Lot Nr. 11


Pietro di Cristoforo Vannucci, gen. Perugino, Werkstatt


Pietro di Cristoforo Vannucci, gen. Perugino, Werkstatt - Alte Meister I

(Città della Pieve um 1448–1523 Fontignano)
Thronende Madonna mit Kind und den Heiligen Sebastian, Johannes dem Täufer, Rochus und Petrus,
Öl auf Leinwand, von einer Holztafel übertragen, 205,5 x 205 cm, gerahmt

Provenienz:
soll in der Residenz der Kardinäle von Lucca gehangen haben;
Baron Alberto Blanc (1835–1904), französischer Botschafter in Rom;
Edward Cheney (1803–1884), Badger Hall, Shropshire, England;
vermutlich Herzöge von Savoyen, Château de Chambéry, Frankreich;
Galerie Sedelmeyer, Paris;
Kunsthandel Eugène Fischoff, Paris, bis 1909;
Mary Frick Jacobs (1851–1936), Baltimore, bis 1938;
vermacht an das Baltimore Museum of Art;
Auktion, Christie’s, New York, 9. Oktober 1991, Lot 199 (als „Werkstatt des Pietro Vannucci, il Perugino“);
europäische Privatsammlung

Literatur:
W. Bombe, Perugino. Des Meisters Gemälde in 249 Abbildungen, Stuttgart/Berlin 1914, Abb. S. 205, S. 254 (unter „fragliche und falsch zugeschriebene Bilder“);
U. Gnoli, Pietro Perugino, Spoleto 1923, S. 46 (als Giannicola di Paolo);
U. Gnoli, Pittori e miniatori nell’Umbria, Foligno 1923, S. 139 (als Giannicola di Paolo);
L. Venturi, Pitture Italiane in America, Mailand 1931, o. S., Tafel 251 (als „Perugino und Mitarbeiter“);
F. Canuti, Il Perugino, Siena 1931, Bd. II, S. 353 (unter „fragliche Zuschreibungen oder Schule“; „vermutlich Giannicola di Paolo“);
R. van Marle, The Development of the Italian Schools of Painting, Den Haag 1933, S. 430 (als Giannicola di Paolo);
E. Camesasca, Tutta la pittura del Perugino, Mailand 1959, S. 154f., Tafel 231 (als „sehr wenige Spuren von der Hand des Meisters“);
B. Berenson, Italian Pictures of the Renaissance. A list of the principal artists and their works with and index of places. Central Italian and North Italian Schools, New York 1968, Bd. I, S. 325 (als „Perugino und Werkstatt“);
C. Castellaneta, E. Camesasca, L’opera completa del Perugino, Mailand 1969, Nr. 223 (unter „weitere zugeschriebene Gemälde“);
K. Oberhuber, The Colonna Altarpiece in the Metropolitan Museum and Problems of the Early Style of Raphael, in: Metropolitan Museum Journal, 12, 1978, S. 69, Anm. 40 (als „Perugino oder Umkreis“);
A. Derbes, in: G. Rosenthal (Hg.), Italian Paintings XIV–XVIII Centuries from the Collection of The Baltimore Museum of Art, 1981, S. 323–325, Nr. A3 (unter „Anhang unbestätigter Gemälde“ als „vermutlich eine Kopie nach einem verlorenen Original Peruginos oder dessen Werkstatt oder von einem Nachfolger Peruginos des späten 15. oder frühen 16. Jahrhunderts);
P. Scarpellini, Perugino, Mailand 1984, Nr. 139, Abb. 230 (als „Perugino und Mitarbeiter, vermutlich Giannicola di Paolo“);
P. Scarpellini, Perugino, Mailand 1991, S. 112, Nr. 139, S. 261, Abb. 230 (als „Perugino und Mitarbeiter, vermutlich Giannicola di Paolo“);
J. Antenucci Becherer (Hg.), Pietro Perugino. Master of the Italian Renaissance, Ausstellungskatalog, Michigan/New York 1997, S. 76, 116, Kat.-Nr. 1 (als „unbekannte Nachfolger Peruginos“)

Perugino, einer der berühmtesten Künstler seiner Zeit, machte die traditionelle italienische Werkstatt zu einem durchorganisierten Kunstbetrieb für die groß angelegte Produktion individuell beauftragter Gemälde. Vasari berichtet: „Pietro machte viele zum Meister in seiner Manier […], die damals so gefiel, dass man zahlreich aus Frankreich, aus Spanien, aus Deutschland und anderen Ländern kam, um sie zu erlernen“ (siehe G. Vasari, Lives of the Painters, Sculptors and Architects, Bd. I, London 1996, S. 595, 597). Aufstrebende Künstler fühlten sich nicht nur von seinen höchst angesehenen künstlerischen Leistungen angezogen, sondern auch aufgrund des außergewöhnlichen kommerziellen Erfolges seiner Arbeiten.

Unter den Entwürfen, aus denen Peruginos Auftraggeber wählen konnten, nahm die Madonna mit Kind und Heiligen eine besonders wichtige Stellung ein. Der umbrische Meister hatte einen Prototyp entwickelt, der enormen Einfluss haben sollte: die Madonna auf einem Thron sitzend, der wiederum auf einem Podest platziert war, beidseitig flankiert von ganzfigurigen Heiligen und mit einem Landschaftshintergrund.

Der Schöpfer des vorliegenden Gemäldes hat sich Peruginos Bildsprache, insbesondere die für die 1490er Jahre typischen Stilmerkmale, ausgiebig und wie selbstverständlich angeeignet: nicht nur die Gesamtkomposition, sondern auch Charakteristika wie Faltenwürfe und Physiognomie,etwa die entgegengesetzt ausgerichteten Blicke von Madonna und Kind, die Darstellung nur eines einzelnen Fußes der Madonna oder die Gestaltung der Gewänder der Heiligen nach einer bestimmten Formel: Der Stoff fällt in Schlaufen von der Körpermitte herab, legt sich um den Oberschenkel und bricht dann gleich unter dem Knie zu U-förmigen Falten auf. Auch der quadratische Ausschnitt der Madonna, der durch einen durchscheinenden Schleier und die feinen Goldstickereien des Mieders abgemildert wird, erinnert an Peruginos Werke der damaligen Zeit.

Ein Schüler und Mitarbeiter Peruginos, der als möglicher Schöpfer des vorliegenden Gemäldes vorgeschlagen wurde, ist Giannicola di Paolo, dessen Persönlichkeit als Maler sich ausbildete, während er noch bei Perugino in die Lehre ging. Wie bei anderen Giannicola zugeschriebenen Werken weisen die Figuren eine breite, gerundete Stirn, eine bräunliche Linie zwischen den Lippen und gräuliche Konturen zwischen den Fingern auf. Die Frage der definitiven Zuschreibung dieses Altarbildes muss derzeit jedoch noch offen bleiben.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 165.500,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Pietro di Cristoforo Vannucci, gen. Perugino, Werkstatt


(Città della Pieve um 1448–1523 Fontignano)
Thronende Madonna mit Kind und den Heiligen Sebastian, Johannes dem Täufer, Rochus und Petrus,
Öl auf Leinwand, von einer Holztafel übertragen, 205,5 x 205 cm, gerahmt

Provenienz:
soll in der Residenz der Kardinäle von Lucca gehangen haben;
Baron Alberto Blanc (1835–1904), französischer Botschafter in Rom;
Edward Cheney (1803–1884), Badger Hall, Shropshire, England;
vermutlich Herzöge von Savoyen, Château de Chambéry, Frankreich;
Galerie Sedelmeyer, Paris;
Kunsthandel Eugène Fischoff, Paris, bis 1909;
Mary Frick Jacobs (1851–1936), Baltimore, bis 1938;
vermacht an das Baltimore Museum of Art;
Auktion, Christie’s, New York, 9. Oktober 1991, Lot 199 (als „Werkstatt des Pietro Vannucci, il Perugino“);
europäische Privatsammlung

Literatur:
W. Bombe, Perugino. Des Meisters Gemälde in 249 Abbildungen, Stuttgart/Berlin 1914, Abb. S. 205, S. 254 (unter „fragliche und falsch zugeschriebene Bilder“);
U. Gnoli, Pietro Perugino, Spoleto 1923, S. 46 (als Giannicola di Paolo);
U. Gnoli, Pittori e miniatori nell’Umbria, Foligno 1923, S. 139 (als Giannicola di Paolo);
L. Venturi, Pitture Italiane in America, Mailand 1931, o. S., Tafel 251 (als „Perugino und Mitarbeiter“);
F. Canuti, Il Perugino, Siena 1931, Bd. II, S. 353 (unter „fragliche Zuschreibungen oder Schule“; „vermutlich Giannicola di Paolo“);
R. van Marle, The Development of the Italian Schools of Painting, Den Haag 1933, S. 430 (als Giannicola di Paolo);
E. Camesasca, Tutta la pittura del Perugino, Mailand 1959, S. 154f., Tafel 231 (als „sehr wenige Spuren von der Hand des Meisters“);
B. Berenson, Italian Pictures of the Renaissance. A list of the principal artists and their works with and index of places. Central Italian and North Italian Schools, New York 1968, Bd. I, S. 325 (als „Perugino und Werkstatt“);
C. Castellaneta, E. Camesasca, L’opera completa del Perugino, Mailand 1969, Nr. 223 (unter „weitere zugeschriebene Gemälde“);
K. Oberhuber, The Colonna Altarpiece in the Metropolitan Museum and Problems of the Early Style of Raphael, in: Metropolitan Museum Journal, 12, 1978, S. 69, Anm. 40 (als „Perugino oder Umkreis“);
A. Derbes, in: G. Rosenthal (Hg.), Italian Paintings XIV–XVIII Centuries from the Collection of The Baltimore Museum of Art, 1981, S. 323–325, Nr. A3 (unter „Anhang unbestätigter Gemälde“ als „vermutlich eine Kopie nach einem verlorenen Original Peruginos oder dessen Werkstatt oder von einem Nachfolger Peruginos des späten 15. oder frühen 16. Jahrhunderts);
P. Scarpellini, Perugino, Mailand 1984, Nr. 139, Abb. 230 (als „Perugino und Mitarbeiter, vermutlich Giannicola di Paolo“);
P. Scarpellini, Perugino, Mailand 1991, S. 112, Nr. 139, S. 261, Abb. 230 (als „Perugino und Mitarbeiter, vermutlich Giannicola di Paolo“);
J. Antenucci Becherer (Hg.), Pietro Perugino. Master of the Italian Renaissance, Ausstellungskatalog, Michigan/New York 1997, S. 76, 116, Kat.-Nr. 1 (als „unbekannte Nachfolger Peruginos“)

Perugino, einer der berühmtesten Künstler seiner Zeit, machte die traditionelle italienische Werkstatt zu einem durchorganisierten Kunstbetrieb für die groß angelegte Produktion individuell beauftragter Gemälde. Vasari berichtet: „Pietro machte viele zum Meister in seiner Manier […], die damals so gefiel, dass man zahlreich aus Frankreich, aus Spanien, aus Deutschland und anderen Ländern kam, um sie zu erlernen“ (siehe G. Vasari, Lives of the Painters, Sculptors and Architects, Bd. I, London 1996, S. 595, 597). Aufstrebende Künstler fühlten sich nicht nur von seinen höchst angesehenen künstlerischen Leistungen angezogen, sondern auch aufgrund des außergewöhnlichen kommerziellen Erfolges seiner Arbeiten.

Unter den Entwürfen, aus denen Peruginos Auftraggeber wählen konnten, nahm die Madonna mit Kind und Heiligen eine besonders wichtige Stellung ein. Der umbrische Meister hatte einen Prototyp entwickelt, der enormen Einfluss haben sollte: die Madonna auf einem Thron sitzend, der wiederum auf einem Podest platziert war, beidseitig flankiert von ganzfigurigen Heiligen und mit einem Landschaftshintergrund.

Der Schöpfer des vorliegenden Gemäldes hat sich Peruginos Bildsprache, insbesondere die für die 1490er Jahre typischen Stilmerkmale, ausgiebig und wie selbstverständlich angeeignet: nicht nur die Gesamtkomposition, sondern auch Charakteristika wie Faltenwürfe und Physiognomie,etwa die entgegengesetzt ausgerichteten Blicke von Madonna und Kind, die Darstellung nur eines einzelnen Fußes der Madonna oder die Gestaltung der Gewänder der Heiligen nach einer bestimmten Formel: Der Stoff fällt in Schlaufen von der Körpermitte herab, legt sich um den Oberschenkel und bricht dann gleich unter dem Knie zu U-förmigen Falten auf. Auch der quadratische Ausschnitt der Madonna, der durch einen durchscheinenden Schleier und die feinen Goldstickereien des Mieders abgemildert wird, erinnert an Peruginos Werke der damaligen Zeit.

Ein Schüler und Mitarbeiter Peruginos, der als möglicher Schöpfer des vorliegenden Gemäldes vorgeschlagen wurde, ist Giannicola di Paolo, dessen Persönlichkeit als Maler sich ausbildete, während er noch bei Perugino in die Lehre ging. Wie bei anderen Giannicola zugeschriebenen Werken weisen die Figuren eine breite, gerundete Stirn, eine bräunliche Linie zwischen den Lippen und gräuliche Konturen zwischen den Fingern auf. Die Frage der definitiven Zuschreibung dieses Altarbildes muss derzeit jedoch noch offen bleiben.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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