Lot Nr. 22


Bartholomäus Bruyn I.


(Wesel 1493–1555 Köln)
Bildnis eines vornehmen Herrn, traditionell identifiziert als Kölner Ratsherr Johan van Ryndorp (1505–1551/52),
bezeichnet links unten: VNIVERSA,VANITAS,PRETER,AMARE,DE/ VM,
Öl auf Holz, 83 x 57 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Anton Joseph Essingh (1787–1864), Köln;
dessen Auktion, J. M. Heberle, Köln, 18. September 1865, Lot 57 (als Hans Holbein);
Sammlung Franz Merkens (1823–1905) und Maria Katharina Merkens, geb. Essingh (1827–1905);
Im Erbgang an Walter Merkens (1867–1929), Bad Honnef, bis 1926;
Kunstsalon Paul Cassirer, Berlin (Nr. 5107), 22. Oktober 1926 bis 14. Juni 1935;
Auktion, Paul Graupe, Berlin, 27. Mai 1935, Lot 59 (als Bruyn, versteigert als Besitz Bankh. D.- Sch. = Delbrück und Schickler, Berlin, im Auftrag des Kunstsalons Paul Cassirer);
Sammlung Heinrich Neuerburg (1883–1956), Köln;
Auktion, Lempertz, Köln, 15. November 1972, Lot 34;
Privatsammlung, Norddeutschland

Wir danken dem Paul-Cassirer-Archiv für die Unterstützung bei der Recherche zur Provenienz dieses Lots.

Ausgestellt:
München, Galerie Fleischmann, Das Bildnis in der deutschen Renaissance, 1931, Kat.-Nr. 9 (als Bartholomäus [Barthel] Bruyn der Jüngere);
Köln, Kunsthaus Lempertz in Zusammenarbeit mit dem Wallraf-Richartz-Museum, Barthel Bruyn 1493–1555. Gesamtverzeichnis seiner Bildnisse und Altarwerke. Gedächtnisausstellung aus Anlass seines vierhundertsten Todesjahres, Juni – August 1955, Kat.-Nr. 66 (als Barthel Bruyn)

Literatur:
J. van Endert (Hrsg.), Die Essingh’sche Kunstsammlung in Köln, in: Organ für christliche Kunst, Köln 1865, Bd. XV, S. 201 (als Bartholomäus Bruyn);
R. Heinemann-Fleischmann, Das Bildnis in der deutschen Renaissance, Ausstellungs- und Verkaufskatalog, München 1931, S. 10f., Kat.-Nr. 9, mit Abb. (als Bartholomäus [Barthel] Bruyn der Jüngere);
H. May, Barthel Bruyn 1493–1555. Gesamtverzeichnis seiner Bildnisse und Altarwerke. Gedächtnisausstellung aus Anlass seines vierhundertsten Todesjahres, Ausstellungskatalog, Köln 1955, S. 29, Nr. 66 (als Barthel Bruyn);
H. Westhoff-Krummacher, Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler, Berlin 1965, S. 151f., Kat.-Nr. 76, Abb. S. 152 (als Barthel Bruyn der Ältere)

Das vorliegende imposante Porträt ist ein Beispiel für die verfeinerte rheinische Porträtmalerei der Renaissance. Der Dargestellte ist in Dreiviertellänge und nahezu frontal dargestellt. Der Oberkörper des prächtig gekleideten Mannes ist leicht nach links gewendet, was durch den nach außen gerichteten Blick in dieselbe Richtung noch verstärkt wird. In Anbetracht des langen Pelzmantels und der schwarzen Tunika mit gepolsterten Schultern muss es sich um einen angesehenen Herrn gehandelt haben. Diese besondere Tunika war bei Männern der damaligen Zeit sehr beliebt und galt in Verbindung mit dem langen grauen Bart, der nördlich der Alpen in Mode kam und sich in ganz Europa verbreitete, als Zeichen von Männlichkeit. Die fein verzierten grauen Wildlederhandschuhe, das schwarze Barett und die goldenen Ringe unterstreichen den Status des Dargestellten. Bei dem Ring am Zeigefinger könnte es sich um einen Siegelring handelt, doch weist dieser keine Anzeichen eines Familienwappens oder Monogramms auf. Der Ring am kleinen Finger ist mit blauen und grünen Edelsteinen besetzt und könnte möglicherweise auf den persönlichen Status des Dargestellten hinweisen oder sogar ein Ehering sein.

Der Dargestellte wurde traditionell als Kölner Ratsherr Johan van Ryndorp (1505–1551/2) identifiziert. In der 1965 erschienenen Publikation über Bruyn I. von Westhoff-Krummacher (siehe Literatur) wird dies jedoch in Frage gestellt, da weder in der heraldischen Literatur noch in den Testamenten der Familie van Ryndorp Aufzeichnungen mit Verweisen auf das in der linken oberen Ecke des vorliegenden Gemäldes abgebildete Wappen zu finden sind. Laut Westhoff-Krummacher ist es daher unklar, worauf die Identifizierung mit Johan van Ryndorp beruht. Das exquisit gemalte Familienwappen zeigt drei goldene Halsbänder tragende Hunde oder möglicherweise Bären auf einem diagonal verschlungenen blauen Band vor einem schwarzen Schild. Das Wappen wird von einem Ritterhelm gekrönt und ist mit einem sogenannten Mantel geschmückt, der sich elegant um den Schild windet. Das Familienwappen wiederholt sich als Miniatur über dem Helm.

Die Verbindung aus dem Blick des Herrn, dem filigranen Ring und vor allem der Form der Tafel könnte darauf hindeuten, dass es zu dem Porträt ein Pendant gab und dass das Gemäldepaar ein Diptychon bildete. Man würde jedoch erwarten, dass die Rückseite der Tafel entweder mit einem Wappen oder möglicherweise mit einer hinzugefügten Stillleben-Szene versehen ist, wie man es aus anderen Werken von Bartholomäus Bruyn I. kennt, zum Beispiel von dem im Kröller-Müller Museum in Otterlo aufbewahrten Bildnis der Margaretha von Mochau (Inv.-Nr. KM 102.025). Dieses könnte natürlich entfernt worden sein, als das Diptychon getrennt wurde. Bislang scheint es weder ein entsprechendes weiblichen Porträt von Bruyn I. von vergleichbarer Form und Größe noch das eines Mannes zu geben, der mit dem Dargestellten verwandt gewesen sein könnte.

Das Porträtgenre war seit der Renaissance weit verbreitet. Diese oft privaten Werke wurden nicht unbedingt einzeln aufgehängt, sondern im Fall von Diptychen je nach Größe geschlossen oder geöffnet auf einem Ständer oder Podest präsentiert. In früheren Zeiten war die Porträtmalerei ausschließlich Herrschergeschlechtern vorbehalten, während es in der großen Zeit des Übergangs unter elitären Schichten allmählich üblich wurde, dass Ratsherren, Kaufleute, Anwälte und deren Ehegatten, die diese Traditionen gerne aufgriffen, Porträts in Auftrag gaben, welche oft reich mit Motiven gefüllt waren, die auf Berufsstand und gesellschaftlichen Status hinwiesen. Das vorliegende Gemälde weist jedoch keinerlei Elemente auf, die auf die Profession des Dargestellten deuten würden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam ein nüchterner Porträtstil in Mode, und die Porträtierten wurden immer häufiger in Lebensgröße gemalt. Vor diesem Hintergrund datiert Westhoff-Krummacher das vorliegende Bildnis auf die Zeit um 1550–1555.

Während Bruyn I. dieses Porträt malte, beschäftigten sich die Menschen Tag für Tag mit der Endlichkeit des Lebens und mit Vorstellungen über das Leben nach dem Tod. Der Tod war in der Spätrenaissance nie weit entfernt, und der Drang, das Bewusstsein der Sterblichkeit visuell zu unterstreichen, zeigt sich in der Verwendung von Symbolen in der Porträtmalerei dieser Zeit. Vor allem in Nordeuropa finden sich Memento-mori-Motive in Form von schwelenden Kerzendochten, Seifenblasen, Sanduhren und Totenköpfen, wie auf dem vorliegenden Gemälde zu sehen ist. Ein weiteres schönes Beispiel, in dem Bruyn diese Elemente kombiniert hat, ist das Bildnis eines Mannes, das im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird (Inv.-Nr. 868). Die Beziehung zwischen dem vorliegenden Gemälde und dem Wiener Porträt ist offensichtlich. In beiden Gemälden bilden die Totenköpfe einen deutlichen Gegensatz zur Lebendigkeit des Dargestellten und dem ihm bevorstehenden und möglicherweise unerwarteten Ende seines Lebens. Bruyn I. setzt diese Symbole in vielen seiner Porträts ein und kombiniert sie in seinen Stillleben, einem Genre, das sich um diese Zeit entwickelte. Der Künstler experimentierte mit Trompe-l’oeil-Effekten wie der großen Fliege auf dem Stirnbein des Schädels der vorliegenden Tafel. Die gemalte Inschrift VNIVERSA VANITAS PRETER AMARE DEVM passt zum Memento-mori-Motiv des Schädels und kann als „Alles ist eitel außer die Liebe zu Gott“ gedeutet werden, abgeleitet von dem berühmten Text De Imitatione Christi (Thomas von Kempen, Augsburg, um 1470).

Bartholomäus Bruyn I., auch bekannt als Barthel Bruyn, war der große Pionier der Kölner Malerschule und neben Joos van Cleve ein Schüler von Jan Joest in Haarlem, was die Brillanz und den Reichtum von Bruyns Farbgebung und seinen Umgang mit unterschiedlichen Texturen erklären mag. Ein bemerkenswertes Beispiel für die exquisiten Maltechniken des Meisters ist der Xantener Altar, der als das eindrucksvollste und monumentalste Werk des Meisters gilt und sich noch immer im Dom zu Xanten befindet. Bruyn I. folgte sein Sohn Barthel Bruyn der Jüngere (1530–1607) nach, der wie sein Vater für seine verfeinerten Porträts bekannt war. Einige dieser Werke von Vater und Sohn wurden in der Vergangenheit fälschlicherweise Hans Holbein II. zugeschrieben, was für ihre Qualität spricht. Als Porträtist zählte Bruyn den Adel und die gesellschaftliche Elite des Niederrheins zu seinen Kunden, darunter auch die in Deutschland geborene Anne von Kleve, die vierte in der Reihe der unglücklichen Ehefrauen von König Heinrich VIII. von England. Ihr Porträt wird heute im St. John’s College der Universität Oxford aufbewahrt (Inv.-Nr. PP02). Weitere Porträts von Bruyn I. befinden sich in internationalen Sammlungen wie der National Gallery in London, dem Metropolitan Museum of Art in New York und dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das Werk ist mit wenigen Retuschen auf zwei vertikal verbundenen Eichenbrettern gemalt, die maximal 9 bis 10 Millimeter stark und gut erhalten sind. Die Rückseite zeigt im Streiflicht noch die Bearbeitungsspuren mit der Hohlkehle und die L-Schnitte entlang aller Kanten, die das Einsetzen in den originalen geschwungen geformten Rahmen ermöglichten. Dieser Rahmen muss mit Holzleisten versehen gewesen sein, die auf der Vorderseite der Tafel befestigt waren, wie der unbemalte Streifen von etwa einem Zentimeter entlang der Kanten nahelegt. Der weiße Grund wurde aufgetragen, als diese Leisten bereits geklebt waren, wie die leichte Erhabenheit der Ränder zeigt.

Auf der Rückseite befinden sich zwei Inschriften („D.31.“ und „HOLBEIN 1520“), die mit zwei unterschiedlichen Medien in schwarzer Farbe gemalt wurden und daher vermutlich nicht von derselben Hand stammen, sowie eine wahrscheinlich aus neuerer Zeit stammende numerische Beschriftung („15[...]25“) in roter Farbe im oberen Bereich, die in einen Kasten eingeschrieben und fast vollständig gelöscht wurde.

Die Infrarotreflektografie hat eine dünne Zeichnung auf dem extrem glatten Untergrund ergeben, die mit einer spitzen schwarzen Kreide ausgeführt wurde, einem für die damalige flämische Praxis typischen grafischen Medium. Die Maltechnik entspricht insgesamt jener, die sich in Flandern entwickelt hatte, unter der Verwendung dünner Lasuren, was sich mit der künstlerischen Ausbildung im Einklang befände, die für Barthel Bruyn den Älteren am Niederrhein anzunehmen ist. Nur wenige Linien dieser Zeichnung sind deutlich zu erkennen, und zwar typischerweise dort, wo die Malerei nicht genau der Unterzeichnung folgt. Grafische Spuren finden sich an den Fingern der rechten Hand, deren Ringfinger während der Malphase verkürzt wurde, und am Schädel: In den Augenhöhlen des Schädels ist die Zeichnung freier und wiederholt die Form mehrmals. Dünne Freihandlinien umreißen den Tisch und deuten den Schatten an, den der Schädel auf ihn wirft. Die Zeichnung unterhalb des Gesichts ist fast unsichtbar, doch die Finger der linken Hand weisen Veränderungen auf: Der Daumen wurde tiefer angesetzt und enger um den Handschuh gelegt, so dass ein Teil des Fingernagels sichtbar bleibt; die Spitzen der anderen Finger waren ursprünglich länger.

Die hervorragende Qualität des Gemäldes und das Können des Malers werden auch durch die mikroskopische Untersuchung belegt, die die Wahl der Pigmente und deren Mischungen verrät. Die Pigmente wurden mithilfe der Reflexionsspektroskopie an vielen Punkten untersucht. Besonders beeindruckend ist der Hintergrund, der bräunlich erscheint, aber in Wirklichkeit mit Grünspan- und Bleizinngelb-Lasuren erzielt wurde, die wahrscheinlich mit einem Bausch aufgetragen wurden, um die finalen chromatischen Licht-Schatten-Modulationen zu erzielen. Die Hauttöne entsprechen einer üblichen Mischung aus Bleiweiß mit Zinnoberrot und kleinen Mengen eines fein vermahlenen schwarzen Pigments. Das Braun des Fells wurde mit brauner Erde mit einem hohen organischen Anteil, vermutlich Kasseler Braun, erzielt, während für den Tisch und den Schädel gelber Ocker (Goethit) verwendet wurde. Außerdem kam als blaues Pigment Azurit zum Einsatz, das sich in geringen Mengen – um eine zu grelle Farbigkeit zu vermeiden – im Edelstein des Rings, im Graublau der auf dem Schädel sitzenden Fliege, und in der Iris der Augen findet. Die lateinische Inschrift steht im Einklang mit dem Gemälde und ist in perfektem Zustand.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

25.10.2023 - 18:00

Schätzwert:
EUR 200.000,- bis EUR 300.000,-

Bartholomäus Bruyn I.


(Wesel 1493–1555 Köln)
Bildnis eines vornehmen Herrn, traditionell identifiziert als Kölner Ratsherr Johan van Ryndorp (1505–1551/52),
bezeichnet links unten: VNIVERSA,VANITAS,PRETER,AMARE,DE/ VM,
Öl auf Holz, 83 x 57 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Anton Joseph Essingh (1787–1864), Köln;
dessen Auktion, J. M. Heberle, Köln, 18. September 1865, Lot 57 (als Hans Holbein);
Sammlung Franz Merkens (1823–1905) und Maria Katharina Merkens, geb. Essingh (1827–1905);
Im Erbgang an Walter Merkens (1867–1929), Bad Honnef, bis 1926;
Kunstsalon Paul Cassirer, Berlin (Nr. 5107), 22. Oktober 1926 bis 14. Juni 1935;
Auktion, Paul Graupe, Berlin, 27. Mai 1935, Lot 59 (als Bruyn, versteigert als Besitz Bankh. D.- Sch. = Delbrück und Schickler, Berlin, im Auftrag des Kunstsalons Paul Cassirer);
Sammlung Heinrich Neuerburg (1883–1956), Köln;
Auktion, Lempertz, Köln, 15. November 1972, Lot 34;
Privatsammlung, Norddeutschland

Wir danken dem Paul-Cassirer-Archiv für die Unterstützung bei der Recherche zur Provenienz dieses Lots.

Ausgestellt:
München, Galerie Fleischmann, Das Bildnis in der deutschen Renaissance, 1931, Kat.-Nr. 9 (als Bartholomäus [Barthel] Bruyn der Jüngere);
Köln, Kunsthaus Lempertz in Zusammenarbeit mit dem Wallraf-Richartz-Museum, Barthel Bruyn 1493–1555. Gesamtverzeichnis seiner Bildnisse und Altarwerke. Gedächtnisausstellung aus Anlass seines vierhundertsten Todesjahres, Juni – August 1955, Kat.-Nr. 66 (als Barthel Bruyn)

Literatur:
J. van Endert (Hrsg.), Die Essingh’sche Kunstsammlung in Köln, in: Organ für christliche Kunst, Köln 1865, Bd. XV, S. 201 (als Bartholomäus Bruyn);
R. Heinemann-Fleischmann, Das Bildnis in der deutschen Renaissance, Ausstellungs- und Verkaufskatalog, München 1931, S. 10f., Kat.-Nr. 9, mit Abb. (als Bartholomäus [Barthel] Bruyn der Jüngere);
H. May, Barthel Bruyn 1493–1555. Gesamtverzeichnis seiner Bildnisse und Altarwerke. Gedächtnisausstellung aus Anlass seines vierhundertsten Todesjahres, Ausstellungskatalog, Köln 1955, S. 29, Nr. 66 (als Barthel Bruyn);
H. Westhoff-Krummacher, Barthel Bruyn der Ältere als Bildnismaler, Berlin 1965, S. 151f., Kat.-Nr. 76, Abb. S. 152 (als Barthel Bruyn der Ältere)

Das vorliegende imposante Porträt ist ein Beispiel für die verfeinerte rheinische Porträtmalerei der Renaissance. Der Dargestellte ist in Dreiviertellänge und nahezu frontal dargestellt. Der Oberkörper des prächtig gekleideten Mannes ist leicht nach links gewendet, was durch den nach außen gerichteten Blick in dieselbe Richtung noch verstärkt wird. In Anbetracht des langen Pelzmantels und der schwarzen Tunika mit gepolsterten Schultern muss es sich um einen angesehenen Herrn gehandelt haben. Diese besondere Tunika war bei Männern der damaligen Zeit sehr beliebt und galt in Verbindung mit dem langen grauen Bart, der nördlich der Alpen in Mode kam und sich in ganz Europa verbreitete, als Zeichen von Männlichkeit. Die fein verzierten grauen Wildlederhandschuhe, das schwarze Barett und die goldenen Ringe unterstreichen den Status des Dargestellten. Bei dem Ring am Zeigefinger könnte es sich um einen Siegelring handelt, doch weist dieser keine Anzeichen eines Familienwappens oder Monogramms auf. Der Ring am kleinen Finger ist mit blauen und grünen Edelsteinen besetzt und könnte möglicherweise auf den persönlichen Status des Dargestellten hinweisen oder sogar ein Ehering sein.

Der Dargestellte wurde traditionell als Kölner Ratsherr Johan van Ryndorp (1505–1551/2) identifiziert. In der 1965 erschienenen Publikation über Bruyn I. von Westhoff-Krummacher (siehe Literatur) wird dies jedoch in Frage gestellt, da weder in der heraldischen Literatur noch in den Testamenten der Familie van Ryndorp Aufzeichnungen mit Verweisen auf das in der linken oberen Ecke des vorliegenden Gemäldes abgebildete Wappen zu finden sind. Laut Westhoff-Krummacher ist es daher unklar, worauf die Identifizierung mit Johan van Ryndorp beruht. Das exquisit gemalte Familienwappen zeigt drei goldene Halsbänder tragende Hunde oder möglicherweise Bären auf einem diagonal verschlungenen blauen Band vor einem schwarzen Schild. Das Wappen wird von einem Ritterhelm gekrönt und ist mit einem sogenannten Mantel geschmückt, der sich elegant um den Schild windet. Das Familienwappen wiederholt sich als Miniatur über dem Helm.

Die Verbindung aus dem Blick des Herrn, dem filigranen Ring und vor allem der Form der Tafel könnte darauf hindeuten, dass es zu dem Porträt ein Pendant gab und dass das Gemäldepaar ein Diptychon bildete. Man würde jedoch erwarten, dass die Rückseite der Tafel entweder mit einem Wappen oder möglicherweise mit einer hinzugefügten Stillleben-Szene versehen ist, wie man es aus anderen Werken von Bartholomäus Bruyn I. kennt, zum Beispiel von dem im Kröller-Müller Museum in Otterlo aufbewahrten Bildnis der Margaretha von Mochau (Inv.-Nr. KM 102.025). Dieses könnte natürlich entfernt worden sein, als das Diptychon getrennt wurde. Bislang scheint es weder ein entsprechendes weiblichen Porträt von Bruyn I. von vergleichbarer Form und Größe noch das eines Mannes zu geben, der mit dem Dargestellten verwandt gewesen sein könnte.

Das Porträtgenre war seit der Renaissance weit verbreitet. Diese oft privaten Werke wurden nicht unbedingt einzeln aufgehängt, sondern im Fall von Diptychen je nach Größe geschlossen oder geöffnet auf einem Ständer oder Podest präsentiert. In früheren Zeiten war die Porträtmalerei ausschließlich Herrschergeschlechtern vorbehalten, während es in der großen Zeit des Übergangs unter elitären Schichten allmählich üblich wurde, dass Ratsherren, Kaufleute, Anwälte und deren Ehegatten, die diese Traditionen gerne aufgriffen, Porträts in Auftrag gaben, welche oft reich mit Motiven gefüllt waren, die auf Berufsstand und gesellschaftlichen Status hinwiesen. Das vorliegende Gemälde weist jedoch keinerlei Elemente auf, die auf die Profession des Dargestellten deuten würden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam ein nüchterner Porträtstil in Mode, und die Porträtierten wurden immer häufiger in Lebensgröße gemalt. Vor diesem Hintergrund datiert Westhoff-Krummacher das vorliegende Bildnis auf die Zeit um 1550–1555.

Während Bruyn I. dieses Porträt malte, beschäftigten sich die Menschen Tag für Tag mit der Endlichkeit des Lebens und mit Vorstellungen über das Leben nach dem Tod. Der Tod war in der Spätrenaissance nie weit entfernt, und der Drang, das Bewusstsein der Sterblichkeit visuell zu unterstreichen, zeigt sich in der Verwendung von Symbolen in der Porträtmalerei dieser Zeit. Vor allem in Nordeuropa finden sich Memento-mori-Motive in Form von schwelenden Kerzendochten, Seifenblasen, Sanduhren und Totenköpfen, wie auf dem vorliegenden Gemälde zu sehen ist. Ein weiteres schönes Beispiel, in dem Bruyn diese Elemente kombiniert hat, ist das Bildnis eines Mannes, das im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird (Inv.-Nr. 868). Die Beziehung zwischen dem vorliegenden Gemälde und dem Wiener Porträt ist offensichtlich. In beiden Gemälden bilden die Totenköpfe einen deutlichen Gegensatz zur Lebendigkeit des Dargestellten und dem ihm bevorstehenden und möglicherweise unerwarteten Ende seines Lebens. Bruyn I. setzt diese Symbole in vielen seiner Porträts ein und kombiniert sie in seinen Stillleben, einem Genre, das sich um diese Zeit entwickelte. Der Künstler experimentierte mit Trompe-l’oeil-Effekten wie der großen Fliege auf dem Stirnbein des Schädels der vorliegenden Tafel. Die gemalte Inschrift VNIVERSA VANITAS PRETER AMARE DEVM passt zum Memento-mori-Motiv des Schädels und kann als „Alles ist eitel außer die Liebe zu Gott“ gedeutet werden, abgeleitet von dem berühmten Text De Imitatione Christi (Thomas von Kempen, Augsburg, um 1470).

Bartholomäus Bruyn I., auch bekannt als Barthel Bruyn, war der große Pionier der Kölner Malerschule und neben Joos van Cleve ein Schüler von Jan Joest in Haarlem, was die Brillanz und den Reichtum von Bruyns Farbgebung und seinen Umgang mit unterschiedlichen Texturen erklären mag. Ein bemerkenswertes Beispiel für die exquisiten Maltechniken des Meisters ist der Xantener Altar, der als das eindrucksvollste und monumentalste Werk des Meisters gilt und sich noch immer im Dom zu Xanten befindet. Bruyn I. folgte sein Sohn Barthel Bruyn der Jüngere (1530–1607) nach, der wie sein Vater für seine verfeinerten Porträts bekannt war. Einige dieser Werke von Vater und Sohn wurden in der Vergangenheit fälschlicherweise Hans Holbein II. zugeschrieben, was für ihre Qualität spricht. Als Porträtist zählte Bruyn den Adel und die gesellschaftliche Elite des Niederrheins zu seinen Kunden, darunter auch die in Deutschland geborene Anne von Kleve, die vierte in der Reihe der unglücklichen Ehefrauen von König Heinrich VIII. von England. Ihr Porträt wird heute im St. John’s College der Universität Oxford aufbewahrt (Inv.-Nr. PP02). Weitere Porträts von Bruyn I. befinden sich in internationalen Sammlungen wie der National Gallery in London, dem Metropolitan Museum of Art in New York und dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das Werk ist mit wenigen Retuschen auf zwei vertikal verbundenen Eichenbrettern gemalt, die maximal 9 bis 10 Millimeter stark und gut erhalten sind. Die Rückseite zeigt im Streiflicht noch die Bearbeitungsspuren mit der Hohlkehle und die L-Schnitte entlang aller Kanten, die das Einsetzen in den originalen geschwungen geformten Rahmen ermöglichten. Dieser Rahmen muss mit Holzleisten versehen gewesen sein, die auf der Vorderseite der Tafel befestigt waren, wie der unbemalte Streifen von etwa einem Zentimeter entlang der Kanten nahelegt. Der weiße Grund wurde aufgetragen, als diese Leisten bereits geklebt waren, wie die leichte Erhabenheit der Ränder zeigt.

Auf der Rückseite befinden sich zwei Inschriften („D.31.“ und „HOLBEIN 1520“), die mit zwei unterschiedlichen Medien in schwarzer Farbe gemalt wurden und daher vermutlich nicht von derselben Hand stammen, sowie eine wahrscheinlich aus neuerer Zeit stammende numerische Beschriftung („15[...]25“) in roter Farbe im oberen Bereich, die in einen Kasten eingeschrieben und fast vollständig gelöscht wurde.

Die Infrarotreflektografie hat eine dünne Zeichnung auf dem extrem glatten Untergrund ergeben, die mit einer spitzen schwarzen Kreide ausgeführt wurde, einem für die damalige flämische Praxis typischen grafischen Medium. Die Maltechnik entspricht insgesamt jener, die sich in Flandern entwickelt hatte, unter der Verwendung dünner Lasuren, was sich mit der künstlerischen Ausbildung im Einklang befände, die für Barthel Bruyn den Älteren am Niederrhein anzunehmen ist. Nur wenige Linien dieser Zeichnung sind deutlich zu erkennen, und zwar typischerweise dort, wo die Malerei nicht genau der Unterzeichnung folgt. Grafische Spuren finden sich an den Fingern der rechten Hand, deren Ringfinger während der Malphase verkürzt wurde, und am Schädel: In den Augenhöhlen des Schädels ist die Zeichnung freier und wiederholt die Form mehrmals. Dünne Freihandlinien umreißen den Tisch und deuten den Schatten an, den der Schädel auf ihn wirft. Die Zeichnung unterhalb des Gesichts ist fast unsichtbar, doch die Finger der linken Hand weisen Veränderungen auf: Der Daumen wurde tiefer angesetzt und enger um den Handschuh gelegt, so dass ein Teil des Fingernagels sichtbar bleibt; die Spitzen der anderen Finger waren ursprünglich länger.

Die hervorragende Qualität des Gemäldes und das Können des Malers werden auch durch die mikroskopische Untersuchung belegt, die die Wahl der Pigmente und deren Mischungen verrät. Die Pigmente wurden mithilfe der Reflexionsspektroskopie an vielen Punkten untersucht. Besonders beeindruckend ist der Hintergrund, der bräunlich erscheint, aber in Wirklichkeit mit Grünspan- und Bleizinngelb-Lasuren erzielt wurde, die wahrscheinlich mit einem Bausch aufgetragen wurden, um die finalen chromatischen Licht-Schatten-Modulationen zu erzielen. Die Hauttöne entsprechen einer üblichen Mischung aus Bleiweiß mit Zinnoberrot und kleinen Mengen eines fein vermahlenen schwarzen Pigments. Das Braun des Fells wurde mit brauner Erde mit einem hohen organischen Anteil, vermutlich Kasseler Braun, erzielt, während für den Tisch und den Schädel gelber Ocker (Goethit) verwendet wurde. Außerdem kam als blaues Pigment Azurit zum Einsatz, das sich in geringen Mengen – um eine zu grelle Farbigkeit zu vermeiden – im Edelstein des Rings, im Graublau der auf dem Schädel sitzenden Fliege, und in der Iris der Augen findet. Die lateinische Inschrift steht im Einklang mit dem Gemälde und ist in perfektem Zustand.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 25.10.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.10. - 25.10.2023