Lot Nr. 82


Jacopo Zanguidi, gen. il Bertoja


Jacopo Zanguidi, gen. il Bertoja - Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle, Miniaturen

(Parma 1544–1573)
Mars, Venus und Amor, Feder in Braun auf Bütten, alt auf ein anderes Bütten montiert, rückseitig alte Inschriften mit Zuschreibungen an Parmigianino und Salviati, 15 x 11,5 cm, Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Sammlung Baron Adolphe Augustin Rey de Villette (Mailand 1864–1934 Breteuil), Lugt 2200a; anonymer Sammlerstempel Monogramm HB (nicht bei Lugt); Privatsammlung, Italien.

Gutachten von Dr. Maria Cristina Chiusa, 27. August 2020 (in Kopie) vorhanden.

Die vorliegende Zeichnung mit Mars, Venus und Amor ist eine vorbereitende Studie für die Episode des Kusses, Detail des berühmten im Auftrag von Ottavio Farnese entstandenen Freskos in der Sala dell’Aetas Felicior, bekannt auch als Sala del Bacio im Palazzo del Giardino in Parma. Jacopo Zanguidi lässt sich als Künstler leicht identifizieren, da er bereits in den sechziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts in der Residenz der Farnese neben Girolamo Mirola tätig war; letzterer war bekanntlich älter und wegen seines Dienstverhältnisses bei Ottavio Farnese der erste Meister der Gemäldezyklen des Palastes von Parma. Am Beginn der Zusammenarbeit von Bertoja und Mirola nahm Bertojas graphische Tätigkeit einen hohen Stellenwert ein. Er war vor allem ein sehr geschickter Zeichner, und es ist wahrscheinlich, dass sich der Bologneser Künstler von seinen Blättern inspirieren ließ. Wie in dem Katalog der jüngsten Ausstellung La Maniera Emiliana: Bertoja, Mirola, da Parma alle corti d’Europa, Parma 2019, dargelegt wurde, war Bertojas Intervention in der Sala del Bacio nicht nur auf die Fertigstellung der Deckenfresken beschränkt sondern bezog sich auf einen Großteil der Wanddekoration (siehe: M. C. Chiusa, „Mirola e Bertoja per il „casino grande“ di Ottavio Farnese a Parma“, in: Kat. Parma 2019, S. 23-35).

Die Fresken von Girolamo Mirola (Bologna, 1535/1540 - Parma, 1570) und Jacopo Zanguidi, genannt Il Bertoja (Parma, 1544-1573), im „casino grande“ in Parma waren Teil des ikonographischen Programms des 16. Jahrhunderts, das Ottavio Farnese für die gesamte Dekoration seiner Residenz gewählt hatte. Mirola und Bertoja versahen den Aetas felicior-Saal mit Fresken, ebenso den angrenzenden Raum, der ebenfalls den Geschichten der Liebe gewidmet war und als Sala d‘Ariosto bekannt ist, sowie einen dritten Raum mit fünf mythologischen Fresken. Weiters gestalteten sie die Räume im heutigen Dachboden, die ebenfalls mit mythologischen Motiven ausgeschmückt sind. Die beiden Maler setzten den Wünschen des Auftraggebers getreu die berühmten Verse Vergils „Trahetas sua quemque voluptas“ in der sogenannten Sala del Bacio ins Bild (Vergil, „...trahit sua quemque voluptas“, Ec. II, 65); ein Ort, an dem die Macht der Liebe auf Vergil‘sche Weise zu triumphieren scheint.

Die vorliegende Zeichnung ist durch die charakteristischen Merkmale von Bertojas Duktus gekennzeichnet, wie sie in vielen Werken des Künstlers zu finden sind: Die fünf mythologischen Fresken des Gartenpalastes (Öl auf Gips, auf Leinwand übertragen), die sich heute in der Galerie von Parma befinden, müssen gemeinsam mit dem erwähnten Motiv des Kusses betrachtet werden. Vor allem das Bild Venus und Mars (Öl auf Gips, auf Leinwand übertragen, 37,1 x 62 cm, Palazzo del Giardino, Parma, Inv. 0898) verdient genauere Beachtung in den Details des Helms und den Schuhen des Protagonisten sowie im dynamischen Rhythmus, der kennzeichnend für Bertojas Werk ist. Ähnlichkeiten mit der Figur des Mars finden sich auch im Protagonisten der vorliegenden Zeichnung. Die stilistischen Merkmale der Personendarstellungen mit schlanker und länglicher Anatomie lassen auf Bertojas frühe Jahre in Parma um 1566 schließen.

In der Studie Mars, Venus und Amor ist das mythologische Liebesthema der Umarmung der beiden Protagonisten in Begleitung Amors mit kräftigen Federstrichen dargestellt. Die Anordnung der Personen, die Dramaturgie und die stilistische Ausführung weisen Ähnlichkeiten zu einigen Figurenstudien in brauner Feder auf, die sich im Cabinet des Dessins des Louvre befinden (vgl. M. G. Donà, in: Kat. Parma 2019, S. 165-168). Vor allem die von D. De Grazia publizierte Zeichnung im Louvre mit einer Figurengruppe, die nach links geht (Inv. 6524) lässt sich im schnellen und gebrochenen Strich, den dynamischen und freien Bewegungen mit der vorliegenden Zeichnung vergleichen (siehe: D. De Grazia Bohlin, „Some Unpublished Drawings by Bertoja“, in: Master Drawings, XII, 4, 1974, S. 359-367, 410-422). In diesen und anderen Beispielen bevorzugt der Künstler einschneidende, manchmal unruhige Linien, mit denen er den Schraffuren Form gibt und die Dynamik der Szene verstärkt. Auch die Morphologie der Gesichtszüge, der Augen, der Nase und des abgerundeten Gesichtsovals ist mit den Blättern im Louvre vergleichbar. Eine weitere vergleichbare Zeichnung mit der Studie zu Diana und Mars befindet sich in der National Gallery of Art, Washington (Inv. 1977; siehe De Grazia 1991, Abb. 108). Hier wird auch das Vorbild Parmigianinos in der Gestaltung Figuren deutlich, welches durch die Verlängerung der Gliedmaßen noch verstärkt wird.

Wir danken Dr. Maria Cristina Chiusa für die Bestätigung der Zuschreibung und die wissenschaftliche Unterstützung.

© Franco Maria Ricci Editore

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at

20.10.2020 - 15:31

Erzielter Preis: **
EUR 11.520,-
Startpreis:
EUR 2.000,-

Jacopo Zanguidi, gen. il Bertoja


(Parma 1544–1573)
Mars, Venus und Amor, Feder in Braun auf Bütten, alt auf ein anderes Bütten montiert, rückseitig alte Inschriften mit Zuschreibungen an Parmigianino und Salviati, 15 x 11,5 cm, Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Sammlung Baron Adolphe Augustin Rey de Villette (Mailand 1864–1934 Breteuil), Lugt 2200a; anonymer Sammlerstempel Monogramm HB (nicht bei Lugt); Privatsammlung, Italien.

Gutachten von Dr. Maria Cristina Chiusa, 27. August 2020 (in Kopie) vorhanden.

Die vorliegende Zeichnung mit Mars, Venus und Amor ist eine vorbereitende Studie für die Episode des Kusses, Detail des berühmten im Auftrag von Ottavio Farnese entstandenen Freskos in der Sala dell’Aetas Felicior, bekannt auch als Sala del Bacio im Palazzo del Giardino in Parma. Jacopo Zanguidi lässt sich als Künstler leicht identifizieren, da er bereits in den sechziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts in der Residenz der Farnese neben Girolamo Mirola tätig war; letzterer war bekanntlich älter und wegen seines Dienstverhältnisses bei Ottavio Farnese der erste Meister der Gemäldezyklen des Palastes von Parma. Am Beginn der Zusammenarbeit von Bertoja und Mirola nahm Bertojas graphische Tätigkeit einen hohen Stellenwert ein. Er war vor allem ein sehr geschickter Zeichner, und es ist wahrscheinlich, dass sich der Bologneser Künstler von seinen Blättern inspirieren ließ. Wie in dem Katalog der jüngsten Ausstellung La Maniera Emiliana: Bertoja, Mirola, da Parma alle corti d’Europa, Parma 2019, dargelegt wurde, war Bertojas Intervention in der Sala del Bacio nicht nur auf die Fertigstellung der Deckenfresken beschränkt sondern bezog sich auf einen Großteil der Wanddekoration (siehe: M. C. Chiusa, „Mirola e Bertoja per il „casino grande“ di Ottavio Farnese a Parma“, in: Kat. Parma 2019, S. 23-35).

Die Fresken von Girolamo Mirola (Bologna, 1535/1540 - Parma, 1570) und Jacopo Zanguidi, genannt Il Bertoja (Parma, 1544-1573), im „casino grande“ in Parma waren Teil des ikonographischen Programms des 16. Jahrhunderts, das Ottavio Farnese für die gesamte Dekoration seiner Residenz gewählt hatte. Mirola und Bertoja versahen den Aetas felicior-Saal mit Fresken, ebenso den angrenzenden Raum, der ebenfalls den Geschichten der Liebe gewidmet war und als Sala d‘Ariosto bekannt ist, sowie einen dritten Raum mit fünf mythologischen Fresken. Weiters gestalteten sie die Räume im heutigen Dachboden, die ebenfalls mit mythologischen Motiven ausgeschmückt sind. Die beiden Maler setzten den Wünschen des Auftraggebers getreu die berühmten Verse Vergils „Trahetas sua quemque voluptas“ in der sogenannten Sala del Bacio ins Bild (Vergil, „...trahit sua quemque voluptas“, Ec. II, 65); ein Ort, an dem die Macht der Liebe auf Vergil‘sche Weise zu triumphieren scheint.

Die vorliegende Zeichnung ist durch die charakteristischen Merkmale von Bertojas Duktus gekennzeichnet, wie sie in vielen Werken des Künstlers zu finden sind: Die fünf mythologischen Fresken des Gartenpalastes (Öl auf Gips, auf Leinwand übertragen), die sich heute in der Galerie von Parma befinden, müssen gemeinsam mit dem erwähnten Motiv des Kusses betrachtet werden. Vor allem das Bild Venus und Mars (Öl auf Gips, auf Leinwand übertragen, 37,1 x 62 cm, Palazzo del Giardino, Parma, Inv. 0898) verdient genauere Beachtung in den Details des Helms und den Schuhen des Protagonisten sowie im dynamischen Rhythmus, der kennzeichnend für Bertojas Werk ist. Ähnlichkeiten mit der Figur des Mars finden sich auch im Protagonisten der vorliegenden Zeichnung. Die stilistischen Merkmale der Personendarstellungen mit schlanker und länglicher Anatomie lassen auf Bertojas frühe Jahre in Parma um 1566 schließen.

In der Studie Mars, Venus und Amor ist das mythologische Liebesthema der Umarmung der beiden Protagonisten in Begleitung Amors mit kräftigen Federstrichen dargestellt. Die Anordnung der Personen, die Dramaturgie und die stilistische Ausführung weisen Ähnlichkeiten zu einigen Figurenstudien in brauner Feder auf, die sich im Cabinet des Dessins des Louvre befinden (vgl. M. G. Donà, in: Kat. Parma 2019, S. 165-168). Vor allem die von D. De Grazia publizierte Zeichnung im Louvre mit einer Figurengruppe, die nach links geht (Inv. 6524) lässt sich im schnellen und gebrochenen Strich, den dynamischen und freien Bewegungen mit der vorliegenden Zeichnung vergleichen (siehe: D. De Grazia Bohlin, „Some Unpublished Drawings by Bertoja“, in: Master Drawings, XII, 4, 1974, S. 359-367, 410-422). In diesen und anderen Beispielen bevorzugt der Künstler einschneidende, manchmal unruhige Linien, mit denen er den Schraffuren Form gibt und die Dynamik der Szene verstärkt. Auch die Morphologie der Gesichtszüge, der Augen, der Nase und des abgerundeten Gesichtsovals ist mit den Blättern im Louvre vergleichbar. Eine weitere vergleichbare Zeichnung mit der Studie zu Diana und Mars befindet sich in der National Gallery of Art, Washington (Inv. 1977; siehe De Grazia 1991, Abb. 108). Hier wird auch das Vorbild Parmigianinos in der Gestaltung Figuren deutlich, welches durch die Verlängerung der Gliedmaßen noch verstärkt wird.

Wir danken Dr. Maria Cristina Chiusa für die Bestätigung der Zuschreibung und die wissenschaftliche Unterstützung.

© Franco Maria Ricci Editore

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle, Miniaturen
Auktionstyp: Online Auction
Datum: 20.10.2020 - 15:31
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.10.2020 - 20.10.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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