Lot Nr. 87


Domenico Gargiulo, gen. Micco Spadaro


Domenico Gargiulo, gen. Micco Spadaro - Alte Meister I

(Neapel 1610–1675)
Der bethlehemitische Kindermord,
undeutlich monogrammiert Mitte rechts,
Öl auf Leinwand, 138 x 257 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Giuseppe Vianello Moro (1873–1948), erworben Anfang des 20. Jahrhunderts;
Weitergabe im Erbgang;
europäische Privatsammlung

Wir danken Nicola Spinosa, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat.

Domenico Gargiulo wird unter dem Pseudonym Micco Spadaro geführt, da er der Sohn eines Schwertschmieds (spadaio) und Klingenmachers war.

Im Museo di Capodimonte in Neapel findet eine weitere Darstellung des bethlehemitischen Kindermords von Micco Spadaro (Kat.-Nr. 00626142, 168 x 235 cm). Das vorliegende Werk siedelt die dramatische Episode ähnlich wie das Gemälde in Neapel in einem weiten Tal an, zeichnet sich allerdings durch eine größere Anzahl von Figuren aus. Ein weiterer Unterschied liegt in den monumentalen Bauten, die als Kulisse für die rechts von felsigen Hügeln und antiken Ruinen begrenzte Darstellung des Massakers dienen.

Wie bei anderen seiner Kompositionen könnte Micco Spadaro auch im Fall des vorliegenden Gemäldes bei der Darstellung der antiken römischen Monumente von dem Quadraturmaler Viviano Codazzi unterstützt worden sein. Für diese architektonischen Elemente findet sich in der Capodimonte-Version keine Entsprechung. Die im Vergleich zu dem Gemälde in Neapel größere Pracht und Vielfalt der ikonografischen und kompositorischen Lösungen dieses Werks legen eine Datierung um 1650 nahe. Das waren die Jahre der vollen Reife des Künstlers, die sich durch die Verwendung warmer und leuchtender macchie (Farbschichten) auszeichnet, welche den Einfluss der Werke von Benedetto Castiglione, genannt Il Grechetto, und Nicholas Poussin verrät.

Die spektakuläre Wirkung der dicht gedrängten Szene, die sich unter einem wolkenverhangenen Mittelmeerhimmel entfaltet, wird durch weitere antike Objekte wie das Paar Löwenskulpturen am Eingang zum Palast des Herodes, den Obelisken in der Mitte der Komposition, das skulpturale Fragment vor dem monumentalen Kuppelbau sowie die große Statue des Herkules Farnese im Schatten links verstärkt.

Eine dritte Version des bethlehemitischen Kindermords in einer Madrider Privatsammlung (160 x 190 cm; siehe G. Sestieri, B. Daprà, Domenico Gargiulo detto Micco Spadaro. Paesaggista e „cronista“ napoletano, Mailand/Rom 1994, S. 184, Nr. 73) ist der Capodimonte-Fassung näher als das hier zur Diskussion stehende Gemälde. Es lässt sich nicht feststellen, ob eine dieser drei Versionen mit dem dasselbe Thema darstellenden Gemälde identisch ist, das der Biograf Bernardo de Dominici Mitte des 18. Jahrhunderts als im Inventar der Besitzungen des spanischen Regenten Stefano Carriglio erfasst anführt (siehe Vite de’ pittori, scultori ed architetti napoletani (1742‒1745), III, Neapel 1844, S. 405).

Im Matthäus-Evangelium (2,1‒16) spielt sich das dramatische Massaker im Hof des Palasts von König Herodes ab, der den Mord an den unschuldigen Kindern von seinem Thron aus ungerührt beobachtet. Im Fall des vorliegenden Gemäldes zog es der neapolitanische Maler hingegen vor, die Szene in einer Landschaft vor dem königlichen Palast anzusiedeln, der sich links auf der Leinwand befindet. In seiner ebenso fließenden wie stürmischen Komposition, die den Blick des Betrachters in ein Netz ständiger Richtungswechsel verstrickt, offenbart der Künstler seine Neigung, sich der neuen Sprache der Barockmalerei zu öffnen, indem er sich für ausgesprochen theatralische Lösungen entscheidet und sich dank der kühnen Dynamik der Figuren und des intensiv und hell aufblitzenden Lichts der dramatischen Wirkung des Geschehens zu versichern vermag.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2021 - 16:00

Schätzwert:
EUR 120.000,- bis EUR 180.000,-

Domenico Gargiulo, gen. Micco Spadaro


(Neapel 1610–1675)
Der bethlehemitische Kindermord,
undeutlich monogrammiert Mitte rechts,
Öl auf Leinwand, 138 x 257 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Giuseppe Vianello Moro (1873–1948), erworben Anfang des 20. Jahrhunderts;
Weitergabe im Erbgang;
europäische Privatsammlung

Wir danken Nicola Spinosa, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat.

Domenico Gargiulo wird unter dem Pseudonym Micco Spadaro geführt, da er der Sohn eines Schwertschmieds (spadaio) und Klingenmachers war.

Im Museo di Capodimonte in Neapel findet eine weitere Darstellung des bethlehemitischen Kindermords von Micco Spadaro (Kat.-Nr. 00626142, 168 x 235 cm). Das vorliegende Werk siedelt die dramatische Episode ähnlich wie das Gemälde in Neapel in einem weiten Tal an, zeichnet sich allerdings durch eine größere Anzahl von Figuren aus. Ein weiterer Unterschied liegt in den monumentalen Bauten, die als Kulisse für die rechts von felsigen Hügeln und antiken Ruinen begrenzte Darstellung des Massakers dienen.

Wie bei anderen seiner Kompositionen könnte Micco Spadaro auch im Fall des vorliegenden Gemäldes bei der Darstellung der antiken römischen Monumente von dem Quadraturmaler Viviano Codazzi unterstützt worden sein. Für diese architektonischen Elemente findet sich in der Capodimonte-Version keine Entsprechung. Die im Vergleich zu dem Gemälde in Neapel größere Pracht und Vielfalt der ikonografischen und kompositorischen Lösungen dieses Werks legen eine Datierung um 1650 nahe. Das waren die Jahre der vollen Reife des Künstlers, die sich durch die Verwendung warmer und leuchtender macchie (Farbschichten) auszeichnet, welche den Einfluss der Werke von Benedetto Castiglione, genannt Il Grechetto, und Nicholas Poussin verrät.

Die spektakuläre Wirkung der dicht gedrängten Szene, die sich unter einem wolkenverhangenen Mittelmeerhimmel entfaltet, wird durch weitere antike Objekte wie das Paar Löwenskulpturen am Eingang zum Palast des Herodes, den Obelisken in der Mitte der Komposition, das skulpturale Fragment vor dem monumentalen Kuppelbau sowie die große Statue des Herkules Farnese im Schatten links verstärkt.

Eine dritte Version des bethlehemitischen Kindermords in einer Madrider Privatsammlung (160 x 190 cm; siehe G. Sestieri, B. Daprà, Domenico Gargiulo detto Micco Spadaro. Paesaggista e „cronista“ napoletano, Mailand/Rom 1994, S. 184, Nr. 73) ist der Capodimonte-Fassung näher als das hier zur Diskussion stehende Gemälde. Es lässt sich nicht feststellen, ob eine dieser drei Versionen mit dem dasselbe Thema darstellenden Gemälde identisch ist, das der Biograf Bernardo de Dominici Mitte des 18. Jahrhunderts als im Inventar der Besitzungen des spanischen Regenten Stefano Carriglio erfasst anführt (siehe Vite de’ pittori, scultori ed architetti napoletani (1742‒1745), III, Neapel 1844, S. 405).

Im Matthäus-Evangelium (2,1‒16) spielt sich das dramatische Massaker im Hof des Palasts von König Herodes ab, der den Mord an den unschuldigen Kindern von seinem Thron aus ungerührt beobachtet. Im Fall des vorliegenden Gemäldes zog es der neapolitanische Maler hingegen vor, die Szene in einer Landschaft vor dem königlichen Palast anzusiedeln, der sich links auf der Leinwand befindet. In seiner ebenso fließenden wie stürmischen Komposition, die den Blick des Betrachters in ein Netz ständiger Richtungswechsel verstrickt, offenbart der Künstler seine Neigung, sich der neuen Sprache der Barockmalerei zu öffnen, indem er sich für ausgesprochen theatralische Lösungen entscheidet und sich dank der kühnen Dynamik der Figuren und des intensiv und hell aufblitzenden Lichts der dramatischen Wirkung des Geschehens zu versichern vermag.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 10.11.2021

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