Lot Nr. 87


Tiziano Vecellio


Tiziano Vecellio - Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle, Miniaturen

(1477-1576) Werkstatt/Studio Studie zur Anbetung der Könige, um 1559-1564, Feder in brauner Tusche über Spuren schwarzer Kreide, mit weißer Kreide gehöht, auf Bütten, 20,8 x 22,8 cm, rückseitig zwei Mal in schwarzer Kreide bezeichnet "Le Titien", Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Sammlung Boguslaw Jolles (1842–1917), Dresden (Lugt 381);
seine Auktion Hugo Helbing, München, 28.-31. Oktober 1895, Lot 620;
Sammlung Michael Berolzheimer (1866–1942), Garmisch-Partenkirchen;
Zwangsversteigerung Adolf Weinmüller, München 9. März 1939, Lot 236;
Arnold Blome (1894–1972), Bremen; Sammlung Heinrich Beckmann (1875–1940), (Lugt 2756a);
seine Auktion Reinhold Puppel, Berlin, 27. Februar 1941, Lot 330;
unbekannte Sammlung; Galerie Bassenge, Berlin, 27. Mai 2011, Lot 6271;
Privatsammlung, Europa.

Die Versteigerung findet mit Einverständnis der Erben nach Dr. Michael Berolzheimer aufgrund einer gütlichen Einigung statt.

Gutachten:
Die vorliegende Zeichnung wurde jüngst von Prof. Maria Agnese Chiara Moretto Wiel, Prof. Filippo Pedrocco und Prof. Ugo Ruggeri an Tizian zugeschrieben und laut Gutachten dem Spätwerk des Künstlers zugeordnet. Die Zuschreibung wurde zudem jüngst von Prof. Michiaki Koshikawa, Tokyo University of the Arts, in einer schriftlichen Mitteilung (21. Juni 2016) vorgeschlagen. Laut Meinung von Prof. Bernard Jan Hendrik Aikema ist die Zeichnung jedoch nur der Werkstatt des Künstlers zuzuordnen.
Vergleichbare Studien in Zusammenhang mit dem Spätwerk Tizians wurden in der Publikation von Peter Lüdemann ”Tiziano. Le botteghe e la grafica”, Fondazione Centro Studi Tiziano e Cadore, 2016 zusammengetragen, die den jüngsten Forschungsstand zur Rolle der Zeichnung in der Werkstatt Tizians zusammenfasst.

Literatur:
P. Lüdemann, „Da Tiziano a Tiziano. Il disegno nella bottega degli ultimi decenni tra invenzione e commercio”, in: Ders., Tiziano. Le botteghe e la grafica, Fondazione Centro Studi Tiziano e Cadore, Florenz 2016, S. 219-243;
A. Gentili, Tiziano, Mailand 2012, S. 319-320; M. A. Chiara Moretto Wiel, in: Tiziano. L’ultimo atto, catalogo della mostra a cura di L. Puppi, Mailand 2007, S. 380, Nr. 58, S. 403, Nr. 89; F. Pedrocco, Tizian, München 2000, S. 252, Kat. 208, S. 263, Kat. 222; F. Valcanover, Tiziano. Il Principe de’Pittore, Florenz 1999;
M. Mancini, Tiziano e le corti d’Asburgo, Venedig 1998, S. 258, Nr. 136; S. 267, Nr. 146;
S. 269, Nr. 149; E.R.V. Engerth, Gemälde, Kunsthistorische Sammlungen, Italienische, Spanische und Französische Schule, I, 1994, S. 344, Nr. 492. S. Ferindo-Pagden, u.a. (Hg.), Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Verzeichnis der Gemälmälde, Wien 1991, Taf. 49;
C. Hope, Titian, London 1980; H. E. Wethey, The Paintings of Titian, Bd. I., The Religious Paintings, London 1969, S. 68, Nr. 5; Nr. 120-123;
E. K. Waterhouse, Paintings from Venice for Seventeenth Century England, in: Italien Studien, VII, 1952, S. 15, Nr. 35;
F. Valcanover, Mostra dei Vecellio, Bellune 1951, S. 72-73, Nr. 47; W. Suida, Das Steirmärkische Landesmuseum, Graz 1911, S. 365.

Die vorliegende Zeichnung dürfte in Zusammenhang mit einem der Gemälde Tizians zum Thema der “Anbetung der Könige” stehen, die der Künstler im Laufe seines Spätwerks, teilweise unter Werkstattbeteiligung in den Jahren 1559–1564 anfertigte. Die Komposition stimmt in vielen Details mit Tizians Gemälden der Anbetung aus jener Zeit überein, vor allem der zentrale Bildaufbau und die Anordnung der Personen um die hl. Familie welche die Gaben der drei Könige empfängt, wurden vom Künstler in leichter Abwandlung in mehreren Versionen verwendet. Prof. Moretto Wiel, Prof. Pedrocco und Prof. Ruggeri heben vor allem die Ähnlichkeit mit dem ehemals Tizian zugeschriebenen Gemälde der Anbetung der Könige im Kunsthistorischen Museum (Inv. GG_98, Ferino-Pagden 1991, Taf. 49) hervor, bei dem es sich jedoch nur um eine Kopie eines Werkstattmitgliedes nach einem verschollenen Original Tizians handeln dürfte. Das Gemälde Tizians ist auch durch einen Kupferstich von David Teniers überliefert, den der Künstler als Teil seines “Theatrum Pictorium” um 1660 (Hollstein 46) gemeinsam mit anderen Stichen nach den italienischen Gemälden aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms veröffentlichte. Zuvor hatte sich das Gemälde im Besitz des venezianischen Sammlers Bartolomeo della Nave (Venedig, vor 1638; Waterhous 1952, S. 15, Nr. 358) und 1638–1649 in der Sammlung Hamilton befunden und wurde während der napoleonischen Kriege 1809 nach Paris transferiert, bis es 1815 wieder nach Wien zurückkehrte (Engerth 1884, S. 344, Nr. 492). Eine weitere Version des Gemäldes, das in Zusammenhang mit dem Bild aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms stehen dürfte und heute dem Umkreis Tizians gegeben wird, befindet sich im Landesmuseum Graz (Suida 1911, S., 365).

Allen genannten Versionen gemeinsam ist der ikonographische Bildaufbau der Komposition sowie die Anordnung der Personen um die hl. Familie und die drei Könige, wie sie auch in den vier großformatigen horizontalen Gemälden der Anbetung der Könige von Tizian, teilweise mit Werkstattbeteiligung, aus den Jahren 1559–1564 zu finden sind. Die früheste Version davon dürfte 1559 für Philipp II. von Spanien entstanden sein (Gentili 2012, S. 319–320). Es wird traditionell mit jenem “quadro grande de los tres Reyes Magos” (großen Bild mit den hll. drei Königen) gleichgesetzt, das Garcia Hernández nach eigenem Bekunden in einem Brief vom 11. Oktober an Philipp II. 1559 in der Werkstatt Tizians gesehen hatte (Mancini 1998, S. 258, Nr. 136).

Das am 2. April 1561 in einem Brief des Malers an den König als “Könige aus dem Morgenland” bezeichnete Gemälde wurde 1574 zusammen mit “Diana und Kallisto” und “Diana und Aktäon” (beide in Edinburgh) sowie der “Grablegung” im Prado in den Escorial geschickt, wo es bis 1963 auf dem Seitenaltar der “Iglesia Vieja” seinen Platz hatte (Pedrocco 2000, Kat. 252, S. 208). Das Werk wird in der Literatur weitgehend als Original von Tizian anerkannt (Wethey 1969, Valcanover 1999, Hope 1980), dennoch bleibt es schwer zu beurteilen, da einige Details im mittleren Bereich des Bildes in der Vergangenheit durch einen Brand sowie ungeschickte Restaurierungen verloren gegangen sein.
Diese “Anbetung der Könige” wird jedoch zu Recht zu den dokumentierten Werken Tizians aus der späteren Schaffensperiode des Künstlers gezählt (Pedrocco 2000, S. 252). Drei weitere Versionen der horizontalen Komposition befinden sich im Museo del Prado, Madrid (um 1561), der Biblioteca Ambrosiana, Mailand (um 1556–1561) sowie dem Cleveland Museum of Art, Ohio (Mr. and Mrs. William H. Mallart Fund). Das große Gemälde in der Ambrosiana weist laut Pedrocco unter den themengleichen Werken die geringste Werkstattbeteiligung auf (Pedrocco 2000, S. 263, Kat. 222).
Laut Überlieferung soll Kardinal Ippolito II d’Este 1556 während seines Venedigaufenthalts Tizian mit einer “Anbetung der Hll. Drei Könige” beauftragt haben, um sie dem französischen König Heinrich II. schenken zu können. Als aber drei Jahre später - inzwischen war der König gestorben - der spanische Botschafter das Gemälde in der Werkstatt Tizians sah, legte er ihm nahe, es lieber an Philipp II. zu schenken. Diesen Rat befolgte der Maler und vollendete erst 1564 eine zweite Version für den Kardinal (Pedrocco 2000, S. 263).

Abgesehen von den kompositorischen Ähnlichkeiten der Zeichnung mit Tizians Gemälden der “Anbetung der Könige” in Mailand, dem Escorial und Madrid, weist die vorliegende Studie einige stilistische Ähnlichkeiten mit den Zeichnungen aus Tizians Spätwerk auf, die laut Prof. Moretto Wiel, Prof. Pedrocco und Prof. Ruggeri eine Zuschreibung an den Künstler ermöglichen würden. Prof. Moretto Wiel erwähnt in diesem Zusammenhang eine Detailstudie zu einer knienden Figur zu Tizians Gemälde “Pfingsten” (Moretto Wiel 1989, S. 92, Nr. 27) sowie eine Studie zum betenden Christus im Prado (Moretto Wiel 2007, S. 380, Nr. 58), in denen ein ähnlicher Zeichenduktus sowie die Auflösung der plastischen Formen zu beobachten ist. Hervorzuheben sind weiters eine querformatige Studie zur “Anbetung der Hirten” sowie eine Studie zum Engel der “Verkündigung” in den Uffizien (Inv. 12903 F, Inv. 12910 F), die denselben expressiven Zeichenduktus sowie die charakteristische Linienführung mit den gebrochenen Konturen und die Betonung der Lichteffekte aufweisen. Laut Prof. Aikema steht der enge Zusammenhang der vorliegenden Zeichnung mit den Gemälden Tizians außer Zweifel. Er hält jedoch eine Zuschreibung an die Werkstatt Tizians für wahrscheinlicher und meint, die Studie könnte als Vorlage für eine Variante nach einer “Anbetung der Könige” Tizians entstanden sein. Die vorliegende Zeichnung stellt in jedem Fall eine wichtige Entdeckung für die Neubewertung des zeichnerischen Spätwerks von Tizian zwischen 1559–1564 und der Rolle der Zeichnung in seiner Werkstatt dar.

Wir danken Prof. Bernard Jan Hendrik Aikema, Prof. Maria Agnese Chiara Moretto Wiel, Prof. Filippo Pedrocco, Prof. Ugo Ruggeri sowie Prof. Michiaki Koshikwa für die wissenschaftliche Unterstützung in der Zuschreibung und der Katalogisierung der vorliegenden Zeichnung.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at

04.04.2017 - 15:00

Erzielter Preis: **
EUR 18.750,-
Schätzwert:
EUR 15.000,- bis EUR 20.000,-

Tiziano Vecellio


(1477-1576) Werkstatt/Studio Studie zur Anbetung der Könige, um 1559-1564, Feder in brauner Tusche über Spuren schwarzer Kreide, mit weißer Kreide gehöht, auf Bütten, 20,8 x 22,8 cm, rückseitig zwei Mal in schwarzer Kreide bezeichnet "Le Titien", Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Sammlung Boguslaw Jolles (1842–1917), Dresden (Lugt 381);
seine Auktion Hugo Helbing, München, 28.-31. Oktober 1895, Lot 620;
Sammlung Michael Berolzheimer (1866–1942), Garmisch-Partenkirchen;
Zwangsversteigerung Adolf Weinmüller, München 9. März 1939, Lot 236;
Arnold Blome (1894–1972), Bremen; Sammlung Heinrich Beckmann (1875–1940), (Lugt 2756a);
seine Auktion Reinhold Puppel, Berlin, 27. Februar 1941, Lot 330;
unbekannte Sammlung; Galerie Bassenge, Berlin, 27. Mai 2011, Lot 6271;
Privatsammlung, Europa.

Die Versteigerung findet mit Einverständnis der Erben nach Dr. Michael Berolzheimer aufgrund einer gütlichen Einigung statt.

Gutachten:
Die vorliegende Zeichnung wurde jüngst von Prof. Maria Agnese Chiara Moretto Wiel, Prof. Filippo Pedrocco und Prof. Ugo Ruggeri an Tizian zugeschrieben und laut Gutachten dem Spätwerk des Künstlers zugeordnet. Die Zuschreibung wurde zudem jüngst von Prof. Michiaki Koshikawa, Tokyo University of the Arts, in einer schriftlichen Mitteilung (21. Juni 2016) vorgeschlagen. Laut Meinung von Prof. Bernard Jan Hendrik Aikema ist die Zeichnung jedoch nur der Werkstatt des Künstlers zuzuordnen.
Vergleichbare Studien in Zusammenhang mit dem Spätwerk Tizians wurden in der Publikation von Peter Lüdemann ”Tiziano. Le botteghe e la grafica”, Fondazione Centro Studi Tiziano e Cadore, 2016 zusammengetragen, die den jüngsten Forschungsstand zur Rolle der Zeichnung in der Werkstatt Tizians zusammenfasst.

Literatur:
P. Lüdemann, „Da Tiziano a Tiziano. Il disegno nella bottega degli ultimi decenni tra invenzione e commercio”, in: Ders., Tiziano. Le botteghe e la grafica, Fondazione Centro Studi Tiziano e Cadore, Florenz 2016, S. 219-243;
A. Gentili, Tiziano, Mailand 2012, S. 319-320; M. A. Chiara Moretto Wiel, in: Tiziano. L’ultimo atto, catalogo della mostra a cura di L. Puppi, Mailand 2007, S. 380, Nr. 58, S. 403, Nr. 89; F. Pedrocco, Tizian, München 2000, S. 252, Kat. 208, S. 263, Kat. 222; F. Valcanover, Tiziano. Il Principe de’Pittore, Florenz 1999;
M. Mancini, Tiziano e le corti d’Asburgo, Venedig 1998, S. 258, Nr. 136; S. 267, Nr. 146;
S. 269, Nr. 149; E.R.V. Engerth, Gemälde, Kunsthistorische Sammlungen, Italienische, Spanische und Französische Schule, I, 1994, S. 344, Nr. 492. S. Ferindo-Pagden, u.a. (Hg.), Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Verzeichnis der Gemälmälde, Wien 1991, Taf. 49;
C. Hope, Titian, London 1980; H. E. Wethey, The Paintings of Titian, Bd. I., The Religious Paintings, London 1969, S. 68, Nr. 5; Nr. 120-123;
E. K. Waterhouse, Paintings from Venice for Seventeenth Century England, in: Italien Studien, VII, 1952, S. 15, Nr. 35;
F. Valcanover, Mostra dei Vecellio, Bellune 1951, S. 72-73, Nr. 47; W. Suida, Das Steirmärkische Landesmuseum, Graz 1911, S. 365.

Die vorliegende Zeichnung dürfte in Zusammenhang mit einem der Gemälde Tizians zum Thema der “Anbetung der Könige” stehen, die der Künstler im Laufe seines Spätwerks, teilweise unter Werkstattbeteiligung in den Jahren 1559–1564 anfertigte. Die Komposition stimmt in vielen Details mit Tizians Gemälden der Anbetung aus jener Zeit überein, vor allem der zentrale Bildaufbau und die Anordnung der Personen um die hl. Familie welche die Gaben der drei Könige empfängt, wurden vom Künstler in leichter Abwandlung in mehreren Versionen verwendet. Prof. Moretto Wiel, Prof. Pedrocco und Prof. Ruggeri heben vor allem die Ähnlichkeit mit dem ehemals Tizian zugeschriebenen Gemälde der Anbetung der Könige im Kunsthistorischen Museum (Inv. GG_98, Ferino-Pagden 1991, Taf. 49) hervor, bei dem es sich jedoch nur um eine Kopie eines Werkstattmitgliedes nach einem verschollenen Original Tizians handeln dürfte. Das Gemälde Tizians ist auch durch einen Kupferstich von David Teniers überliefert, den der Künstler als Teil seines “Theatrum Pictorium” um 1660 (Hollstein 46) gemeinsam mit anderen Stichen nach den italienischen Gemälden aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms veröffentlichte. Zuvor hatte sich das Gemälde im Besitz des venezianischen Sammlers Bartolomeo della Nave (Venedig, vor 1638; Waterhous 1952, S. 15, Nr. 358) und 1638–1649 in der Sammlung Hamilton befunden und wurde während der napoleonischen Kriege 1809 nach Paris transferiert, bis es 1815 wieder nach Wien zurückkehrte (Engerth 1884, S. 344, Nr. 492). Eine weitere Version des Gemäldes, das in Zusammenhang mit dem Bild aus der Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelms stehen dürfte und heute dem Umkreis Tizians gegeben wird, befindet sich im Landesmuseum Graz (Suida 1911, S., 365).

Allen genannten Versionen gemeinsam ist der ikonographische Bildaufbau der Komposition sowie die Anordnung der Personen um die hl. Familie und die drei Könige, wie sie auch in den vier großformatigen horizontalen Gemälden der Anbetung der Könige von Tizian, teilweise mit Werkstattbeteiligung, aus den Jahren 1559–1564 zu finden sind. Die früheste Version davon dürfte 1559 für Philipp II. von Spanien entstanden sein (Gentili 2012, S. 319–320). Es wird traditionell mit jenem “quadro grande de los tres Reyes Magos” (großen Bild mit den hll. drei Königen) gleichgesetzt, das Garcia Hernández nach eigenem Bekunden in einem Brief vom 11. Oktober an Philipp II. 1559 in der Werkstatt Tizians gesehen hatte (Mancini 1998, S. 258, Nr. 136).

Das am 2. April 1561 in einem Brief des Malers an den König als “Könige aus dem Morgenland” bezeichnete Gemälde wurde 1574 zusammen mit “Diana und Kallisto” und “Diana und Aktäon” (beide in Edinburgh) sowie der “Grablegung” im Prado in den Escorial geschickt, wo es bis 1963 auf dem Seitenaltar der “Iglesia Vieja” seinen Platz hatte (Pedrocco 2000, Kat. 252, S. 208). Das Werk wird in der Literatur weitgehend als Original von Tizian anerkannt (Wethey 1969, Valcanover 1999, Hope 1980), dennoch bleibt es schwer zu beurteilen, da einige Details im mittleren Bereich des Bildes in der Vergangenheit durch einen Brand sowie ungeschickte Restaurierungen verloren gegangen sein.
Diese “Anbetung der Könige” wird jedoch zu Recht zu den dokumentierten Werken Tizians aus der späteren Schaffensperiode des Künstlers gezählt (Pedrocco 2000, S. 252). Drei weitere Versionen der horizontalen Komposition befinden sich im Museo del Prado, Madrid (um 1561), der Biblioteca Ambrosiana, Mailand (um 1556–1561) sowie dem Cleveland Museum of Art, Ohio (Mr. and Mrs. William H. Mallart Fund). Das große Gemälde in der Ambrosiana weist laut Pedrocco unter den themengleichen Werken die geringste Werkstattbeteiligung auf (Pedrocco 2000, S. 263, Kat. 222).
Laut Überlieferung soll Kardinal Ippolito II d’Este 1556 während seines Venedigaufenthalts Tizian mit einer “Anbetung der Hll. Drei Könige” beauftragt haben, um sie dem französischen König Heinrich II. schenken zu können. Als aber drei Jahre später - inzwischen war der König gestorben - der spanische Botschafter das Gemälde in der Werkstatt Tizians sah, legte er ihm nahe, es lieber an Philipp II. zu schenken. Diesen Rat befolgte der Maler und vollendete erst 1564 eine zweite Version für den Kardinal (Pedrocco 2000, S. 263).

Abgesehen von den kompositorischen Ähnlichkeiten der Zeichnung mit Tizians Gemälden der “Anbetung der Könige” in Mailand, dem Escorial und Madrid, weist die vorliegende Studie einige stilistische Ähnlichkeiten mit den Zeichnungen aus Tizians Spätwerk auf, die laut Prof. Moretto Wiel, Prof. Pedrocco und Prof. Ruggeri eine Zuschreibung an den Künstler ermöglichen würden. Prof. Moretto Wiel erwähnt in diesem Zusammenhang eine Detailstudie zu einer knienden Figur zu Tizians Gemälde “Pfingsten” (Moretto Wiel 1989, S. 92, Nr. 27) sowie eine Studie zum betenden Christus im Prado (Moretto Wiel 2007, S. 380, Nr. 58), in denen ein ähnlicher Zeichenduktus sowie die Auflösung der plastischen Formen zu beobachten ist. Hervorzuheben sind weiters eine querformatige Studie zur “Anbetung der Hirten” sowie eine Studie zum Engel der “Verkündigung” in den Uffizien (Inv. 12903 F, Inv. 12910 F), die denselben expressiven Zeichenduktus sowie die charakteristische Linienführung mit den gebrochenen Konturen und die Betonung der Lichteffekte aufweisen. Laut Prof. Aikema steht der enge Zusammenhang der vorliegenden Zeichnung mit den Gemälden Tizians außer Zweifel. Er hält jedoch eine Zuschreibung an die Werkstatt Tizians für wahrscheinlicher und meint, die Studie könnte als Vorlage für eine Variante nach einer “Anbetung der Könige” Tizians entstanden sein. Die vorliegende Zeichnung stellt in jedem Fall eine wichtige Entdeckung für die Neubewertung des zeichnerischen Spätwerks von Tizian zwischen 1559–1564 und der Rolle der Zeichnung in seiner Werkstatt dar.

Wir danken Prof. Bernard Jan Hendrik Aikema, Prof. Maria Agnese Chiara Moretto Wiel, Prof. Filippo Pedrocco, Prof. Ugo Ruggeri sowie Prof. Michiaki Koshikwa für die wissenschaftliche Unterstützung in der Zuschreibung und der Katalogisierung der vorliegenden Zeichnung.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle, Miniaturen
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 04.04.2017 - 15:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.03. - 04.04.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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