Lot Nr. 4 -


Passauer Schule (?), um 1500 (2)


Passauer Schule (?), um 1500 (2) - Alte Meister

Verkündigung mit einem ein Kirchenmodell haltenden Stifter; und
im Tempel mit einer Äbtissin als Stifterin,
Öl auf Holz, je 157,5 x 71 cm, gerahmt, Pendants

Provenienz:
vermutlich beauftragt durch einen Augustiner oder eine Augustiner Ordensgemeinschaft;
vermutlich Stephansdom, Wien;
vermutlich Sammlung Albert von Camesina (1806–1881), Wien;
angekauft durch Eduard Strache (1847–1912), Wien, zwischen 1866 und 1870;
Weitergabe im Erbgang an die Sammlung Emil Wittasek (1885–1971), Wien
im Erbgang;
1975 vom jetzigen Besitzer erworben;
als Depositum im Wien Museum, Wien (1975–2018)

danken Michaela Schedl für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Michaela Schedl schreibt: „Die folgenden Ausführung basieren auf der Annahme, dass die gemalten Tafeln und die Reliefs (sie das darauffolgende Los) ursprünglich zusammengehörten. Hierfür sprächen die in etwa identischen Maße, die Verwendung von Schongauer-Stichen bei drei der vier Marienszenen sowie die Herkunft aller vier Tafeln aus Privatbesitz. Auf den ersten Blick scheint allerdings die Maserung des Holzes der Rückseiten der gemalten Tafeln nicht mit der der Rückseiten der Reliefs zusammenzupassen. Die Tafeln zeigen vier Szenen aus dem Marienleben. Auf den bemalten Flügelaußenseiten ist links die Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria dargestellt, rechts die Darbringung Jesu um Tempel. Auf den Flügelinnenseiten ist als Holzrelief links die Geburt Christi und rechts die Anbetung der heiligen drei Könige zu sehen. Es fehlen die Predella sowie der Schrein mit Skulpturen oder Reliefs.

Es handelt sich (so weit es sich anhand der Bilddateien feststellen lässt) um qualitativ hochwertige Tafelmalereien und Schnitzwerke der Spätgotik aus dem Ausgang des 15. Jahrhunderts, die nach jetzigem Kenntnisstand einem österreichischen Meister zugeschrieben werden können. Das Retabel wurde wahrscheinlich für eine Kirche der Augustiner Eremitinnen oder Augustiner Chorfrauen gestiftet.“

Schedl zur Frage von Zuschreibung und Datierung: „Die Tafeln scheinen nach bisherigem Kenntnisstand Kunsthistorikern im 19. und 20. Jahrhundert nicht bekannt gewesen zu sein, sodass sie in der Forschungsliteratur nicht erwähnt und diskutiert wurden. Somit wurde der Maler auch nicht durch einen Notnamen aus der Masse der unbekannten Maler herausgehoben […]. Einen nicht sehr verlässlichen Anhaltspunkt, um den Wirkungsort des Malers zu bestimmen, liefert die Provenienz Wien. Eine dem Kolorit nach sehr ähnliche Tafel mit der Darstellung des Kalvarienbergs vor Goldgrund ist in die Stiftssammlung von Klosterneuburg gelangt. Sie wird einem in Salzburg tätigen Maler zugewiesen und um 1480 datiert […]. Drei motivische Besonderheiten führen zu weiteren österreichischen Malern. Auf der hier besprochenen sowie auf einer um 1430 datierten Tafel mit der Darbringung, die dem Meister der Darbringungen und Mitarbeitern zugeschrieben wird, hält der heilige Joseph einen geflochtenen Korb mit zwei weißen Tauben in Händen (oftmals werden die Tauben von einer Magd gehalten). In beiden Darstellungen ist der graubärtige Joseph mit einer roten bzw. rotbraunen Gugel bekleidet.

Eine weitere motivische Besonderheit ist der Altar, über dem der Greis Simeon das nackte Jesuskind auf einem weißen Tuch hält. Der Altar besteht aus einer rechteckigen Tischplatte aus braunem Marmor, deren Einfassung mit Mauerankern aus Eisen zusammengehalten wird. Sie ruht auf grünen Tischbeinen. Zumeist ist dieser Altar bei der Darbringung als Block dargestellt, über dem ein Tuch liegt. Einen ähnlichen Altartisch mit roten Tischfüßen und grauer Marmorplatte sehen wir auf der Tafel gleichen Themas, die einem salzburgisch-oberösterreichischen Meister zugeschrieben wird, dessen Malstil und Kolorit sich deutlich von der hier besprochenen Tafel unterscheiden. Motivisch ähnlich sind schließlich auch die hebräischen Schriftzeichen auf der Kopfbedeckung des jüdischen Priesters am rechten Bildrand der hier besprochenen Darbringung im Vergleich zum Propheten Joel auf der Tafel in der Liebfrauen-Kirche in Wiener Neustadt, die nach 1490 datiert wird. Der Maler der Joel-Tafel, der Meister des Winkler Epitaphs, war in Wien und Wiener Neustadt tätig. Sein Malstil ist weicher und malerischer als der des Malers der hier besprochenen Tafeln.“ Es ist ein Maler, so Schedl, „der den Pinsel sehr sicher führte und detailreiche, qualität- und reizvolle Tafeln schuf“.

Ebenfalls danken wir Lothar Schultes für seine Hilfe bei der Katalogisierung der vorliegenden und der nachfolgenden Lots. Er hält es für möglich, dass die vorliegenden Tafeln und die Reliefs zum selben Altarbild gehörten und dass sie von bemerkenswerter Qualität sind. Die dargestellten Stifter und vor allem die Ordenstracht der Äbtissin legen ein Augustinerinnenkloster nahe, sodass es sich bei dem Herkunftsort womöglich um ein Doppelkloster handelte. Aufgrund der Nähe zu Wien wäre hier der wahrscheinliche Herkunftsort Klosterneuburg, wo bis 1722 auch ein Kloster von Augustiner-Chorfrauen bestand.

Schulte schreibt: „Die Reliefs gehen beide auf Stiche Schongauers zurück, die sie fast unverändert ins Dreidimensionale übertragen. Die Anbetung der Könige lässt sich sehr gut mit jener des in Passau entstandenen Flügelaltars von Maria Laach am Jauerling (Bezirk Krems, Niederösterreich) vergleichen, allerdings ist der ausführende Schnitzer trotz der verblüffenden Ähnlichkeit wohl kaum derselbe. Von den gemalten Szenen folgt die Verkündigung ebenfalls sehr genau einem Stich Schongauers, während für die Darbringung keine Schongauer-Vorlage verfügbar war. Das Gemälde ist ohne konkrete Vorlage und beweist, dass der Maler durchaus eigenständig zu gestalten verstand. Als ikonographische Besonderheit wäre die gleichzeitige Darstellung des greisen Simeon und des Hohepriesters zu nennen. Dies ist sehr selten, denn sonst wird meist nur Simeon dargestellt. Gewisse Zusammenhänge bestehen am ehesten zu den Bildern eines Marienaltars, der aus Wartberg an der Krems über das Stift Schlierbach in die Pfarrkirche von Kirchdorf an der Krems gelangten, wo sie zu einem Flügelaltar zusammengestellt wurden. Dort finden sich etwa der ins Profil gedrehte Kopf der Begleiterin Mariens (ganz links) und andere motivische Übereinstimmungen, doch bestehen im Stil deutliche Unterschiede.

Vergleichbar wäre auch eine beidseitig bemalte Tafel mit der Verkündigungsmaria und der Anbetung der Könige in der Diözesansammlung Passau (Inv.-Nr. D 381). Ähnlich ist hier unter anderem die präzise, harte Modellierung der Gesichter. So lässt sich etwa der Kopf des bärtigen alten Königs der Anbetung mit den Männergesichtern der Darbringung vergleichen, und auch das mädchenhafte, vom goldschillernden Haar umrahmte Gesicht Mariens gleicht der Jungfrau der Verkündigung. Der schöne Kopf des Engels mit den goldenen Locken erinnert darüber hinaus auch an die mädchenhafte Maria auf einem Tafelbild der Geburt Christi in der Diözesansammlung Passau (Inv.-Nr. D 420). Damit spricht doch Einiges für eine Entstehung der nun versteigerten Altarflügel in einer Passauer Werkstatt.“

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 127.145,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Passauer Schule (?), um 1500 (2)


Verkündigung mit einem ein Kirchenmodell haltenden Stifter; und
im Tempel mit einer Äbtissin als Stifterin,
Öl auf Holz, je 157,5 x 71 cm, gerahmt, Pendants

Provenienz:
vermutlich beauftragt durch einen Augustiner oder eine Augustiner Ordensgemeinschaft;
vermutlich Stephansdom, Wien;
vermutlich Sammlung Albert von Camesina (1806–1881), Wien;
angekauft durch Eduard Strache (1847–1912), Wien, zwischen 1866 und 1870;
Weitergabe im Erbgang an die Sammlung Emil Wittasek (1885–1971), Wien
im Erbgang;
1975 vom jetzigen Besitzer erworben;
als Depositum im Wien Museum, Wien (1975–2018)

danken Michaela Schedl für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Michaela Schedl schreibt: „Die folgenden Ausführung basieren auf der Annahme, dass die gemalten Tafeln und die Reliefs (sie das darauffolgende Los) ursprünglich zusammengehörten. Hierfür sprächen die in etwa identischen Maße, die Verwendung von Schongauer-Stichen bei drei der vier Marienszenen sowie die Herkunft aller vier Tafeln aus Privatbesitz. Auf den ersten Blick scheint allerdings die Maserung des Holzes der Rückseiten der gemalten Tafeln nicht mit der der Rückseiten der Reliefs zusammenzupassen. Die Tafeln zeigen vier Szenen aus dem Marienleben. Auf den bemalten Flügelaußenseiten ist links die Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria dargestellt, rechts die Darbringung Jesu um Tempel. Auf den Flügelinnenseiten ist als Holzrelief links die Geburt Christi und rechts die Anbetung der heiligen drei Könige zu sehen. Es fehlen die Predella sowie der Schrein mit Skulpturen oder Reliefs.

Es handelt sich (so weit es sich anhand der Bilddateien feststellen lässt) um qualitativ hochwertige Tafelmalereien und Schnitzwerke der Spätgotik aus dem Ausgang des 15. Jahrhunderts, die nach jetzigem Kenntnisstand einem österreichischen Meister zugeschrieben werden können. Das Retabel wurde wahrscheinlich für eine Kirche der Augustiner Eremitinnen oder Augustiner Chorfrauen gestiftet.“

Schedl zur Frage von Zuschreibung und Datierung: „Die Tafeln scheinen nach bisherigem Kenntnisstand Kunsthistorikern im 19. und 20. Jahrhundert nicht bekannt gewesen zu sein, sodass sie in der Forschungsliteratur nicht erwähnt und diskutiert wurden. Somit wurde der Maler auch nicht durch einen Notnamen aus der Masse der unbekannten Maler herausgehoben […]. Einen nicht sehr verlässlichen Anhaltspunkt, um den Wirkungsort des Malers zu bestimmen, liefert die Provenienz Wien. Eine dem Kolorit nach sehr ähnliche Tafel mit der Darstellung des Kalvarienbergs vor Goldgrund ist in die Stiftssammlung von Klosterneuburg gelangt. Sie wird einem in Salzburg tätigen Maler zugewiesen und um 1480 datiert […]. Drei motivische Besonderheiten führen zu weiteren österreichischen Malern. Auf der hier besprochenen sowie auf einer um 1430 datierten Tafel mit der Darbringung, die dem Meister der Darbringungen und Mitarbeitern zugeschrieben wird, hält der heilige Joseph einen geflochtenen Korb mit zwei weißen Tauben in Händen (oftmals werden die Tauben von einer Magd gehalten). In beiden Darstellungen ist der graubärtige Joseph mit einer roten bzw. rotbraunen Gugel bekleidet.

Eine weitere motivische Besonderheit ist der Altar, über dem der Greis Simeon das nackte Jesuskind auf einem weißen Tuch hält. Der Altar besteht aus einer rechteckigen Tischplatte aus braunem Marmor, deren Einfassung mit Mauerankern aus Eisen zusammengehalten wird. Sie ruht auf grünen Tischbeinen. Zumeist ist dieser Altar bei der Darbringung als Block dargestellt, über dem ein Tuch liegt. Einen ähnlichen Altartisch mit roten Tischfüßen und grauer Marmorplatte sehen wir auf der Tafel gleichen Themas, die einem salzburgisch-oberösterreichischen Meister zugeschrieben wird, dessen Malstil und Kolorit sich deutlich von der hier besprochenen Tafel unterscheiden. Motivisch ähnlich sind schließlich auch die hebräischen Schriftzeichen auf der Kopfbedeckung des jüdischen Priesters am rechten Bildrand der hier besprochenen Darbringung im Vergleich zum Propheten Joel auf der Tafel in der Liebfrauen-Kirche in Wiener Neustadt, die nach 1490 datiert wird. Der Maler der Joel-Tafel, der Meister des Winkler Epitaphs, war in Wien und Wiener Neustadt tätig. Sein Malstil ist weicher und malerischer als der des Malers der hier besprochenen Tafeln.“ Es ist ein Maler, so Schedl, „der den Pinsel sehr sicher führte und detailreiche, qualität- und reizvolle Tafeln schuf“.

Ebenfalls danken wir Lothar Schultes für seine Hilfe bei der Katalogisierung der vorliegenden und der nachfolgenden Lots. Er hält es für möglich, dass die vorliegenden Tafeln und die Reliefs zum selben Altarbild gehörten und dass sie von bemerkenswerter Qualität sind. Die dargestellten Stifter und vor allem die Ordenstracht der Äbtissin legen ein Augustinerinnenkloster nahe, sodass es sich bei dem Herkunftsort womöglich um ein Doppelkloster handelte. Aufgrund der Nähe zu Wien wäre hier der wahrscheinliche Herkunftsort Klosterneuburg, wo bis 1722 auch ein Kloster von Augustiner-Chorfrauen bestand.

Schulte schreibt: „Die Reliefs gehen beide auf Stiche Schongauers zurück, die sie fast unverändert ins Dreidimensionale übertragen. Die Anbetung der Könige lässt sich sehr gut mit jener des in Passau entstandenen Flügelaltars von Maria Laach am Jauerling (Bezirk Krems, Niederösterreich) vergleichen, allerdings ist der ausführende Schnitzer trotz der verblüffenden Ähnlichkeit wohl kaum derselbe. Von den gemalten Szenen folgt die Verkündigung ebenfalls sehr genau einem Stich Schongauers, während für die Darbringung keine Schongauer-Vorlage verfügbar war. Das Gemälde ist ohne konkrete Vorlage und beweist, dass der Maler durchaus eigenständig zu gestalten verstand. Als ikonographische Besonderheit wäre die gleichzeitige Darstellung des greisen Simeon und des Hohepriesters zu nennen. Dies ist sehr selten, denn sonst wird meist nur Simeon dargestellt. Gewisse Zusammenhänge bestehen am ehesten zu den Bildern eines Marienaltars, der aus Wartberg an der Krems über das Stift Schlierbach in die Pfarrkirche von Kirchdorf an der Krems gelangten, wo sie zu einem Flügelaltar zusammengestellt wurden. Dort finden sich etwa der ins Profil gedrehte Kopf der Begleiterin Mariens (ganz links) und andere motivische Übereinstimmungen, doch bestehen im Stil deutliche Unterschiede.

Vergleichbar wäre auch eine beidseitig bemalte Tafel mit der Verkündigungsmaria und der Anbetung der Könige in der Diözesansammlung Passau (Inv.-Nr. D 381). Ähnlich ist hier unter anderem die präzise, harte Modellierung der Gesichter. So lässt sich etwa der Kopf des bärtigen alten Königs der Anbetung mit den Männergesichtern der Darbringung vergleichen, und auch das mädchenhafte, vom goldschillernden Haar umrahmte Gesicht Mariens gleicht der Jungfrau der Verkündigung. Der schöne Kopf des Engels mit den goldenen Locken erinnert darüber hinaus auch an die mädchenhafte Maria auf einem Tafelbild der Geburt Christi in der Diözesansammlung Passau (Inv.-Nr. D 420). Damit spricht doch Einiges für eine Entstehung der nun versteigerten Altarflügel in einer Passauer Werkstatt.“

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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