Lot Nr. 74 -


Flämische Schule, 17. Jahrhundert


Flämische Schule, 17. Jahrhundert - Alte Meister I

Anbetung der Hirten in einer Winterlandschaft,
Öl auf Holz, rückseitig das Zeichen des Tafelmachers Michiel Vriendt (in Verwendung 1615–1638), 41,5 x 54,5 cm, gerahmt

Von der vorliegenden Komposition, die sich bei Auftraggebern im 17. Jahrhundert offensichtlich großer Beliebtheit erfreute, sind mehrere Fassungen bekannt. Manche sind auf Kupfer gemalt, zwei andere, darunter die vorliegende, auf Holz. KunsthistorikerInnen sind sich über den Ursprung der Komposition und eine überzeugende Zuschreibung noch nicht schlüssig geworden.

Einige Exemplare hat man in der Vergangenheit Cornelis de Baellieur (1607–1671), andere Ambrosius Francken dem Jüngeren (1581–1642) zugeschrieben. Das Zeichen des Tafelmachers Michiel Vriendt auf der Rückseite der Tafel erlaubt eine relativ präzise Datierung zwischen 1615 und 1638. Eine vergleichbare Fassung wurde 2006 in Frankreich verkauft (Auktion, Versailles Enchères, Versailles, 22. Januar 2006, Lot 45, um
Angesichts der regen Werkstattzusammenarbeit im Antwerpen des 17. Jahrhunderts und der Neuauflage beliebter Bildideen verwundert es kaum, dass eine durch und durch flämische Szene wie die vorliegende von mehreren führenden Werkstätten der Stadt mehrmals aufgegriffen wurde. Tatsächlich weisen einige der Figuren sogar auf eine Beteiligung Jan Brueghels des Jüngeren.

Die von europäischen Malern der Spätrenaissance und des Frühbarocks am häufigsten behandelten Themen waren der Religion und der klassischen Antike entnommen. Die Gebäude dieser Gemälde entsprachen meist prächtigen Bauwerken, etwa bestimmen Palästen oder Rathäusern. Kleine Bauernhöfe und strohgedeckte Häuser wurden eher nicht dargestellt, zumal diese Behausungen auf das beschwerliche Leben auf dem Land verwiesen. In den Niederlanden und vor allem in Flandern unterschieden sich die Bildkulissen jedoch in dieser Hinsicht. Flämische Künstler bezogen ihr tägliches Umfeld in ihre Bilder mit ein. Sie malten nicht nur für reiche und wichtige Herrschaften, sondern auch für die Namenlosen – Bauern, Landarbeiter und deren Wohnstätten und Dörfer. Wie das vorliegende Gemälde waren diese Werke oft mit großer Detailfreude umgesetzt und verlangten vom Betrachter, dass er sich die Zeit nahm, sich mit allen Teilen und Bedeutungen der Komposition zu beschäftigen. Die vorliegende Anbetung zeigt, wie die Hirten dem neugeborenen Jesuskind in einem flämischen Dorf huldigen. Eine Schlüsselepisode der Bibel wird hier brillant mit der zeitgenössischen Realität eines flämischen Winters verwoben.

Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert hinein erlebten nördliche Regionen die sogenannte Kleine Eiszeit. Es herrschten zu dieser Zeit längere Perioden von Eis und Schnee, die folgenschwere Verknappungen bei der Nahrungsmittelproduktion nach sich zogen und Hungersnot und Tod mit sich brachten. Der Winter spielte im flämischen Lebensalltag eine wichtige Rolle, wie die Beliebtheit von Winterszenen in der niederländischen und vor allem flämischen Malerei bezeugt. Bezieht man diesen Kontext mit ein, ist das vorliegende Gemälde mehr als bloß die Darstellung eines biblischen Themas. So kann die ältere Gestalt auf einem Maultier, die sich der Szene in Begleitung einiger Dorfbewohner von links nähert und große Ähnlichkeit mit dem bekannten Stich des „Hyems“ (Winters) von Hendrick Goltzius aufweist, als Personifikation des Winters gelesen werden. Es handelt sich bei dem vorliegenden Gemälde daher nicht ausschließlich um ein religiöses Werk, sondern in einem erweiterten Sinn vielmehr um eine Allegorie des Winters.

Die Bühne der Anbetung ist an sich im Grunde ein klassisch flämisches Motiv. Das strohgedeckte Dach und das ärmliche Gebäude des Stalls treten in vielen Umsetzungen des Bildthemas der Künstlerfamilie Brueghel prominent in Erscheinung. Zudem gehen einige Merkmale letztlich auf die Darstellung des Sujets der Mitteltafel von Boschs Bronkhorst-Bosschuyse-Triptychon von 1495–1499 im Prado in Madrid zurück, das in Flandern womöglich durch spätere Kopie bekannt war.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 30.662,-
Schätzwert:
EUR 30.000,- bis EUR 40.000,-

Flämische Schule, 17. Jahrhundert


Anbetung der Hirten in einer Winterlandschaft,
Öl auf Holz, rückseitig das Zeichen des Tafelmachers Michiel Vriendt (in Verwendung 1615–1638), 41,5 x 54,5 cm, gerahmt

Von der vorliegenden Komposition, die sich bei Auftraggebern im 17. Jahrhundert offensichtlich großer Beliebtheit erfreute, sind mehrere Fassungen bekannt. Manche sind auf Kupfer gemalt, zwei andere, darunter die vorliegende, auf Holz. KunsthistorikerInnen sind sich über den Ursprung der Komposition und eine überzeugende Zuschreibung noch nicht schlüssig geworden.

Einige Exemplare hat man in der Vergangenheit Cornelis de Baellieur (1607–1671), andere Ambrosius Francken dem Jüngeren (1581–1642) zugeschrieben. Das Zeichen des Tafelmachers Michiel Vriendt auf der Rückseite der Tafel erlaubt eine relativ präzise Datierung zwischen 1615 und 1638. Eine vergleichbare Fassung wurde 2006 in Frankreich verkauft (Auktion, Versailles Enchères, Versailles, 22. Januar 2006, Lot 45, um
Angesichts der regen Werkstattzusammenarbeit im Antwerpen des 17. Jahrhunderts und der Neuauflage beliebter Bildideen verwundert es kaum, dass eine durch und durch flämische Szene wie die vorliegende von mehreren führenden Werkstätten der Stadt mehrmals aufgegriffen wurde. Tatsächlich weisen einige der Figuren sogar auf eine Beteiligung Jan Brueghels des Jüngeren.

Die von europäischen Malern der Spätrenaissance und des Frühbarocks am häufigsten behandelten Themen waren der Religion und der klassischen Antike entnommen. Die Gebäude dieser Gemälde entsprachen meist prächtigen Bauwerken, etwa bestimmen Palästen oder Rathäusern. Kleine Bauernhöfe und strohgedeckte Häuser wurden eher nicht dargestellt, zumal diese Behausungen auf das beschwerliche Leben auf dem Land verwiesen. In den Niederlanden und vor allem in Flandern unterschieden sich die Bildkulissen jedoch in dieser Hinsicht. Flämische Künstler bezogen ihr tägliches Umfeld in ihre Bilder mit ein. Sie malten nicht nur für reiche und wichtige Herrschaften, sondern auch für die Namenlosen – Bauern, Landarbeiter und deren Wohnstätten und Dörfer. Wie das vorliegende Gemälde waren diese Werke oft mit großer Detailfreude umgesetzt und verlangten vom Betrachter, dass er sich die Zeit nahm, sich mit allen Teilen und Bedeutungen der Komposition zu beschäftigen. Die vorliegende Anbetung zeigt, wie die Hirten dem neugeborenen Jesuskind in einem flämischen Dorf huldigen. Eine Schlüsselepisode der Bibel wird hier brillant mit der zeitgenössischen Realität eines flämischen Winters verwoben.

Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert hinein erlebten nördliche Regionen die sogenannte Kleine Eiszeit. Es herrschten zu dieser Zeit längere Perioden von Eis und Schnee, die folgenschwere Verknappungen bei der Nahrungsmittelproduktion nach sich zogen und Hungersnot und Tod mit sich brachten. Der Winter spielte im flämischen Lebensalltag eine wichtige Rolle, wie die Beliebtheit von Winterszenen in der niederländischen und vor allem flämischen Malerei bezeugt. Bezieht man diesen Kontext mit ein, ist das vorliegende Gemälde mehr als bloß die Darstellung eines biblischen Themas. So kann die ältere Gestalt auf einem Maultier, die sich der Szene in Begleitung einiger Dorfbewohner von links nähert und große Ähnlichkeit mit dem bekannten Stich des „Hyems“ (Winters) von Hendrick Goltzius aufweist, als Personifikation des Winters gelesen werden. Es handelt sich bei dem vorliegenden Gemälde daher nicht ausschließlich um ein religiöses Werk, sondern in einem erweiterten Sinn vielmehr um eine Allegorie des Winters.

Die Bühne der Anbetung ist an sich im Grunde ein klassisch flämisches Motiv. Das strohgedeckte Dach und das ärmliche Gebäude des Stalls treten in vielen Umsetzungen des Bildthemas der Künstlerfamilie Brueghel prominent in Erscheinung. Zudem gehen einige Merkmale letztlich auf die Darstellung des Sujets der Mitteltafel von Boschs Bronkhorst-Bosschuyse-Triptychon von 1495–1499 im Prado in Madrid zurück, das in Flandern womöglich durch spätere Kopie bekannt war.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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