Lot Nr. 87


Mattia Preti


Mattia Preti - Alte Meister

(Taverna 1613–1699 La Valletta)
Das Martyrium des heiligen Stephanus,
Öl auf Leinwand, 145,5 x 206,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Francesco Maria Balbi, Genua, 1671–1747 (lt. Literatur);
Casale di Ponte Galeria, Rom;
Sammlung Antonio Marsicola, Rom;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Dokumentation:
B. De Dominici, Vite de’ pittori, scultori ed architetti napoletani, 1742–1745, Bd. 3, S. 368 f.: „In casa di Francesco Maria Balsi son due buoni quadri, uno cho rappresenta il Martirio di S. Stefano, l’altro quando seppelliscono il corpo morto del medesimo.“

Literatur:
J. T. Spike, Mattia Preti: Catalogo ragionato dei dipinti, Florenz 1999, S. 270, Kat.-Nr. 202 (als Mattia Preti);
K. Sciberras, Mattia Preti: The Triumphant Manner. With a Catalogue of His Works in Malta, Valletta 2012, S. 458, ohne Abb. (als Mattia Preti in der „Liste der nicht in Malta entstandenen Werke der Malteser Periode“);
F. Sricchia Santoro, A. Zezza (Hg.), in: B. De Dominci, Vite de’pittori, scultori ed architetti napoletani, kommentierte Ausgabe, Neapel 2017, Bd. 3 (1), S. 688, Anm. 26, ohne Abb.

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 53477 verzeichnet (als Mattia Preti).

Der heilige Stephanus war einer der sieben Diakone, die vom heiligen Petrus in Jerusalem geweiht wurden. Furchtlos setzte sich Stephanus mit den Hebräern in der Synagoge auseinander, wurde aber aus der Stadt vertrieben und zu Tode gesteinigt. Im vorliegenden Gemälde schildert Mattia Preti den Augenblick des Martyriums. Der Heilige auf dem Boden füllt die untere Mitte der Bildes, er hält eine Hand an sein Herz und die andere zum Himmel gewendet. Auch sein Blick ist gen Himmel gerichtet. Hinter und neben ihm heben mehrere Männer mit heftigen Gesten schwere Steine hoch. Der Heilige trägt sein typisch dalmatinisches Gewand; neben ihm liegt ein aufgeschlagenes Buch. Sein Kopf beginnt das göttliche Licht eines Heiligenscheins auszustrahlen.

Der junge Mann in der Mitte, der dem gefallenen Heiligen am nächsten ist, ähnelt einer Figur des Ecce Homo an der Decke des Oratorio della Decollazione in der Johannes dem Täufer geweihten Kathedrale in La Valletta aus dem Jahr 1683. John T. Spike zufolge dürfte das vorliegende Werk ebenfalls um diese Zeit entstanden sein (siehe Literatur). In der Tat lässt die kraftvolle Komposition Mattia Pretis typische Technik der 1680er-Jahre erkennen, als der Künstler sich bei der Vorbereitung seiner Leinwände reichlich einer braun-roten Imprimitur bediente. Die Palette beschränkt sich weitgehend auf Scharlachrot, Gelb und Erdfarben.

Ein weich streuendes, natürliches, warmes Licht erhellt die Steiniger, während der Heilige in einen übernatürlichen Schein getaucht ist. Mattia Preti war zur Zeit der Entstehung des Bildes bereits nach Malta gezogen, wo er 1661 eintraf und bis zu seinem Tod 1699 leben sollte. In den 1680er-Jahren begann eine die Figuren umhüllende Farbigkeit die räumliche Anlage seiner Gemälde zu durchdringen, während die zunehmende Komplexität seiner Kompositionen in der dominierenden Masse der Volumina seiner mächtigen, riesengroßen Figuren ihren Ausdruck fand. All diesen Qualitäten begegnet man unter anderem im Martyrium des Heiligen Paulus im Museum of Fine Arts in Houston (Inv.-Nr. 69.17; siehe Abb. 1).

Eine in den Musei Civici di Reggio Emilia erhaltene Zeichnung (Inv.-Nr. B31; siehe Abb. 2) kann mit dem vorliegenden Gemälde in Beziehung gesetzt werden. Das Sujet dieser Rötelzeichnung mit verdünnter roter und brauner Tusche auf weißem Papier (133 x 186 mm) wurde von Nicholas Turner als Heiliger Stephanus identifiziert und später Mattia Preti zugeschrieben. Die Zeichnung weist bemerkenswerte Vergleichspunkte mit einer Reihe bekannter Blätter wie beispielsweise der Gruppe der Heiligen und Engel im Metropolitan Museum of Art in New York auf (Inv.-Nr. 1970.113.6; siehe A. Bigi Iotti, La linea continua: Disegni antichi dei Musei Civici di Reggio Emilia, Mailand 2015, S. 110, Kat.-Nr. 37). Die Skizze der menschlichen Figur auf diesem Blatt ist von ihrer Komposition her mit der Stephanus-Figur des vorliegenden Gemäldes vergleichbar.

Obgleich sich die zur Diskussion stehende Komposition auf keinem anderen Gemälde wiederholt findet und weder Studiokopien noch andere Fassungen des Themas bekannt sind, hat Mattia Preti sich bei zwei weiteren Gelegenheiten dem Martyrium des heiligen Stephanus gewidmet. Eine Darstellung entstand um 1663 für den dem heiligen Stephanus geweihten Altar in der Pfarrkirche St. Katharina in Żurrieq, Malta, wo sie sich bis heute erhalten hat. Die zweite, 1681 datierte und damit zeitgleich mit dem heutigen Gemälde entstandene wurde für die Pfarrkirche St. Paul in Rabat, Malta, angefertigt (siehe J. T. Spike 1999, Kat.-Nr.165, 296).

Mattia Preti wurde 1613 in Taverna in Kalabrien geboren und absolvierte seine ersten Ausbildungsjahre in Rom, gefolgt von sieben Jahren in Neapel. Im Jahr 1661 ließ er sich in Malta nieder, wo er von bedeutenden Mäzenen gefördert wurde und bis zu seinem Tod 1699 lebte. Nach seiner Ankunft auf der Insel begann er mit der Arbeit an einem der größten Vorhaben seiner Laufbahn: der Umgestaltung des Innenraums der Johannes dem Täufer geweihten Kirche in La Valletta, die er 1669 mit großem Erfolg abschloss. Vor seiner Übersiedlung nach Malta hatte Mattia Preti regelmäßig Aufträge von den Malteserrittern erhalten, deren Orden er seit 1641 angehörte. Seine Verbundenheit mit diesem Orden verlieh ihm Ansehen und garantierte ihm sein Leben lang einen konstanten Strom von Aufträgen, die seinem schnellen Pinselstrich und seiner raschen Technik Raum gaben und ihn ein beeindruckendes Gesamtwerk schaffen ließen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 100.300,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Mattia Preti


(Taverna 1613–1699 La Valletta)
Das Martyrium des heiligen Stephanus,
Öl auf Leinwand, 145,5 x 206,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Francesco Maria Balbi, Genua, 1671–1747 (lt. Literatur);
Casale di Ponte Galeria, Rom;
Sammlung Antonio Marsicola, Rom;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Dokumentation:
B. De Dominici, Vite de’ pittori, scultori ed architetti napoletani, 1742–1745, Bd. 3, S. 368 f.: „In casa di Francesco Maria Balsi son due buoni quadri, uno cho rappresenta il Martirio di S. Stefano, l’altro quando seppelliscono il corpo morto del medesimo.“

Literatur:
J. T. Spike, Mattia Preti: Catalogo ragionato dei dipinti, Florenz 1999, S. 270, Kat.-Nr. 202 (als Mattia Preti);
K. Sciberras, Mattia Preti: The Triumphant Manner. With a Catalogue of His Works in Malta, Valletta 2012, S. 458, ohne Abb. (als Mattia Preti in der „Liste der nicht in Malta entstandenen Werke der Malteser Periode“);
F. Sricchia Santoro, A. Zezza (Hg.), in: B. De Dominci, Vite de’pittori, scultori ed architetti napoletani, kommentierte Ausgabe, Neapel 2017, Bd. 3 (1), S. 688, Anm. 26, ohne Abb.

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 53477 verzeichnet (als Mattia Preti).

Der heilige Stephanus war einer der sieben Diakone, die vom heiligen Petrus in Jerusalem geweiht wurden. Furchtlos setzte sich Stephanus mit den Hebräern in der Synagoge auseinander, wurde aber aus der Stadt vertrieben und zu Tode gesteinigt. Im vorliegenden Gemälde schildert Mattia Preti den Augenblick des Martyriums. Der Heilige auf dem Boden füllt die untere Mitte der Bildes, er hält eine Hand an sein Herz und die andere zum Himmel gewendet. Auch sein Blick ist gen Himmel gerichtet. Hinter und neben ihm heben mehrere Männer mit heftigen Gesten schwere Steine hoch. Der Heilige trägt sein typisch dalmatinisches Gewand; neben ihm liegt ein aufgeschlagenes Buch. Sein Kopf beginnt das göttliche Licht eines Heiligenscheins auszustrahlen.

Der junge Mann in der Mitte, der dem gefallenen Heiligen am nächsten ist, ähnelt einer Figur des Ecce Homo an der Decke des Oratorio della Decollazione in der Johannes dem Täufer geweihten Kathedrale in La Valletta aus dem Jahr 1683. John T. Spike zufolge dürfte das vorliegende Werk ebenfalls um diese Zeit entstanden sein (siehe Literatur). In der Tat lässt die kraftvolle Komposition Mattia Pretis typische Technik der 1680er-Jahre erkennen, als der Künstler sich bei der Vorbereitung seiner Leinwände reichlich einer braun-roten Imprimitur bediente. Die Palette beschränkt sich weitgehend auf Scharlachrot, Gelb und Erdfarben.

Ein weich streuendes, natürliches, warmes Licht erhellt die Steiniger, während der Heilige in einen übernatürlichen Schein getaucht ist. Mattia Preti war zur Zeit der Entstehung des Bildes bereits nach Malta gezogen, wo er 1661 eintraf und bis zu seinem Tod 1699 leben sollte. In den 1680er-Jahren begann eine die Figuren umhüllende Farbigkeit die räumliche Anlage seiner Gemälde zu durchdringen, während die zunehmende Komplexität seiner Kompositionen in der dominierenden Masse der Volumina seiner mächtigen, riesengroßen Figuren ihren Ausdruck fand. All diesen Qualitäten begegnet man unter anderem im Martyrium des Heiligen Paulus im Museum of Fine Arts in Houston (Inv.-Nr. 69.17; siehe Abb. 1).

Eine in den Musei Civici di Reggio Emilia erhaltene Zeichnung (Inv.-Nr. B31; siehe Abb. 2) kann mit dem vorliegenden Gemälde in Beziehung gesetzt werden. Das Sujet dieser Rötelzeichnung mit verdünnter roter und brauner Tusche auf weißem Papier (133 x 186 mm) wurde von Nicholas Turner als Heiliger Stephanus identifiziert und später Mattia Preti zugeschrieben. Die Zeichnung weist bemerkenswerte Vergleichspunkte mit einer Reihe bekannter Blätter wie beispielsweise der Gruppe der Heiligen und Engel im Metropolitan Museum of Art in New York auf (Inv.-Nr. 1970.113.6; siehe A. Bigi Iotti, La linea continua: Disegni antichi dei Musei Civici di Reggio Emilia, Mailand 2015, S. 110, Kat.-Nr. 37). Die Skizze der menschlichen Figur auf diesem Blatt ist von ihrer Komposition her mit der Stephanus-Figur des vorliegenden Gemäldes vergleichbar.

Obgleich sich die zur Diskussion stehende Komposition auf keinem anderen Gemälde wiederholt findet und weder Studiokopien noch andere Fassungen des Themas bekannt sind, hat Mattia Preti sich bei zwei weiteren Gelegenheiten dem Martyrium des heiligen Stephanus gewidmet. Eine Darstellung entstand um 1663 für den dem heiligen Stephanus geweihten Altar in der Pfarrkirche St. Katharina in Żurrieq, Malta, wo sie sich bis heute erhalten hat. Die zweite, 1681 datierte und damit zeitgleich mit dem heutigen Gemälde entstandene wurde für die Pfarrkirche St. Paul in Rabat, Malta, angefertigt (siehe J. T. Spike 1999, Kat.-Nr.165, 296).

Mattia Preti wurde 1613 in Taverna in Kalabrien geboren und absolvierte seine ersten Ausbildungsjahre in Rom, gefolgt von sieben Jahren in Neapel. Im Jahr 1661 ließ er sich in Malta nieder, wo er von bedeutenden Mäzenen gefördert wurde und bis zu seinem Tod 1699 lebte. Nach seiner Ankunft auf der Insel begann er mit der Arbeit an einem der größten Vorhaben seiner Laufbahn: der Umgestaltung des Innenraums der Johannes dem Täufer geweihten Kirche in La Valletta, die er 1669 mit großem Erfolg abschloss. Vor seiner Übersiedlung nach Malta hatte Mattia Preti regelmäßig Aufträge von den Malteserrittern erhalten, deren Orden er seit 1641 angehörte. Seine Verbundenheit mit diesem Orden verlieh ihm Ansehen und garantierte ihm sein Leben lang einen konstanten Strom von Aufträgen, die seinem schnellen Pinselstrich und seiner raschen Technik Raum gaben und ihn ein beeindruckendes Gesamtwerk schaffen ließen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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