Lot Nr. 82


Jusepe de Ribera


Jusepe de Ribera - Alte Meister

(Játiva 1591–1652 Neapel)
Die Buße des heiligen Dominikus,
Öl auf Leinwand, 118 x 95 cm, gerahmt

Provenienz:
Adelsbesitz, Madrid;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer, 2016

Literatur:
N. Spinosa, Ribera: la obra completa, Madrid 2008, S. 446, Kat.-Nr. A291 (als Jusepe de Ribera);
N. Spinosa, La revólucion de Ribera. Los últimos descubruimientos, in: Ars Magazine, 2008, S. 114, Abb. S. 115 (als Jusepe de Ribera);
N. Spinosa, Pittura del Seicento a Napoli. Da Caravaggio a Massimo Stanzione, Neapel 2010, S. 374f., Kat.-Nr. 373 (als Jusepe de Ribera)

Wir danken Gianni Papi für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Der heilige Dominikus ist hier barbrüstig vor dem Kreuz Buße tuend dargestellt. Neben ihm auf dem Felsensims befinden sich ein Totenschädel und ein Buch, eine Anspielung auf die dem heiligen Dominikus nachgesagte Weisheit. Der Heilige ist durch die Tonsur seines Haupthaars zu erkennen, obgleich er hier nicht das typische schwarz-weiße Gewand der Dominikaner trägt.

Allerdings ist der Heilige auf dem vorliegenden Gemälde mit den Stigmata dargestellte, was ungewöhnlich ist, besonders wenn man das Bild mit anderen Darstellungen des büßenden heiligen Dominikus vergleicht, etwa mit jener von Luis Tristán im Museo del Greco in Toledo. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Erfindung des Künstlers, der die Ikonografie des heiligen Franziskus mit den Stigmata und des heiligen Hieronymus in der Wüste mit jener des heiligen Dominikus mit der Tonsur zusammenführte. Dies könnte bedeuten, dass es sich bei dem vorliegenden Gemälde um keine standardisierte Darstellung handelt und dass Ribera hier etwas ganz Neues geschaffen hat. Nicola Spinosa hält das vorliegende Gemälde für ein Werk aus Riberas Reifezeit und hat eine Datierung nach 1640 vorgeschlagen.

Porträtartige Darstellungen von Heiligen als Dreiviertelfigur machten einen wichtigen Teil von Riberas Schaffen aus: Sie entsprachen zweifellos der schmucklosen gegenreformatorischen Spiritualität seiner spanischen und neapolitanischen Mäzene. Der vorliegende Heilige Dominikus ragt aus dieser umfangreichen Werkgruppe heraus – nicht nur als eindrucksvolle Einzelfigur, sondern auch hinsichtlich ihrer Auswirkung auf den spirituellen Dialog.

Die Qualität des vorliegenden Gemäldes und seine Komposition lassen sich mit zumindest zwei weiteren Werken aus dieser Periode vergleichen: mit der heiligen Maria von Ägypten im Musée Fabre, Montpellier (Inv.-Nr. 837.1.27), die signiert und mit 1641 datiert ist; und mit dem heiligen Paulus von Theben im Prado, Madrid. Das vorliegende Gemälde gehört zu einer stilistisch konsistenten Gruppe halbfiguriger Heiliger, die Ribera in den 1640er-Jahren schuf, darunter der signierte und mit 1642 datierte Heilige Hieronymus im Gehäus in einer Privatsammlung (siehe Spinosa 2010, Kat.-Nr. 374). Die Szene wird hinter dem heiligen Dominikus von einem diagonalen Baumstamm hinterfangen, dessen Rinde sich in einer Art und Weise ablöst, wie man es auch von anderen Gemälden Riberas kennt, darunter auch solche aus früherer Zeit, etwa das Martyrium des heiligen Bartholomäus von 1609/10 aus einer Privatsammlung.

Zur Entstehungszeit des vorliegenden Gemäldes hatte sich Riberas Ruf in Neapel bereits gefestigt. Der Künstler geht hier seinen Wurzeln in der Tradition des Tenebrismus nach, um ein Werk voller Drama zu schaffen, das sich im Kontrast von Licht und Schatten ausdrückt. Wie viele Künstler, die die Arbeiten Caravaggios in Rom oder Neapel gesehen hatten, war Ribera von dessen Technik fasziniert und experimentierte mit strahlendem Licht, um Helldunkelkontraste zu erzielen. Er war aber nie ein direkter Nachfolger Caravaggios, sondern erweiterte vielmehr dessen Auffassung von Natur, um seine ganz eigene Sorte eines schonungslosen, tiefsitzenden Realismus zu entwickeln, der im Grunde spanisch durchdekliniert war.

Jusepe de Riberas Laufbahn steht beispielhaft für den internationalen Charakter der Barockmalerei, insbesondere ihrer realistischen Ausprägung. Der in Spanien geborene Ribera bereiste Italien als junger Mann. Zwischen 1613 und 1616 bildete er in Rom seinen persönlichen Stil aus, der stark vom Schaffen Caravaggios bestimmt war. In den 1630er-Jahren geriet er unter den Einfluss von Künstlern wie Anthonis van Dyck und Guido Reni. Er vervollkommnete seinen Stil als Folge eines prägenden Zusammentreffens mit Velazquez in Neapel. In den 1640er-Jahren machte Ribera eine deutliche Kehrtwendung zurück zu seinem frühen, von dunklen Farben bestimmten Kompositionsstil und verabschiedete sich von der lichterfüllten Palette, die er von Reni übernommen hatte.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 300.000,- bis EUR 400.000,-

Jusepe de Ribera


(Játiva 1591–1652 Neapel)
Die Buße des heiligen Dominikus,
Öl auf Leinwand, 118 x 95 cm, gerahmt

Provenienz:
Adelsbesitz, Madrid;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer, 2016

Literatur:
N. Spinosa, Ribera: la obra completa, Madrid 2008, S. 446, Kat.-Nr. A291 (als Jusepe de Ribera);
N. Spinosa, La revólucion de Ribera. Los últimos descubruimientos, in: Ars Magazine, 2008, S. 114, Abb. S. 115 (als Jusepe de Ribera);
N. Spinosa, Pittura del Seicento a Napoli. Da Caravaggio a Massimo Stanzione, Neapel 2010, S. 374f., Kat.-Nr. 373 (als Jusepe de Ribera)

Wir danken Gianni Papi für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Der heilige Dominikus ist hier barbrüstig vor dem Kreuz Buße tuend dargestellt. Neben ihm auf dem Felsensims befinden sich ein Totenschädel und ein Buch, eine Anspielung auf die dem heiligen Dominikus nachgesagte Weisheit. Der Heilige ist durch die Tonsur seines Haupthaars zu erkennen, obgleich er hier nicht das typische schwarz-weiße Gewand der Dominikaner trägt.

Allerdings ist der Heilige auf dem vorliegenden Gemälde mit den Stigmata dargestellte, was ungewöhnlich ist, besonders wenn man das Bild mit anderen Darstellungen des büßenden heiligen Dominikus vergleicht, etwa mit jener von Luis Tristán im Museo del Greco in Toledo. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Erfindung des Künstlers, der die Ikonografie des heiligen Franziskus mit den Stigmata und des heiligen Hieronymus in der Wüste mit jener des heiligen Dominikus mit der Tonsur zusammenführte. Dies könnte bedeuten, dass es sich bei dem vorliegenden Gemälde um keine standardisierte Darstellung handelt und dass Ribera hier etwas ganz Neues geschaffen hat. Nicola Spinosa hält das vorliegende Gemälde für ein Werk aus Riberas Reifezeit und hat eine Datierung nach 1640 vorgeschlagen.

Porträtartige Darstellungen von Heiligen als Dreiviertelfigur machten einen wichtigen Teil von Riberas Schaffen aus: Sie entsprachen zweifellos der schmucklosen gegenreformatorischen Spiritualität seiner spanischen und neapolitanischen Mäzene. Der vorliegende Heilige Dominikus ragt aus dieser umfangreichen Werkgruppe heraus – nicht nur als eindrucksvolle Einzelfigur, sondern auch hinsichtlich ihrer Auswirkung auf den spirituellen Dialog.

Die Qualität des vorliegenden Gemäldes und seine Komposition lassen sich mit zumindest zwei weiteren Werken aus dieser Periode vergleichen: mit der heiligen Maria von Ägypten im Musée Fabre, Montpellier (Inv.-Nr. 837.1.27), die signiert und mit 1641 datiert ist; und mit dem heiligen Paulus von Theben im Prado, Madrid. Das vorliegende Gemälde gehört zu einer stilistisch konsistenten Gruppe halbfiguriger Heiliger, die Ribera in den 1640er-Jahren schuf, darunter der signierte und mit 1642 datierte Heilige Hieronymus im Gehäus in einer Privatsammlung (siehe Spinosa 2010, Kat.-Nr. 374). Die Szene wird hinter dem heiligen Dominikus von einem diagonalen Baumstamm hinterfangen, dessen Rinde sich in einer Art und Weise ablöst, wie man es auch von anderen Gemälden Riberas kennt, darunter auch solche aus früherer Zeit, etwa das Martyrium des heiligen Bartholomäus von 1609/10 aus einer Privatsammlung.

Zur Entstehungszeit des vorliegenden Gemäldes hatte sich Riberas Ruf in Neapel bereits gefestigt. Der Künstler geht hier seinen Wurzeln in der Tradition des Tenebrismus nach, um ein Werk voller Drama zu schaffen, das sich im Kontrast von Licht und Schatten ausdrückt. Wie viele Künstler, die die Arbeiten Caravaggios in Rom oder Neapel gesehen hatten, war Ribera von dessen Technik fasziniert und experimentierte mit strahlendem Licht, um Helldunkelkontraste zu erzielen. Er war aber nie ein direkter Nachfolger Caravaggios, sondern erweiterte vielmehr dessen Auffassung von Natur, um seine ganz eigene Sorte eines schonungslosen, tiefsitzenden Realismus zu entwickeln, der im Grunde spanisch durchdekliniert war.

Jusepe de Riberas Laufbahn steht beispielhaft für den internationalen Charakter der Barockmalerei, insbesondere ihrer realistischen Ausprägung. Der in Spanien geborene Ribera bereiste Italien als junger Mann. Zwischen 1613 und 1616 bildete er in Rom seinen persönlichen Stil aus, der stark vom Schaffen Caravaggios bestimmt war. In den 1630er-Jahren geriet er unter den Einfluss von Künstlern wie Anthonis van Dyck und Guido Reni. Er vervollkommnete seinen Stil als Folge eines prägenden Zusammentreffens mit Velazquez in Neapel. In den 1640er-Jahren machte Ribera eine deutliche Kehrtwendung zurück zu seinem frühen, von dunklen Farben bestimmten Kompositionsstil und verabschiedete sich von der lichterfüllten Palette, die er von Reni übernommen hatte.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020