Lot Nr. 247


Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino


Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino - Alte Meister

(Cento 1591–1666 Bologna)
Auf dem Rücken liegender Amor,
Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 29 x 47,8 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung;
erworben durch den Großvater des jetzigen Besitzers

Wir danken Nicholas Turner, der die Zuschreibung auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Dieses Gemälde ist ein seltenes Beispiel für Guercinos wenig bekannten Bestand von Ölskizzen, die er im Allgemeinen in der Größe der später ausgeführten Gemälde für eine wichtige Figur oder ein entscheidendes Figurendetail anfertigte, um sich mit der ins Auge gefassten Lösung auseinanderzusetzen. Nur sehr wenige dieser Skizzen sind erhalten.

Der Säugling dieses Werks entspricht wenngleich mit Unterschieden auch in der Ausführung der Figur Amors in Guercinos um 1624‒1626 entstandener Komposition Venus, Mars, Amor und die Zeit, von der zwei Fassungen bekannt sind: eine frühere, die am 17. April 2013 als Lot 616 im Dorotheum zur Versteigerung gelangte, und eine andere in Dunham Massey in Cheshire (Abb. 1; siehe N. Turner, The Paintings of Guercino. A Revised and Expanded Catalogue raisonné, Rom 2017, S. 410‒412, Kat.-Nr. 136-II und III).

Für den Zusammenhang von Skizze und ausgeführtem Gemälde besonders aufschlussreich ist die horizontale Fläche, auf welcher der Säugling liegt. Im ersten Fall sind die Falten der Draperie unter dem Kind durch dessen Gewicht flach gedrückt. In den ausgeführten Kompositionen sind Amor, sein Kissen und das Betttuch leicht gekippt ‒ vermutlich damit sich die Gruppe kompakter in das linke Rund des ovalen Feldes fügt. Die Falten des weißen Tuches, die den durch die veränderte Schrägstellung Amors links unten entstandenen Raum füllen, zählen sicherlich zu den größten Unterschieden zwischen endgültiger Komposition und Skizze.

Auch eine der Skizzen Guercinos für den Kopf der Venus in der Londoner Sammlung Schoeppler (siehe Turner 2017, S. 410, Kat.-Nr.136-I) ist eine vorbereitende Studie für Venus, Mars, Amor und die Zeit, die sich, abermals gewisse Unterschiede aufweisend, mit dem Haupt der ihren fehlgeleiteten Sohn Amor tadelnd ansehenden Venus befasst. Die beiden Skizzen bieten sich für einen Vergleich an: Die Umrisse des Kopfs der Venus heben sich ähnlich wie der Körper Amors von einem festen dunklen Hintergrund ab. Der überaus pragmatischen, zeitsparenden Herangehensweise des Künstlers entsprechend wurde dieses neutrale Feld nicht weiter ausgearbeitet. In beiden Fällen bediente sich Guercino ähnlicher Stilmittel, was auf ein spontanes Arbeiten schließen lässt. So entschied er sich beispielsweise für nur wenige Glanzlichter. Amor wie Venus zeigen etwa eine Weißhöhung auf der Nasenspitze. Indem die Tupfer deren Rundheit vermitteln, erfüllen sie auf brillante Art ihren Zweck.

Amor, der Gott der Liebe, hat sowohl den Göttern als auch den Menschen unsagbares Unheil zugefügt. Auf Venus, Mars, Amor und die Zeit ist zu sehen, wie er dafür die Quittung bekommt. Wütend tadeln Mars, Venus und die Zeit den harmlos wirkenden Cherub. Unversehens in Vulcanus’ Netz gefangen, während er auf einem Kissen schlief, liegt Amor auf dem Rücken, nutzlos mit von sich gestreckten Beinen und Armen zappelnd. Die Figur in der vorliegenden Skizze ist einigermaßen gleich groß wie ihre Pendants im Gemälde von Dunham Massey und dem einst vom Dorotheum angebotenen Werk. Einige bedeutende formale Unterschiede lassen erkennen, dass sie vor den beiden Bildern gemalt wurde. Zum Beispiel zeigen mehrere Pentimenti am linken Arm und linken Bein, dass Guercino die Stellung der Figur noch nicht endgültig entwickelt hatte. Auch das Fehlen jeglicher Hinweise auf das in der Nähe von Amors Körper liegende Netz von Vulcanus scheint auszuschließen, dass es sich um eine Kopie handelt.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 25.300,-
Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino


(Cento 1591–1666 Bologna)
Auf dem Rücken liegender Amor,
Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen, 29 x 47,8 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung;
erworben durch den Großvater des jetzigen Besitzers

Wir danken Nicholas Turner, der die Zuschreibung auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Dieses Gemälde ist ein seltenes Beispiel für Guercinos wenig bekannten Bestand von Ölskizzen, die er im Allgemeinen in der Größe der später ausgeführten Gemälde für eine wichtige Figur oder ein entscheidendes Figurendetail anfertigte, um sich mit der ins Auge gefassten Lösung auseinanderzusetzen. Nur sehr wenige dieser Skizzen sind erhalten.

Der Säugling dieses Werks entspricht wenngleich mit Unterschieden auch in der Ausführung der Figur Amors in Guercinos um 1624‒1626 entstandener Komposition Venus, Mars, Amor und die Zeit, von der zwei Fassungen bekannt sind: eine frühere, die am 17. April 2013 als Lot 616 im Dorotheum zur Versteigerung gelangte, und eine andere in Dunham Massey in Cheshire (Abb. 1; siehe N. Turner, The Paintings of Guercino. A Revised and Expanded Catalogue raisonné, Rom 2017, S. 410‒412, Kat.-Nr. 136-II und III).

Für den Zusammenhang von Skizze und ausgeführtem Gemälde besonders aufschlussreich ist die horizontale Fläche, auf welcher der Säugling liegt. Im ersten Fall sind die Falten der Draperie unter dem Kind durch dessen Gewicht flach gedrückt. In den ausgeführten Kompositionen sind Amor, sein Kissen und das Betttuch leicht gekippt ‒ vermutlich damit sich die Gruppe kompakter in das linke Rund des ovalen Feldes fügt. Die Falten des weißen Tuches, die den durch die veränderte Schrägstellung Amors links unten entstandenen Raum füllen, zählen sicherlich zu den größten Unterschieden zwischen endgültiger Komposition und Skizze.

Auch eine der Skizzen Guercinos für den Kopf der Venus in der Londoner Sammlung Schoeppler (siehe Turner 2017, S. 410, Kat.-Nr.136-I) ist eine vorbereitende Studie für Venus, Mars, Amor und die Zeit, die sich, abermals gewisse Unterschiede aufweisend, mit dem Haupt der ihren fehlgeleiteten Sohn Amor tadelnd ansehenden Venus befasst. Die beiden Skizzen bieten sich für einen Vergleich an: Die Umrisse des Kopfs der Venus heben sich ähnlich wie der Körper Amors von einem festen dunklen Hintergrund ab. Der überaus pragmatischen, zeitsparenden Herangehensweise des Künstlers entsprechend wurde dieses neutrale Feld nicht weiter ausgearbeitet. In beiden Fällen bediente sich Guercino ähnlicher Stilmittel, was auf ein spontanes Arbeiten schließen lässt. So entschied er sich beispielsweise für nur wenige Glanzlichter. Amor wie Venus zeigen etwa eine Weißhöhung auf der Nasenspitze. Indem die Tupfer deren Rundheit vermitteln, erfüllen sie auf brillante Art ihren Zweck.

Amor, der Gott der Liebe, hat sowohl den Göttern als auch den Menschen unsagbares Unheil zugefügt. Auf Venus, Mars, Amor und die Zeit ist zu sehen, wie er dafür die Quittung bekommt. Wütend tadeln Mars, Venus und die Zeit den harmlos wirkenden Cherub. Unversehens in Vulcanus’ Netz gefangen, während er auf einem Kissen schlief, liegt Amor auf dem Rücken, nutzlos mit von sich gestreckten Beinen und Armen zappelnd. Die Figur in der vorliegenden Skizze ist einigermaßen gleich groß wie ihre Pendants im Gemälde von Dunham Massey und dem einst vom Dorotheum angebotenen Werk. Einige bedeutende formale Unterschiede lassen erkennen, dass sie vor den beiden Bildern gemalt wurde. Zum Beispiel zeigen mehrere Pentimenti am linken Arm und linken Bein, dass Guercino die Stellung der Figur noch nicht endgültig entwickelt hatte. Auch das Fehlen jeglicher Hinweise auf das in der Nähe von Amors Körper liegende Netz von Vulcanus scheint auszuschließen, dass es sich um eine Kopie handelt.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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