.2019