Lot Nr. 121


Annibale Carracci


Annibale Carracci - Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900

(Bologna 1560-1609 Rome)
Studie des Atlas Farnese, schwarze und weiße Kreide auf grauem Bütten, rückseitig Draperiestudien in roter Kreide, 34,5 x 26,5 cm, Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Privatsammlung, Italien.

Gutachten von Prof. Daniele Benati, 23. Dezember 2020 (in Kopie) vorhanden.

Die vorliegende Studie stellt eine wichtige Ergänzung zum Corpus der Zeichnungen Annibale Carraccis mit Studien nach der Antike dar, die der Künstler nach seinem Umzug von Bologna nach Rom Ende des Jahres 1595 schuf (vgl. A. Weston Lewis, „Annibale Carracci and the Antique“, in: Master Drawings, 30, 1992, S. 287-213). Der Zweck seiner Reise war die Dekoration der Sala Grande im Palazzo Farnese, die sein neuer Gönner und Auftraggeber Kardinal Odoardo Farnese den Taten von Alexander III Farnese als Befehlshaber der Truppen Philipps II in den Niederlanden widmen wollte. Aufgrund des ständigen Zögerns von Odoardo, der ihn schließlich mit der Dekoration seines eigenen Camerino und der Galerie beauftragte, welche die farnesische Sammlung antiker Statuen beherbergen sollte, bot ihm sein Aufenthalt in Rom zunächst auch die Gelegenheit, die römischen Werke von Michelangelo und Raffael zu studieren und sich den Überresten der klassischen Antike zu widmen, deren Studium ein wichtiges Fundament für seine spätere künstlerische Tätigkeit war.

Zu den bereits bekannten Zeichnungen des Künstlers nach der Antike, die Pan und Daphne sowie der Gruppe der Niobe gewidmet sind, kommt nun die vorliegende Studie hinzu, die auf die Skulptur des Atlas Farnese zurückgeht, die damals Teil der farnesischen Sammlungen war und sich heute im Museo Archeologico Nazionale in Neapel (Inv. 6374) befindet. Die Skulptur stellt den Halbgott Atlas dar, der die Himmelskugel auf seinen Schultern hält, als Strafe dafür, dass er die Titanen bei ihrem Versuch, sich gegen Zeus zu erheben, unterstützt hatte. Die massive Marmorstatue, wahrscheinlich eine römische Kopie eines griechischen Originals aus dem 2. Jahrhundert vor Christus, wurde Ende des 14. Jahrhunderts an Kopf und Gliedmaßen beschädigt aufgefunden und war danach im Besitz von Stefano del Bufalo. Nach einer umfassenden Restaurierung durch Guglielmo della Porta wurde die Skulptur 1562 von Kardinal Alessandro Farnese für die riesige Summe von 250 Scudi gekauft. 1787 wurde sie dann zusammen mit den von Karl III. von Bourbon, dem Sohn von Elisabetta Farnese und letzten Nachkommen der angesehenen Familie, herausgegebenen Sammlungen nach Neapel überführt.

Wie im Fall der Kopfstudie des Pan (Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv. 7193) ist es wahrscheinlich, dass Annibale die Skulptur des Atlas kopierte, um sich die Darstellung der menschlichen Figur in der klassischen Kunst anzueignen, ohne dabei jedoch eine bestimmte Verwendung der Studie im Sinn zu haben. Vielleicht konzentrierte er sich in Kenntnis der Ergänzungen durch Guglielmo della Porta ausschließlich auf den Torso der Skulptur und behandelte daher die restaurierten Stellen an Kopf und Gliedmaßen nur summarisch. Wie beim Kopf des Pan im Louvre, den der Künstler in dem Gemälde mit Pan und Diana im Gewölbe der Galleria Farnerse verwendete, griff er in der Darstellung des Herkules auf das bereits zuvor untersuchte Modell zurück, der an der Stelle von Atlas die Himmelskugel im Gewölbe des Camerino Farnese stützt. Auch wenn die Pose des Herkules an die des Atlas Farnese erinnert, erscheint die von Annibale gewählte Lösung sowohl im ausgeführten Fresko als auch den bekannten Vorzeichnungen sehr unterschiedlich. (Zu den Vorstudien zum Fresko mit Herkules siehe: Oxford, Ashmolean Museum, Inv. Torino, Biblioteca Reale, Inv. 16074; Paris, Louvre, Départment des Arts Graphiques, Inv. 7205, 7206; Besancon, Musée des Beaux-Arts, Inv. D. 1539; J. R. Martin, The Farnese Gallery, Princeton 1965, S. 240, 242-243, Abb. 100-101, 113-117). Annibales Zeichnungen nach der Antike dürften somit vor allem als Repertoire für Ideen und künstlerische Lösungen gedient haben, auf die er später zurückgreifen konnte. Auch die auf der Rückseite mit Rötel skizzierten Gewandstudien, die sich auf kein bekanntes Werk beziehen, erinnern an die übliche Vorgehensweise Annibales, das Blatt während des Zeichnens auf den Kopf zu stellen und mehrmals zu drehen.

Die vorliegende Zeichnung mit der Studie des Atlas Farnese stellt somit eine wichtige Ergänzung zum graphischen Oeuvre Annibale Carraccis und seinen Studien nach der Antike dar und lässt sich stilistisch in die Jahre zwischen 1596-1598 datieren, als sich der Künstler zur Dekoration der Sala Grande des Palazzo Farnese in Rom aufhielt.

Wir danken Prof. Daniele Benati für die Bestätigung der Zuschreibung und die wissenschaftliche Unterstützung.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at

04.04.2023 - 14:00

Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 35.000,-
Startpreis:
EUR 18.000,-

Annibale Carracci


(Bologna 1560-1609 Rome)
Studie des Atlas Farnese, schwarze und weiße Kreide auf grauem Bütten, rückseitig Draperiestudien in roter Kreide, 34,5 x 26,5 cm, Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Privatsammlung, Italien.

Gutachten von Prof. Daniele Benati, 23. Dezember 2020 (in Kopie) vorhanden.

Die vorliegende Studie stellt eine wichtige Ergänzung zum Corpus der Zeichnungen Annibale Carraccis mit Studien nach der Antike dar, die der Künstler nach seinem Umzug von Bologna nach Rom Ende des Jahres 1595 schuf (vgl. A. Weston Lewis, „Annibale Carracci and the Antique“, in: Master Drawings, 30, 1992, S. 287-213). Der Zweck seiner Reise war die Dekoration der Sala Grande im Palazzo Farnese, die sein neuer Gönner und Auftraggeber Kardinal Odoardo Farnese den Taten von Alexander III Farnese als Befehlshaber der Truppen Philipps II in den Niederlanden widmen wollte. Aufgrund des ständigen Zögerns von Odoardo, der ihn schließlich mit der Dekoration seines eigenen Camerino und der Galerie beauftragte, welche die farnesische Sammlung antiker Statuen beherbergen sollte, bot ihm sein Aufenthalt in Rom zunächst auch die Gelegenheit, die römischen Werke von Michelangelo und Raffael zu studieren und sich den Überresten der klassischen Antike zu widmen, deren Studium ein wichtiges Fundament für seine spätere künstlerische Tätigkeit war.

Zu den bereits bekannten Zeichnungen des Künstlers nach der Antike, die Pan und Daphne sowie der Gruppe der Niobe gewidmet sind, kommt nun die vorliegende Studie hinzu, die auf die Skulptur des Atlas Farnese zurückgeht, die damals Teil der farnesischen Sammlungen war und sich heute im Museo Archeologico Nazionale in Neapel (Inv. 6374) befindet. Die Skulptur stellt den Halbgott Atlas dar, der die Himmelskugel auf seinen Schultern hält, als Strafe dafür, dass er die Titanen bei ihrem Versuch, sich gegen Zeus zu erheben, unterstützt hatte. Die massive Marmorstatue, wahrscheinlich eine römische Kopie eines griechischen Originals aus dem 2. Jahrhundert vor Christus, wurde Ende des 14. Jahrhunderts an Kopf und Gliedmaßen beschädigt aufgefunden und war danach im Besitz von Stefano del Bufalo. Nach einer umfassenden Restaurierung durch Guglielmo della Porta wurde die Skulptur 1562 von Kardinal Alessandro Farnese für die riesige Summe von 250 Scudi gekauft. 1787 wurde sie dann zusammen mit den von Karl III. von Bourbon, dem Sohn von Elisabetta Farnese und letzten Nachkommen der angesehenen Familie, herausgegebenen Sammlungen nach Neapel überführt.

Wie im Fall der Kopfstudie des Pan (Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv. 7193) ist es wahrscheinlich, dass Annibale die Skulptur des Atlas kopierte, um sich die Darstellung der menschlichen Figur in der klassischen Kunst anzueignen, ohne dabei jedoch eine bestimmte Verwendung der Studie im Sinn zu haben. Vielleicht konzentrierte er sich in Kenntnis der Ergänzungen durch Guglielmo della Porta ausschließlich auf den Torso der Skulptur und behandelte daher die restaurierten Stellen an Kopf und Gliedmaßen nur summarisch. Wie beim Kopf des Pan im Louvre, den der Künstler in dem Gemälde mit Pan und Diana im Gewölbe der Galleria Farnerse verwendete, griff er in der Darstellung des Herkules auf das bereits zuvor untersuchte Modell zurück, der an der Stelle von Atlas die Himmelskugel im Gewölbe des Camerino Farnese stützt. Auch wenn die Pose des Herkules an die des Atlas Farnese erinnert, erscheint die von Annibale gewählte Lösung sowohl im ausgeführten Fresko als auch den bekannten Vorzeichnungen sehr unterschiedlich. (Zu den Vorstudien zum Fresko mit Herkules siehe: Oxford, Ashmolean Museum, Inv. Torino, Biblioteca Reale, Inv. 16074; Paris, Louvre, Départment des Arts Graphiques, Inv. 7205, 7206; Besancon, Musée des Beaux-Arts, Inv. D. 1539; J. R. Martin, The Farnese Gallery, Princeton 1965, S. 240, 242-243, Abb. 100-101, 113-117). Annibales Zeichnungen nach der Antike dürften somit vor allem als Repertoire für Ideen und künstlerische Lösungen gedient haben, auf die er später zurückgreifen konnte. Auch die auf der Rückseite mit Rötel skizzierten Gewandstudien, die sich auf kein bekanntes Werk beziehen, erinnern an die übliche Vorgehensweise Annibales, das Blatt während des Zeichnens auf den Kopf zu stellen und mehrmals zu drehen.

Die vorliegende Zeichnung mit der Studie des Atlas Farnese stellt somit eine wichtige Ergänzung zum graphischen Oeuvre Annibale Carraccis und seinen Studien nach der Antike dar und lässt sich stilistisch in die Jahre zwischen 1596-1598 datieren, als sich der Künstler zur Dekoration der Sala Grande des Palazzo Farnese in Rom aufhielt.

Wir danken Prof. Daniele Benati für die Bestätigung der Zuschreibung und die wissenschaftliche Unterstützung.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900
Auktionstyp: Online Auction
Datum: 04.04.2023 - 14:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.03. - 04.04.2023