Lot Nr. 10


Niederländische Schule, 16. Jahrhundert


Niederländische Schule, 16. Jahrhundert - Alte Meister

„De wereld voedt vele zotten“ – Die Welt ernährt viele Narren,
Öl auf Holz, 36,5 x 48,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Musée Frans Claes „De Gulden Spoor'“, Antwerpen, 27. November – 1. Dezember 1933, Lot 187;
Sammlung Bernardus Johannes Jansen Schellink (1902–1996), Den Haag;
Weitergabe im Erbgang an Frau J. R. van Bergen, Den Haag;
von ihr erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
S. Gudlaugsson, Kunsthistorische Mededeelingen, Den Haag 1946, S. 2f., Nr. 1

Das vorliegende Gemälde ist ein anschauliches Beispiel der humoristischen wie moralisierenden flämischen Genremalerei, die unter gebildeten Sammlern Mitte des 16. Jahrhunderts so begehrt war. In der vorliegenden Komposition geben die Symbole auf dem Sturz über den Köpfen der beiden Narren oder „zotten“ ein Bilderrätsel auf, dessen versteckter Bedeutungen sich auch Frans Verbeeck (um 1510–1570) auf dem Tisch im Vordergrund seines Gemäldes Verspottung menschlicher Torheit (Abb. 1) bediente, welches im Dorotheum in Wien am 21. Oktober 2014 als Lot 33 versteigert wurde. Zeitgenössische Inventarverzeichnisse verraten, dass derartige Bilder oft in den Speisezimmern wohlhabender Bürger in Mechelen und Antwerpen hingen. Trotz der offensichtlichen Vulgarität der beiden uns entgegengrinsenden, sich kröpfenden Narren handelt es sich um ein Konversationsstück, an dessen lehrreicher Weisheit sich der kenntnisreiche Betrachter erfreute.

Der vergoldete Buchstabe „D“ steht für „De“ bzw. „der“, während die kristallene Erdkugel, die sich für gewöhnlich in der Hand des Salvator Mundi befindet, die Welt oder „wereld“ darstellt. Der Begriff „voedt“ oder „Fuß“ ist ein holländisches Wortspiel und steht für „füttern“ oder „ernähren“. Die bespannte Fidel schließlich spielt mit dem Wort „vele“ und meint „viele“, während die Narren darunter in ihrem typischen Gewand den Satz vervollständigen: „De wereld voedt vele zotten“ – „Die Welt ernährt viele Narren.“ Diese Aussage ist im Zusammenhang mit den beliebten Rednerkammern bzw. „rederijkerskamers“ zu sehen, die damals in flämischen Städten aus dem Boden schossen und eine Vielzahl an satirischen Stücken und Gedichten zur Aufführung brachten, die sich über die menschlichen Laster und Torheiten lustig machten.

Obschon erst durch Verbeeck und seine Zeitgenossen populär geworden, gehen halbfigurige nahansichtige Figuren in häuslicher Kulisse auf Quentijn Massys (1466–1530) und seine Nachfolger zurück, darunter Sohn Jan Massijs (um 1510–1575). Die Physiognomie und das Register der „zotten“ hallt in Massijs’ Vrolijk Gezelschap bzw. Fröhlicher Gesellschaft nach, die im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird. Unterschiedliche Herangehensweisen an dieses Bildthema hat man aus stilistischen Gründen entweder Jan Massijs oder Pieter Baltens zugeschrieben, während andere Beispiele, darunter die vorliegende Version (Privatsammlung, Wien), die in der Datenbank des RKD unter Nr. 122715 verzeichnet ist, noch Gegenstand der Forschung bleiben.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 120.000,- bis EUR 180.000,-

Niederländische Schule, 16. Jahrhundert


„De wereld voedt vele zotten“ – Die Welt ernährt viele Narren,
Öl auf Holz, 36,5 x 48,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Musée Frans Claes „De Gulden Spoor'“, Antwerpen, 27. November – 1. Dezember 1933, Lot 187;
Sammlung Bernardus Johannes Jansen Schellink (1902–1996), Den Haag;
Weitergabe im Erbgang an Frau J. R. van Bergen, Den Haag;
von ihr erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
S. Gudlaugsson, Kunsthistorische Mededeelingen, Den Haag 1946, S. 2f., Nr. 1

Das vorliegende Gemälde ist ein anschauliches Beispiel der humoristischen wie moralisierenden flämischen Genremalerei, die unter gebildeten Sammlern Mitte des 16. Jahrhunderts so begehrt war. In der vorliegenden Komposition geben die Symbole auf dem Sturz über den Köpfen der beiden Narren oder „zotten“ ein Bilderrätsel auf, dessen versteckter Bedeutungen sich auch Frans Verbeeck (um 1510–1570) auf dem Tisch im Vordergrund seines Gemäldes Verspottung menschlicher Torheit (Abb. 1) bediente, welches im Dorotheum in Wien am 21. Oktober 2014 als Lot 33 versteigert wurde. Zeitgenössische Inventarverzeichnisse verraten, dass derartige Bilder oft in den Speisezimmern wohlhabender Bürger in Mechelen und Antwerpen hingen. Trotz der offensichtlichen Vulgarität der beiden uns entgegengrinsenden, sich kröpfenden Narren handelt es sich um ein Konversationsstück, an dessen lehrreicher Weisheit sich der kenntnisreiche Betrachter erfreute.

Der vergoldete Buchstabe „D“ steht für „De“ bzw. „der“, während die kristallene Erdkugel, die sich für gewöhnlich in der Hand des Salvator Mundi befindet, die Welt oder „wereld“ darstellt. Der Begriff „voedt“ oder „Fuß“ ist ein holländisches Wortspiel und steht für „füttern“ oder „ernähren“. Die bespannte Fidel schließlich spielt mit dem Wort „vele“ und meint „viele“, während die Narren darunter in ihrem typischen Gewand den Satz vervollständigen: „De wereld voedt vele zotten“ – „Die Welt ernährt viele Narren.“ Diese Aussage ist im Zusammenhang mit den beliebten Rednerkammern bzw. „rederijkerskamers“ zu sehen, die damals in flämischen Städten aus dem Boden schossen und eine Vielzahl an satirischen Stücken und Gedichten zur Aufführung brachten, die sich über die menschlichen Laster und Torheiten lustig machten.

Obschon erst durch Verbeeck und seine Zeitgenossen populär geworden, gehen halbfigurige nahansichtige Figuren in häuslicher Kulisse auf Quentijn Massys (1466–1530) und seine Nachfolger zurück, darunter Sohn Jan Massijs (um 1510–1575). Die Physiognomie und das Register der „zotten“ hallt in Massijs’ Vrolijk Gezelschap bzw. Fröhlicher Gesellschaft nach, die im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird. Unterschiedliche Herangehensweisen an dieses Bildthema hat man aus stilistischen Gründen entweder Jan Massijs oder Pieter Baltens zugeschrieben, während andere Beispiele, darunter die vorliegende Version (Privatsammlung, Wien), die in der Datenbank des RKD unter Nr. 122715 verzeichnet ist, noch Gegenstand der Forschung bleiben.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020