Lot Nr. 23


Giorgio Vasari


Giorgio Vasari - Alte Meister

(Arezzo 1511–1574 Florenz)
Allegorie des Sommers,
Öl auf Holz, 80,5 x 79,5 cm, gerahmt

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 16875 verzeichnet (als Giorgio Vasari, Putti con spighe, mit den Maßangaben 90,2 x 78,7 cm).

Provenienz:
Sammlung Hans von Pernull (1868–1949), London;
dessen Erben;
deren Auktion, Christie’s, London, 27. November 1970, Lot 38;
Sammlung Anna Moffo Sarnoff (1932–2006), New York;
deren Auktion, Sotheby Parke-Bernet, New York, 22. Januar 1976, Lot 78;
dort erworben durch Alexandre Villiers;
Privatsammlung;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Literatur:
C. Davis, in: L. Corti, C. Davis, M. Daly Davis, J. Kliemann (Hg.), Giorgio Vasari: principi, letterati e artisti nelle carte di Giorgio Vasari. Pittura vasariana dal 1532 al 1554, Ausstellungskatalog, Arezzo 1981, S. 45 (als Vasari-Werkstatt);
L. Corti, Vasari. Catalogo completo, Florenz 1989, S. 87, Nr. 66, mit Abb. (als Vasari, mit den Maßangaben 90,2 x 78,7 cm);
F. Härb, The Drawings of Giorgio Vasari, 1510–1574, Rom 2015, S. 364, Abb. 214.1 und 214.2 (als Vasari)
C. Falciani, in: C. Falciani, P. Curie (Hg.), La Collection Alana. Chefs-d’oeuvre de la peinture italienne, Ausstellungskatalog, Brüssel 2019, S. 172 (als Vasari)

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

Die Technik befindet sich im Einklang mit Vasaris Malpraxis. In der Infrarotreflektografie zeigt sich, dass der linke Arm des rechten Puttos ursprünglich anders gezeichnet war – nicht erhoben, sondern in Richtung des Betrachters ausgestreckt und rasch hingeworfen, mit geöffneten und schematisch wiedergegebenen Fingern, die nichts festhalten. Die Zeichnung dieses Arms wurde entsprechend seiner jetzigen Erscheinung abgeändert. Möglicherweise wurden die Getreideähren in einer späteren Ausarbeitungsphase des Bildthemas hinzugefügt.

Wenn man das Bildthema mit der gezeichneten Vorstudie für eine Deckendekoration im Art Institute of Chicago (Inv.-Nr. 1922.42) vergleicht, bemerkt man generelle Gemeinsamkeiten zu den in den Ecken dargestellten Putten, auch wenn die Körperhaltungen nicht identisch sind. Dazu kommt, dass die Putten auf der Chicagoer Zeichnung keine erkennbaren Symbole oder Gegenstände mit sich führen und daher wohl nicht als Allegorien intendiert waren, wohingegen die Putten des vorliegenden Gemäldes Getreideähren in Händen halten, was wohl auf eine allegorische Darstellung einer der vier Jahreszeiten verweist. Möglicherweise ist das Gemälde mit dem Sujet in der linken unteren Ecke der Chicagoer Zeichnung zu vergleichen: Beide Male sind die Putten frontal gegeben, doch im vorliegenden Werk sind ihre Beine verschlungen, und sie überreichen einander die Getreideähren. Auf der Zeichnung hält ein Putto einen Stängel (möglicherweise die Andeutung einer Ähre?), während die erste Unterzeichnung des Gemäldes wie schon angesprochen keinen Hinweis enthält, dass ein Gegenstand gehalten wird, zumindest nicht rechts. Ob der Chicagoer Entwurf nun mit dem vorliegenden Gemälde in Zusammenhang steht oder nicht, es könnte sich jedenfalls um eine ähnliche Deckengestaltung oder um eine andere gezeichnete Version derselben Decke gehandelt haben.

Die Untersuchung mittels Reflexionsspektroskopie offenbart ein kleinteiliges blaues und zum Teil farblich verändertes Pigment im Bereich des Himmels. Dieses wurde, wie Forschungen bestätigen, von Vasari häufig verwendet (siehe G. Poldi, Pigmenti, colore, sporco, alterazioni. Le analisi in riflettanza vis-NIR sulla „Pala Albergotti“, in: L’ingegno e la mano. Restaurare il mai restaurato. Il restauro della Pala Albergotti di Giorgio Vasari nella Badia delle Sante Flora e Lucilla di Arezzo, Konferenzbericht [Arezzo, Sala dei Grandi della Provincia, 28.–30. März 2008], hg. von I. Droandi, Florenz 2009, S. 63–74); zuweilen ist die Verfärbung so stark geraten, dass sich ein helles Blau zu Braun verändert hat. Im vorliegenden Gemälde ist der Ton, der ursprünglich sicherlich ein kräftigeres Blau zeigte, nun zu Blaugrau mutiert. Die Palette umfasste darüber hinaus Bleiweiß, ein bleibasiertes Gelb, Zinnober, einen Rotlack auf Karminbasis von guter Qualität, Gelbocker und Erden.

Deckendekorationen von Giorgio Vasari (Lots 22 und 23)

Diese beiden Gemälde Giorgio Vasaris (Lot 22 und 23) waren ursprünglich Teil einer Deckengestaltung. Es wurde erwogen, dass die beiden Kompositionen in Zusammenhang mit einer Vorzeichnung für eine Deckendekoration stehen, die sich im Art Institute of Chicago befindet (Inv.-Nr. 1922.42). Die genaue Entstehungszeit und der ursprüngliche Bestimmungsort der Deckengestaltung bleiben im Ungewissen, wenngleich unterschiedliche Vermutungen angestellt wurden.

Die beiden Tafeln zeigen jeweils ein Puttenpaar, das Getreideähren bzw. Wurzelgemüse – Pastinaken und Zwiebeln –– in den Händen hält und höchstwahrscheinlich als Allegorie des Sommers bzw. des Winters gedacht war. Diese ungewöhnliche Ikonografie der Jahreszeiten verkehrt die traditionelle Darstellungsweise ins Gegenteil: Traditionell wird der Sommer durch weibliche und der Winter durch männliche Figuren verkörpert, während es hier, möglicherweise in Anspielung auf dessen durchmischte Fruchtbarkeit, umgekehrt ist.

Eine dritte Tafel mit einer Darstellung des Herbstes wurde erst unlängst identifiziert; sie war 2019 in der Ausstellung der Sammlung Alana im Musée Jacquemart-André in Paris zu sehen. Auch dort erscheinen zwei miteinander verschlungene Putten, die Weintrauben in den Händen halten. Die Wiederentdeckung dieser Tafel bedeutet eine wichtige Ergänzung zur Rekonstruktion der verlorenen Deckengestaltung. Bis dato gibt es keine Hinweise zur vierten und letzten Tafel, die zweifellos eine Allegorie des Frühlings darstellt.

Bis vor Kurzem glaubte man, diese Tafeln wären Teil einer Decke im Palazzo des venezianischen Patriziers Giovanni Cornaro (1515–1576) gewesen und 1542 entstanden. Diese Provenienz wurde jedoch mittlerweile entkräftet, zumal die Decke des Palazzos mittlerweile vollkommen rekonstruiert werden konnte. Ihre Eckfelder zeigen geflügelte Putten mit Schrifttafeln.

Das rechteckige Mittelfeld der mit der Chicagoer Zeichnung vorbereiteten Deckendekoration zeigt die biblische Episode von Rebecca und Elieser am Brunnen (Genesis 24). Dieses Bild ist von zwei Rundbildern und zwei Ovalen mit Darstellungen liegender Aktfiguren umgeben (siehe Abb. 1). Sie entziehen sich der Interpretation, zumal ihre Attribute schwer auszumachen sind, doch könnten sie möglicherweise mit den Tages- oder Jahreszeiten in Verbindung gebracht werden. Schließlich befinden sich – wie bei vielen Ausstattungsprojekten Vasaris – in den vier Ecken quadratische Felder, die jeweils ein Paar Putten aufnehmen. Bei den beiden vorliegenden Werken handelt es sich vermutlich um die dazugehörigen finalen Bildfindungen.

Die Deckengestaltung wird durch einen entlang des unteren Randes der Entwurfszeichnung verlaufenden Fries mit Porträts komplettiert, die ein Bildnis von Papst Clemens VII. flankieren. Darüber ist das Motto „Candor illesus“ zu lesen. Die Präsenz dieses Porträts unterstützt eine Theorie, wonach diese Deckendekoration ursprünglich für die Ausstattung einer von Cosimo I. beauftragten Raumabfolge gedacht war, die führende Mitglieder der Familie Medici preisen und einen Clemens VII. gewidmeten Raum im Quartiere di Leone X im Palazzo Vecchio in Florenz (1556–1562) beinhalten sollte. Dieser Vorschlag wurde jedoch von Härb zurückgewiesen, zumal die Themen der Chicagoer Zeichnung weder mit der von Cosimo Bartoli für die Sala di Clemente VII konzipierten Ausstattung noch mit einem der angrenzenden Räume, die allesamt historische Ereignisse aus der Lebensgeschichte der Mitglieder der Familie Medici darstellen sollten, korrespondieren (siehe F. Härb in der Literatur, S. 363f.).

Das rechteckige Mittelfeld der Chicagoer Zeichnung mit Rebecca und Elieser stimmt mit einer Zeichnung Vasaris in der Royal Library auf Schloss Windsor (Inv.-Nr. 6005) überein, wo die Komposition deutlicher lesbar ist; das ausgeführte Gemälde Vasaris zu diesem Thema hat man in der Sammlung der Società Ficarazzi Acicastello, Catania, lokalisiert: Es stammt aus der Sammlung Serristori, Florenz.

Charles Davis (siehe Literatur) hat vermutet, dass die Tafel mit der biblischen Szene sowie die Tafeln mit den Putten, einschließlich der beiden vorliegenden Lots, einst zur Ausstattung eines Raumes in Vasaris eigenem Haus gehörten; jedoch ist dessen dekoratives Programm in einem Brief von Vincenzo Borghini aus dem Jahr 1570 beschrieben, aus dem andere theologische Themen hervorgehen als das auf der Chicagoer Vorzeichnung dargestellte.

Die Forschung hat für das Gemälde mit Rebecca und Elieser am Brunnen und die beiden vorliegenden Gemälde divergierende Datierungen vorgeschlagen. Während sich das Rebecca-Gemälde und die dazugehörige Vorzeichnung in Windsor aus stilistischen Gründen in die 1550er-Jahre datieren lassen, wurden die Chicagoer Zeichnung und die Tafeln mit den Putten in Vasaris letzte Jahre verwiesen und damit nach den Ausstattungen für den Palazzo Vecchio 1555–1560 eingeordnet, was nahelegt, dass Vasari sich auf ein früheres, damals anders genutztes Gemälde berufen und es einem neuen Zweck zugeführt hat, indem er es in ein späteres Ausstattungsprogramm einbezogen hat.

In Unterstützung einer späten Datierung der beiden vorliegenden Allegorien der Jahreszeiten lassen sie sich mit Werken aus der Reifezeit des Künstlers, insbesondere mit den Florentiner Altarbildern in Santa Maria Novella und Santa Croce sowie mit einer Marienkrönung in der Badia von Arezzo vergleichen. Zudem finden sich Prototypen für die Putten im Altarbild mit dem Jüngsten Gericht und den dazugehörigen Seitenflügeln, die einst in einen imposanten hölzernen Altaraufsatz eingebunden waren und zwischen 1567 und 1569 für Santa Croce di Bosco Marengo im Piemont entstanden sind. In der Tat finden sich dort ähnlich herkulische Putten mit ausgeprägten Muskeln.

Auch ein weiteres Vergleichsbeispiel könnte eine späte Datierung der beiden vorliegenden Tafeln bekräftigen: ihr Zusammenhang zum Studiolo Francescos I., einem kleinen, an den Salone dei Cinquecento angrenzenden Raum im Palazzo Vecchio, der 1572 unter Vasaris Leitung fertiggestellt wurde. Die Chicagoer Zeichnung wiederholt unverkennbar die Unterteilung des Tonnengewölbes des Studiolos mit Prometheus im Zentrum, umgeben von den Feldern mit den vier Elementen und den paarweisen Putten in den Ecken.

Vasari war einer der Hauptvertreter des Manierismus. Bewusst bediente er sich bei seinen Altarbildern, religiösen Bildthemen und weltlichen Ausstattungsprogrammen michelangesker Formen. Er wurde zum führenden Interpreten des künstlerischen Programms von Cosimo I. de’ Medici und bekam den Titel architetto e pittore di Sua Eccellenza verliehen. Man zog den von gebildeten Beratern unterstützten Vasari heran, der bis 1563 die Ausstattung der großherzoglichen Gemächer im Palazzo Vecchio überwachte. Danach machte er sich an die Konzeption des Salone dei Cinquecento. Dieses Programm sah eine Verherrlichung der Familie Medici in Bildern vor, darunter historische und allegorische Themen, welche die realen und in Legenden berichteten Ereignisse der Florentiner Geschichte in Szene setzen sollten, wobei Kunst, Geschichte und Symbolik ineinandergriffen. Zu Beginn des Jahrhunderts hatten Michelangelo und Leonardo mit der Schlacht bei Cascina beziehungsweise der Anghiarischlacht zur Ausstattung des Salons beigetragen. Die Geschichte sollte den Namen Giorgio Vasari mit Leonardos mythischem, später verlorenem Fresko in Verbindung bringen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 149.700,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Giorgio Vasari


(Arezzo 1511–1574 Florenz)
Allegorie des Sommers,
Öl auf Holz, 80,5 x 79,5 cm, gerahmt

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 16875 verzeichnet (als Giorgio Vasari, Putti con spighe, mit den Maßangaben 90,2 x 78,7 cm).

Provenienz:
Sammlung Hans von Pernull (1868–1949), London;
dessen Erben;
deren Auktion, Christie’s, London, 27. November 1970, Lot 38;
Sammlung Anna Moffo Sarnoff (1932–2006), New York;
deren Auktion, Sotheby Parke-Bernet, New York, 22. Januar 1976, Lot 78;
dort erworben durch Alexandre Villiers;
Privatsammlung;
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Literatur:
C. Davis, in: L. Corti, C. Davis, M. Daly Davis, J. Kliemann (Hg.), Giorgio Vasari: principi, letterati e artisti nelle carte di Giorgio Vasari. Pittura vasariana dal 1532 al 1554, Ausstellungskatalog, Arezzo 1981, S. 45 (als Vasari-Werkstatt);
L. Corti, Vasari. Catalogo completo, Florenz 1989, S. 87, Nr. 66, mit Abb. (als Vasari, mit den Maßangaben 90,2 x 78,7 cm);
F. Härb, The Drawings of Giorgio Vasari, 1510–1574, Rom 2015, S. 364, Abb. 214.1 und 214.2 (als Vasari)
C. Falciani, in: C. Falciani, P. Curie (Hg.), La Collection Alana. Chefs-d’oeuvre de la peinture italienne, Ausstellungskatalog, Brüssel 2019, S. 172 (als Vasari)

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

Die Technik befindet sich im Einklang mit Vasaris Malpraxis. In der Infrarotreflektografie zeigt sich, dass der linke Arm des rechten Puttos ursprünglich anders gezeichnet war – nicht erhoben, sondern in Richtung des Betrachters ausgestreckt und rasch hingeworfen, mit geöffneten und schematisch wiedergegebenen Fingern, die nichts festhalten. Die Zeichnung dieses Arms wurde entsprechend seiner jetzigen Erscheinung abgeändert. Möglicherweise wurden die Getreideähren in einer späteren Ausarbeitungsphase des Bildthemas hinzugefügt.

Wenn man das Bildthema mit der gezeichneten Vorstudie für eine Deckendekoration im Art Institute of Chicago (Inv.-Nr. 1922.42) vergleicht, bemerkt man generelle Gemeinsamkeiten zu den in den Ecken dargestellten Putten, auch wenn die Körperhaltungen nicht identisch sind. Dazu kommt, dass die Putten auf der Chicagoer Zeichnung keine erkennbaren Symbole oder Gegenstände mit sich führen und daher wohl nicht als Allegorien intendiert waren, wohingegen die Putten des vorliegenden Gemäldes Getreideähren in Händen halten, was wohl auf eine allegorische Darstellung einer der vier Jahreszeiten verweist. Möglicherweise ist das Gemälde mit dem Sujet in der linken unteren Ecke der Chicagoer Zeichnung zu vergleichen: Beide Male sind die Putten frontal gegeben, doch im vorliegenden Werk sind ihre Beine verschlungen, und sie überreichen einander die Getreideähren. Auf der Zeichnung hält ein Putto einen Stängel (möglicherweise die Andeutung einer Ähre?), während die erste Unterzeichnung des Gemäldes wie schon angesprochen keinen Hinweis enthält, dass ein Gegenstand gehalten wird, zumindest nicht rechts. Ob der Chicagoer Entwurf nun mit dem vorliegenden Gemälde in Zusammenhang steht oder nicht, es könnte sich jedenfalls um eine ähnliche Deckengestaltung oder um eine andere gezeichnete Version derselben Decke gehandelt haben.

Die Untersuchung mittels Reflexionsspektroskopie offenbart ein kleinteiliges blaues und zum Teil farblich verändertes Pigment im Bereich des Himmels. Dieses wurde, wie Forschungen bestätigen, von Vasari häufig verwendet (siehe G. Poldi, Pigmenti, colore, sporco, alterazioni. Le analisi in riflettanza vis-NIR sulla „Pala Albergotti“, in: L’ingegno e la mano. Restaurare il mai restaurato. Il restauro della Pala Albergotti di Giorgio Vasari nella Badia delle Sante Flora e Lucilla di Arezzo, Konferenzbericht [Arezzo, Sala dei Grandi della Provincia, 28.–30. März 2008], hg. von I. Droandi, Florenz 2009, S. 63–74); zuweilen ist die Verfärbung so stark geraten, dass sich ein helles Blau zu Braun verändert hat. Im vorliegenden Gemälde ist der Ton, der ursprünglich sicherlich ein kräftigeres Blau zeigte, nun zu Blaugrau mutiert. Die Palette umfasste darüber hinaus Bleiweiß, ein bleibasiertes Gelb, Zinnober, einen Rotlack auf Karminbasis von guter Qualität, Gelbocker und Erden.

Deckendekorationen von Giorgio Vasari (Lots 22 und 23)

Diese beiden Gemälde Giorgio Vasaris (Lot 22 und 23) waren ursprünglich Teil einer Deckengestaltung. Es wurde erwogen, dass die beiden Kompositionen in Zusammenhang mit einer Vorzeichnung für eine Deckendekoration stehen, die sich im Art Institute of Chicago befindet (Inv.-Nr. 1922.42). Die genaue Entstehungszeit und der ursprüngliche Bestimmungsort der Deckengestaltung bleiben im Ungewissen, wenngleich unterschiedliche Vermutungen angestellt wurden.

Die beiden Tafeln zeigen jeweils ein Puttenpaar, das Getreideähren bzw. Wurzelgemüse – Pastinaken und Zwiebeln –– in den Händen hält und höchstwahrscheinlich als Allegorie des Sommers bzw. des Winters gedacht war. Diese ungewöhnliche Ikonografie der Jahreszeiten verkehrt die traditionelle Darstellungsweise ins Gegenteil: Traditionell wird der Sommer durch weibliche und der Winter durch männliche Figuren verkörpert, während es hier, möglicherweise in Anspielung auf dessen durchmischte Fruchtbarkeit, umgekehrt ist.

Eine dritte Tafel mit einer Darstellung des Herbstes wurde erst unlängst identifiziert; sie war 2019 in der Ausstellung der Sammlung Alana im Musée Jacquemart-André in Paris zu sehen. Auch dort erscheinen zwei miteinander verschlungene Putten, die Weintrauben in den Händen halten. Die Wiederentdeckung dieser Tafel bedeutet eine wichtige Ergänzung zur Rekonstruktion der verlorenen Deckengestaltung. Bis dato gibt es keine Hinweise zur vierten und letzten Tafel, die zweifellos eine Allegorie des Frühlings darstellt.

Bis vor Kurzem glaubte man, diese Tafeln wären Teil einer Decke im Palazzo des venezianischen Patriziers Giovanni Cornaro (1515–1576) gewesen und 1542 entstanden. Diese Provenienz wurde jedoch mittlerweile entkräftet, zumal die Decke des Palazzos mittlerweile vollkommen rekonstruiert werden konnte. Ihre Eckfelder zeigen geflügelte Putten mit Schrifttafeln.

Das rechteckige Mittelfeld der mit der Chicagoer Zeichnung vorbereiteten Deckendekoration zeigt die biblische Episode von Rebecca und Elieser am Brunnen (Genesis 24). Dieses Bild ist von zwei Rundbildern und zwei Ovalen mit Darstellungen liegender Aktfiguren umgeben (siehe Abb. 1). Sie entziehen sich der Interpretation, zumal ihre Attribute schwer auszumachen sind, doch könnten sie möglicherweise mit den Tages- oder Jahreszeiten in Verbindung gebracht werden. Schließlich befinden sich – wie bei vielen Ausstattungsprojekten Vasaris – in den vier Ecken quadratische Felder, die jeweils ein Paar Putten aufnehmen. Bei den beiden vorliegenden Werken handelt es sich vermutlich um die dazugehörigen finalen Bildfindungen.

Die Deckengestaltung wird durch einen entlang des unteren Randes der Entwurfszeichnung verlaufenden Fries mit Porträts komplettiert, die ein Bildnis von Papst Clemens VII. flankieren. Darüber ist das Motto „Candor illesus“ zu lesen. Die Präsenz dieses Porträts unterstützt eine Theorie, wonach diese Deckendekoration ursprünglich für die Ausstattung einer von Cosimo I. beauftragten Raumabfolge gedacht war, die führende Mitglieder der Familie Medici preisen und einen Clemens VII. gewidmeten Raum im Quartiere di Leone X im Palazzo Vecchio in Florenz (1556–1562) beinhalten sollte. Dieser Vorschlag wurde jedoch von Härb zurückgewiesen, zumal die Themen der Chicagoer Zeichnung weder mit der von Cosimo Bartoli für die Sala di Clemente VII konzipierten Ausstattung noch mit einem der angrenzenden Räume, die allesamt historische Ereignisse aus der Lebensgeschichte der Mitglieder der Familie Medici darstellen sollten, korrespondieren (siehe F. Härb in der Literatur, S. 363f.).

Das rechteckige Mittelfeld der Chicagoer Zeichnung mit Rebecca und Elieser stimmt mit einer Zeichnung Vasaris in der Royal Library auf Schloss Windsor (Inv.-Nr. 6005) überein, wo die Komposition deutlicher lesbar ist; das ausgeführte Gemälde Vasaris zu diesem Thema hat man in der Sammlung der Società Ficarazzi Acicastello, Catania, lokalisiert: Es stammt aus der Sammlung Serristori, Florenz.

Charles Davis (siehe Literatur) hat vermutet, dass die Tafel mit der biblischen Szene sowie die Tafeln mit den Putten, einschließlich der beiden vorliegenden Lots, einst zur Ausstattung eines Raumes in Vasaris eigenem Haus gehörten; jedoch ist dessen dekoratives Programm in einem Brief von Vincenzo Borghini aus dem Jahr 1570 beschrieben, aus dem andere theologische Themen hervorgehen als das auf der Chicagoer Vorzeichnung dargestellte.

Die Forschung hat für das Gemälde mit Rebecca und Elieser am Brunnen und die beiden vorliegenden Gemälde divergierende Datierungen vorgeschlagen. Während sich das Rebecca-Gemälde und die dazugehörige Vorzeichnung in Windsor aus stilistischen Gründen in die 1550er-Jahre datieren lassen, wurden die Chicagoer Zeichnung und die Tafeln mit den Putten in Vasaris letzte Jahre verwiesen und damit nach den Ausstattungen für den Palazzo Vecchio 1555–1560 eingeordnet, was nahelegt, dass Vasari sich auf ein früheres, damals anders genutztes Gemälde berufen und es einem neuen Zweck zugeführt hat, indem er es in ein späteres Ausstattungsprogramm einbezogen hat.

In Unterstützung einer späten Datierung der beiden vorliegenden Allegorien der Jahreszeiten lassen sie sich mit Werken aus der Reifezeit des Künstlers, insbesondere mit den Florentiner Altarbildern in Santa Maria Novella und Santa Croce sowie mit einer Marienkrönung in der Badia von Arezzo vergleichen. Zudem finden sich Prototypen für die Putten im Altarbild mit dem Jüngsten Gericht und den dazugehörigen Seitenflügeln, die einst in einen imposanten hölzernen Altaraufsatz eingebunden waren und zwischen 1567 und 1569 für Santa Croce di Bosco Marengo im Piemont entstanden sind. In der Tat finden sich dort ähnlich herkulische Putten mit ausgeprägten Muskeln.

Auch ein weiteres Vergleichsbeispiel könnte eine späte Datierung der beiden vorliegenden Tafeln bekräftigen: ihr Zusammenhang zum Studiolo Francescos I., einem kleinen, an den Salone dei Cinquecento angrenzenden Raum im Palazzo Vecchio, der 1572 unter Vasaris Leitung fertiggestellt wurde. Die Chicagoer Zeichnung wiederholt unverkennbar die Unterteilung des Tonnengewölbes des Studiolos mit Prometheus im Zentrum, umgeben von den Feldern mit den vier Elementen und den paarweisen Putten in den Ecken.

Vasari war einer der Hauptvertreter des Manierismus. Bewusst bediente er sich bei seinen Altarbildern, religiösen Bildthemen und weltlichen Ausstattungsprogrammen michelangesker Formen. Er wurde zum führenden Interpreten des künstlerischen Programms von Cosimo I. de’ Medici und bekam den Titel architetto e pittore di Sua Eccellenza verliehen. Man zog den von gebildeten Beratern unterstützten Vasari heran, der bis 1563 die Ausstattung der großherzoglichen Gemächer im Palazzo Vecchio überwachte. Danach machte er sich an die Konzeption des Salone dei Cinquecento. Dieses Programm sah eine Verherrlichung der Familie Medici in Bildern vor, darunter historische und allegorische Themen, welche die realen und in Legenden berichteten Ereignisse der Florentiner Geschichte in Szene setzen sollten, wobei Kunst, Geschichte und Symbolik ineinandergriffen. Zu Beginn des Jahrhunderts hatten Michelangelo und Leonardo mit der Schlacht bei Cascina beziehungsweise der Anghiarischlacht zur Ausstattung des Salons beigetragen. Die Geschichte sollte den Namen Giorgio Vasari mit Leonardos mythischem, später verlorenem Fresko in Verbindung bringen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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