(1598-1680) Engel mit der Dornenkrone, rote Kreide auf Bütten, 22 - 26,5 cm x 7,5 - 14 cm, gebräunt, fleckig, ohne Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Privatbesitz, Österreich.
Gutachten von Prof. Francesco Petrucci (November 2021), in Kopie vorhanden.

Die vorliegende, bisher unveröffentlichte Zeichnung ist in Vorbereitung für die Figur des „Engels mit der Dornenkrone“ entstanden, die Gian Lorenzo Bernini zwischen 1667-1669 im Auftrag von Papst Clemens IX als Teil einer Folge von zehn Skulpturen für die Ponte Sant’Angelo in Rom schuf. Die Skulptur befindet sich heute in der Kirche Sant’ Andrea delle Fratte in Rom und wurde durch eine Replik seines Schülers Paolo Naldini (1619-1691) ersetzt. Von Bernini stammen neben dem „Engel mit der Dornenkrone“ auch der „Engel mit dem Kreuztitel“, der ebenfalls durch eine Kopie ersetzt und nach Sant‘ Andrea delle Fratte transferiert wurde. Die anderen acht Skulpturen wurden von Schülern Berninis geschaffen und stammen von Paolo Naldini, Cosimo Fancelli, Ercole Ferrata, Antonio Giorgetti, Girolamo Lucenti, Domenico Giudi, Antonio Raggi und Lazzaro Morelli.

Es sind zahlreiche eigenhändige Bozzetti Berninis in Terracotta bekannt, welche die komplexe Vorbereitung des gesamten Skulpturenprojekts belegen. Für die Figur des „Engels mit der Dornenkrone“ sind insgesamt fünf Bozzetti erhalten: zwei davon befinden sich im Fogg Art Museum in Cambridge, Massachussets (Inv. Nr. 1937.57, Inv. Nr. 1937.58), einer im Musée du Louvre, Paris (Inv. Nr. R.F. 2312), einer im Kimbell Art Museum, Fort Worth (Inv. Nr. AP 1987.02b) und ein weiterer im Eremitage-Museum, St. Petersburg (Inv. Nr. 628). Daneben sind einige Vorzeichnungen Berninis mit Engelsfiguren bekannt, davon zwei für die Figur des „Engels mit der Dornenkrone“, die sich im Museum der Bildenden Künste, Leipzig (Feder in Braun, 11,6 x 7,5 cm, Inv. Nr. 7867) sowie im Staatlichen Kupferstichkabinett, Berlin befinden. Daneben gibt es eine Gruppe von Zeichnungen zu den anderen Skulpturen in der Galleria Pallavicini, Rom, die der Werkstatt Berninis zugeschrieben sind (vgl. M. Fagiolo dell‘ Arco, Berniniana. Novità sul regista del Barocco, Mailand 2001, S. 63, fig. 32-34).

Die vorliegende Zeichnung dürfte zeitlich nach der Studie in Leipzig entstanden sein und zeigt den Engel in vergleichbarer Pose mit dem linken Bein leicht abgewinkelt im Kontrapost, während der Entwurf in Berlin das rechte Bein leicht gebeugt zeigt, wie es auch in der Skulptur umgesetzt wurde. Die Zeichnung hat zudem große Ähnlichkeiten mit einem der beiden Bozzetti im Fogg Art Museum, Massachusetts (Inv. Nr. 1937.58) sowie dem Bozzetto im Musée du Louvre, Paris. Vergleicht man die bekannten Vorzeichnungen und Bozzetti, so dürfte die vorliegende Zeichnung im Zuge der Vorbereitungen der Skulptur von einem Mitarbeiter in Berninis Werkstatt ausgeführt worden sein. Stilistisch wirken die Proportionen und Umrisse der Figur jedoch vergleichsweise mechanisch, sodass eine Zuschreibung an einen engen Mitarbeiter Berninis wie Paolo Naldini, Giulio Cartari oder Paolo Valentino unwahrscheinlich ist.