Lot Nr. 97


Alessandro Piazza


Alessandro Piazza - Alte Meister I

(Venedig 1652/1665–1727 Rom)
Die Battaglia dei Pugni auf der Brücke San Barnaba, Venedig,
Öl auf Leinwand, 89 x 129 cm, gerahmt

Wir danken Dario Succi, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat.

Die vorliegende unveröffentlichte Ansicht Venedigs, die in lebhafter Schilderung und mit schillernden Farben eines der größten jährlichen Ereignisse der Stadt zeigt, ist ein Gemälde von Alessandro Piazza.

Die vorliegende Komposition stellt den „Krieg der Fäuste“ zwischen den Castellani und den Nicoletti dar, welcher bis 1705 mehrere Male im Jahr auf verschiedenen Brücken der Stadt stattfand, von denen die bekannteste der Ponte di San Barnaba war. Die Rivalität zwischen den beiden Gruppen erinnert an die Konflikte zwischen Jesolo und Eraclea vor der Gründung Venedigs, als die Bevölkerung der beiden Orte Zuflucht in der Lagune suchte und sich dort niederließ. Die Castellani besiedelten die Bezirke (sestieri) San Marco und Dorsoduro, während sich die Nicoletti in San Paolo, Santa Croce und Canareggio niederließen. Die Konflikte setzten sich jahrhundertelang auf unterschiedliche Weise fort; die gewalttätigsten wurden auf den Brücken ausgetragen. Bei diesen Kämpfen schlugen sich die Venezianer um eine Brücke, bis deren Eigentum errungen war und Schilder, die auf den Sieger verwiesen, angebracht wurden. Am Tag des Kampfes kamen die beiden Mannschaften von einer Musikkapelle begleitet zur Brücke und stellten sich am jeweils gegenüberliegenden Ende der Brücke auf. Auf dem Kanal sammelten sich Boote, während andere Schaulustige aus den Fenstern oder von den Dächern ihrer Häuser blickten. Obwohl die Kämpfer nur Stöcke und Stangen verwendeten, stieg die Zahl der Verwundeten und Toten so an, dass sich der Stadtsenat 1574 gezwungen sah, alle Waffen aus den Kämpfen zu verbannen und nur noch den Faustkampf zu erlauben. Doch die Kämpfe hörten nicht auf, sehr gewalttätig zu sein, sodass 1705 die Stadtregierung nochmals und dieses Mal drastischer eingreifen musste: Jede Form des Zusammenrottens auf den Brücken war sodann verboten und wurde im Fall des Nichtbefolgens mit fünf Jahren Rudern mit angeketteten Beinen oder mit sieben Jahren in „Dunkelhaft“ bestraft.

Der auferlegte Bann im Jahr 1705 stellt einen Terminus ante quem bei der Datierung des vorliegenden Bildes von Piazza dar: Er erlaubt uns, die Ausführung des Bildes ganz am Anfang des 18. Jahrhunderts anzunehmen. Der Stil des Gemäldes bestätigt ebenfalls diese chronologische Einordnung.

Das vorliegende Gemälde bestätigt den Erfolg Alessandro Piazzas als offizieller Maler großer venezianischer Ereignisse. Succi vergleicht dieses Bild und sein Pendant (Lot 98) mit einem Paar großformatiger Gemälde Piazzas in einer Privatsammlung, welches dieselben Motive zeigt. Er stellt auch Vergleiche mit weiteren Werken an, die zu einer vierteiligen Serie des Künstlers mit u. a. den Karnevalsbräuchen des „Volo della Colombina“ auf der Piazzetta und der „Caccia al Toro“ auf dem Campo Santo Stefano gehören und wovon das letztere Bild auf der Fassade des Pfarrhauses datiert und signiert ist (siehe D. Succi, Luca Carlevarijs, Gorizia 2015, S. 45–47, Abb. 35, 36).

Piazza war zwischen 1691 und 1700 Mitglied der „Fraglia“, der Zunft der venezianischen Maler (siehe E. Favaro, L’Arte dei pittori in Venezia e I suoi statuti, Florenz 1975, S. 176). Während dieser Zeit arbeitete er beinahe ausschließlich an einer Serie von sieben Bildern (heute im Museo Correr in Venedig), von denen er eines, Die triumphale Rückkehr des Francesco Morosini nach Venedig, mit „Alessandro Piazza F“ signierte. Das Bild wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts für den Palazzo Morosini in Santo Stefano gemalt; die Serie illustriert das Schicksal des Francesco Morosini, der auch „Peloponnesiaco“ genannt wurde. Zwischen 1688 und 1694 war er Doge von Venedig, feierte Siege und erzielte Ruhm als Befehlshaber der Flotte der Serenissima im Moreakrieg. In den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts realisierte Piazza eine weitere Serie mit vier großen Bildern, die sich heute im Worcester Art Museum in Massachusetts befinden. Zwei Werke dieser Serie sind mit 1700 (Die Bucht von San Marco zu Christi Himmelfahrt) beziehungsweise 1702 (Vorstellung im Grimani Theater) datiert; die beiden anderen Bilder stellen den Ridotto und die Regatta vor der Dogana.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Piazza nach Rom gezogen, nachdem er es gegen Ende des 17. Jahrhunderts als Künstler zu großem Ruhm gebracht und einige bedeutende Aufträge erhalten hatte. Unter seinen ersten Aufträgen ragt ein Gemälde heraus: Am 20. November 1700 malte er Die Zeremonie des „Possesso“ von Papst Clemens XI. nach der Wahl von Kardinal Giovanni Francesco Albani zum Papst. Das Bild wurde im Dorotheum in Wien am 10. Oktober 2016 versteigert (Lot 108).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 33.280,-
Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 35.000,-

Alessandro Piazza


(Venedig 1652/1665–1727 Rom)
Die Battaglia dei Pugni auf der Brücke San Barnaba, Venedig,
Öl auf Leinwand, 89 x 129 cm, gerahmt

Wir danken Dario Succi, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat.

Die vorliegende unveröffentlichte Ansicht Venedigs, die in lebhafter Schilderung und mit schillernden Farben eines der größten jährlichen Ereignisse der Stadt zeigt, ist ein Gemälde von Alessandro Piazza.

Die vorliegende Komposition stellt den „Krieg der Fäuste“ zwischen den Castellani und den Nicoletti dar, welcher bis 1705 mehrere Male im Jahr auf verschiedenen Brücken der Stadt stattfand, von denen die bekannteste der Ponte di San Barnaba war. Die Rivalität zwischen den beiden Gruppen erinnert an die Konflikte zwischen Jesolo und Eraclea vor der Gründung Venedigs, als die Bevölkerung der beiden Orte Zuflucht in der Lagune suchte und sich dort niederließ. Die Castellani besiedelten die Bezirke (sestieri) San Marco und Dorsoduro, während sich die Nicoletti in San Paolo, Santa Croce und Canareggio niederließen. Die Konflikte setzten sich jahrhundertelang auf unterschiedliche Weise fort; die gewalttätigsten wurden auf den Brücken ausgetragen. Bei diesen Kämpfen schlugen sich die Venezianer um eine Brücke, bis deren Eigentum errungen war und Schilder, die auf den Sieger verwiesen, angebracht wurden. Am Tag des Kampfes kamen die beiden Mannschaften von einer Musikkapelle begleitet zur Brücke und stellten sich am jeweils gegenüberliegenden Ende der Brücke auf. Auf dem Kanal sammelten sich Boote, während andere Schaulustige aus den Fenstern oder von den Dächern ihrer Häuser blickten. Obwohl die Kämpfer nur Stöcke und Stangen verwendeten, stieg die Zahl der Verwundeten und Toten so an, dass sich der Stadtsenat 1574 gezwungen sah, alle Waffen aus den Kämpfen zu verbannen und nur noch den Faustkampf zu erlauben. Doch die Kämpfe hörten nicht auf, sehr gewalttätig zu sein, sodass 1705 die Stadtregierung nochmals und dieses Mal drastischer eingreifen musste: Jede Form des Zusammenrottens auf den Brücken war sodann verboten und wurde im Fall des Nichtbefolgens mit fünf Jahren Rudern mit angeketteten Beinen oder mit sieben Jahren in „Dunkelhaft“ bestraft.

Der auferlegte Bann im Jahr 1705 stellt einen Terminus ante quem bei der Datierung des vorliegenden Bildes von Piazza dar: Er erlaubt uns, die Ausführung des Bildes ganz am Anfang des 18. Jahrhunderts anzunehmen. Der Stil des Gemäldes bestätigt ebenfalls diese chronologische Einordnung.

Das vorliegende Gemälde bestätigt den Erfolg Alessandro Piazzas als offizieller Maler großer venezianischer Ereignisse. Succi vergleicht dieses Bild und sein Pendant (Lot 98) mit einem Paar großformatiger Gemälde Piazzas in einer Privatsammlung, welches dieselben Motive zeigt. Er stellt auch Vergleiche mit weiteren Werken an, die zu einer vierteiligen Serie des Künstlers mit u. a. den Karnevalsbräuchen des „Volo della Colombina“ auf der Piazzetta und der „Caccia al Toro“ auf dem Campo Santo Stefano gehören und wovon das letztere Bild auf der Fassade des Pfarrhauses datiert und signiert ist (siehe D. Succi, Luca Carlevarijs, Gorizia 2015, S. 45–47, Abb. 35, 36).

Piazza war zwischen 1691 und 1700 Mitglied der „Fraglia“, der Zunft der venezianischen Maler (siehe E. Favaro, L’Arte dei pittori in Venezia e I suoi statuti, Florenz 1975, S. 176). Während dieser Zeit arbeitete er beinahe ausschließlich an einer Serie von sieben Bildern (heute im Museo Correr in Venedig), von denen er eines, Die triumphale Rückkehr des Francesco Morosini nach Venedig, mit „Alessandro Piazza F“ signierte. Das Bild wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts für den Palazzo Morosini in Santo Stefano gemalt; die Serie illustriert das Schicksal des Francesco Morosini, der auch „Peloponnesiaco“ genannt wurde. Zwischen 1688 und 1694 war er Doge von Venedig, feierte Siege und erzielte Ruhm als Befehlshaber der Flotte der Serenissima im Moreakrieg. In den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts realisierte Piazza eine weitere Serie mit vier großen Bildern, die sich heute im Worcester Art Museum in Massachusetts befinden. Zwei Werke dieser Serie sind mit 1700 (Die Bucht von San Marco zu Christi Himmelfahrt) beziehungsweise 1702 (Vorstellung im Grimani Theater) datiert; die beiden anderen Bilder stellen den Ridotto und die Regatta vor der Dogana.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Piazza nach Rom gezogen, nachdem er es gegen Ende des 17. Jahrhunderts als Künstler zu großem Ruhm gebracht und einige bedeutende Aufträge erhalten hatte. Unter seinen ersten Aufträgen ragt ein Gemälde heraus: Am 20. November 1700 malte er Die Zeremonie des „Possesso“ von Papst Clemens XI. nach der Wahl von Kardinal Giovanni Francesco Albani zum Papst. Das Bild wurde im Dorotheum in Wien am 10. Oktober 2016 versteigert (Lot 108).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.