Lot Nr. 131


Jean-Étienne Liotard und Frédéric Dumesnil


(Genf 1702–1789) und (Brüssel um 1710/17–1791)
Porträt von Kaiserin Maria Theresia als Königin von Böhmen und Ungarn (1717–1780); und
Porträt von Kaiser Franz I. Stephan, Herzog von Lothringen (1708–1765),
Pastell auf Pergament, je 67 x 55 cm, gerahmt, Pendants (2)

Provenienz:
Sammlung Herzog Leopold Philipp von Arenberg (1690–1754), Brüssel, vermutlich ein Geschenk des Kaiserhauses;
im Erbgang an dessen Sohn Herzog Karl Maria Raimund von Arenberg (1721–1778), Brüssel;
Vermerk einer Zahlung an Hofmaler Frédéric Dumesnil für die Restaurierung im Arenberg-Archiv: „Repeint deux portraits de Leurs Majestés impérials, en pastel, qui étaient tout gâtés, 7 ½ jours, le 9 may 1752, 24 fl. 9s., 9d.“ (siehe E. Laloire in der Literatur);
im Erbgang innerhalb der Familie Arenberg an Herzog Engelbert Karl von Arenberg (1899–1974) und Mathilde von Arenberg, geb. Callay (1913–1989), Monaco;
von diesen vererbt an den verstorbenen Bruder des jetzigen Besitzers

Literatur:
E. Laloire, Seigneurie d’ Enghien. Documents & Notices concernant l’histoire de la seigneurie d’ Enghien, Enghien 1914/22, S. 172;
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800, Frédéric Dumesnil, Online-Version, aktualisiert am 30. Mai 2022, S. 1;
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800, Jean-Étienne Liotard – Teil III: Named sitters F–L, Online-Version, aktualisiert am 18. September 2023, S. 2, Nr. J.49.1488 (als Replik, vermutlich eigenhändig);
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800, Jean-Étienne Liotard – Teil IV: Named sitters M–R, Online-Version, aktualisiert am 2023, S. 4, Nr. J.49.2001 (als Replik, vermutlich eigenhändig)

Wir danken Neill Jeffares für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots anhand von Fotografien.

Das vorliegende Pastellpaar, das in der Familie seines ersten Besitzers Herzog Leopold Philipp von Arenberg in Brüssel verblieben war, ist erst vor Kurzem ans Licht gekommen und war bisher unbekannt. Die beiden Porträts dürften ein kaiserliches Geschenk an den Herzog für seine treuen Dienste am habsburgischen Hof als Oberbefehlshaber der Österreichischen Niederlande und für seine Verdienste im Österreichischen Erbfolgekrieg gewesen sein. Nach dem Tod von Leopold Philipp im Jahr 1754 gingen die Pastelle an seinen Sohn Herzog Karl Maria Raimund von Arenberg über, der ebenfalls als Befehlshaber im österreichischen Kaiserreich diente. 1758 führte Karl die erfolgreiche Schlacht gegen Friedrich den Großen von Preußen an und wurde daraufhin mit dem Großkreuz und dem Maria-Theresien-Orden ausgezeichnet. Offensichtlich ließ Karl die Pastelle von dem Arenberger Hofmaler Frédéric Dumesnil restaurieren, denn die Bezahlung für diese Arbeit ist in den Arenberg’schen Familienbüchern am 9. Mai 1752 vermerkt.

Die Pastelle gehören zu den zahlreichen halbfigurigen Porträts, die Jean-Etienne Liotard bei seinem ersten Besuch in Wien 1743/45 zwecks Verteilung an Verbündete und strategische Kontakte im Kaiserreich anfertigte. In seiner Autobiografie ist festgehalten, wie Liotard bei diesem ersten Besuch die Kaiserin Maria Theresia und ihren Gemahl, ihre Mutter Kaiserin Elisabeth, ihre Schwester und deren Gemahl Prinz Karl von Lothringen und die Erzherzogin porträtierte.

Die Komposition des Porträts der Kaiserin basiert auf dem Pastell von 1743/44, heute in Ebenthal, Österreich, dessen Pendant zwar verloren, das aber in den Stichen von J. C. Reinsperger festgehalten ist (siehe M. Roethlisberger et.al., Liotard: Catalogue, Source et Correspondance, Doornspijk 2008, Kat.-Nr. 108, Abb. 158/161; und Kat.-Nr. 109/110, Abb. 159/160). Die Kaiserin ist hier in einem vorne gelb bestickten blauen Samtkleid mit Spitzenkragen, einem hermelingefütterten Umhang und mit einem Diadem festgehalten. Es sind mehrere weitere Versionen bekannt, darunter eine im Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen (Inv.-Nr. MMB.0175). Das Porträt Franz Stephans folgt dem Vorbild des Pastells von 1745, das sich heute im Schlossmuseum Weimar befindet (Inv.-Nr. G66). Der Kaiser ist hier in voller Rüstung mit dem Orden vom Goldenen Vlies und einer Perücke dargestellt, die Kaiserkrone an seiner Seite. Auch hier ist das vorliegende Porträt in anderen Fassungen bekannt (siehe die Auflistung in Roethlisberger 2008, S. 311).

Die Tätigkeit von Jean-Etienne Liotard in Wien ist in seiner Autobiografie gut dokumentiert. Er traf im September 1743 aus der Türkei kommend in der Stadt ein und wurde gleich am nächsten Tag bei Hof empfangen, wo er mit dem Großherzog und wenig später auch mit der Kaiserin zusammentraf. Liotards Erfolg bestand darin, dass er ein Standardmodell des halbfigurigen Porträts im Dreiviertelprofil nach rechts ohne Einbeziehung der Hände einführte. Dieses Modell konnte je nach Zweckbestimmung variiert werden. Hier ist Maria Theresia beispielsweise im königlichen Gewand, aber ohne Krone dargestellt, während Franz Stephan in voller Rüstung und mit der Kaiserkrone abgebildet ist.

Aufgrund ihrer ausgezeichneten Qualität und ihres Aufscheinens in den Arenberg’schen Familienbüchern hält Neill Jeffares die vorliegenden Pastelle anhand von hochauflösenden Fotografien für Originale Liotards, die allerdings 1752 von dem Arenberger Hofmaler Frédéric Dumesnil restauriert wurden. Dumesnil ist heute ein vergessener Künstler. Seine Tätigkeit für die Herzöge von Arenberg ist jedoch gut dokumentiert und umfasste Ansichten des Familiensitzes Enghien sowie Porträts und historische Szenen. Er fungierte auch als Vermittler beim Kauf von Kunstwerken (siehe E. Laloire 1914/22, S. 172–177).

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

25.10.2023 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 36.400,-
Schätzwert:
EUR 8.000,- bis EUR 12.000,-

Jean-Étienne Liotard und Frédéric Dumesnil


(Genf 1702–1789) und (Brüssel um 1710/17–1791)
Porträt von Kaiserin Maria Theresia als Königin von Böhmen und Ungarn (1717–1780); und
Porträt von Kaiser Franz I. Stephan, Herzog von Lothringen (1708–1765),
Pastell auf Pergament, je 67 x 55 cm, gerahmt, Pendants (2)

Provenienz:
Sammlung Herzog Leopold Philipp von Arenberg (1690–1754), Brüssel, vermutlich ein Geschenk des Kaiserhauses;
im Erbgang an dessen Sohn Herzog Karl Maria Raimund von Arenberg (1721–1778), Brüssel;
Vermerk einer Zahlung an Hofmaler Frédéric Dumesnil für die Restaurierung im Arenberg-Archiv: „Repeint deux portraits de Leurs Majestés impérials, en pastel, qui étaient tout gâtés, 7 ½ jours, le 9 may 1752, 24 fl. 9s., 9d.“ (siehe E. Laloire in der Literatur);
im Erbgang innerhalb der Familie Arenberg an Herzog Engelbert Karl von Arenberg (1899–1974) und Mathilde von Arenberg, geb. Callay (1913–1989), Monaco;
von diesen vererbt an den verstorbenen Bruder des jetzigen Besitzers

Literatur:
E. Laloire, Seigneurie d’ Enghien. Documents & Notices concernant l’histoire de la seigneurie d’ Enghien, Enghien 1914/22, S. 172;
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800, Frédéric Dumesnil, Online-Version, aktualisiert am 30. Mai 2022, S. 1;
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800, Jean-Étienne Liotard – Teil III: Named sitters F–L, Online-Version, aktualisiert am 18. September 2023, S. 2, Nr. J.49.1488 (als Replik, vermutlich eigenhändig);
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800, Jean-Étienne Liotard – Teil IV: Named sitters M–R, Online-Version, aktualisiert am 2023, S. 4, Nr. J.49.2001 (als Replik, vermutlich eigenhändig)

Wir danken Neill Jeffares für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots anhand von Fotografien.

Das vorliegende Pastellpaar, das in der Familie seines ersten Besitzers Herzog Leopold Philipp von Arenberg in Brüssel verblieben war, ist erst vor Kurzem ans Licht gekommen und war bisher unbekannt. Die beiden Porträts dürften ein kaiserliches Geschenk an den Herzog für seine treuen Dienste am habsburgischen Hof als Oberbefehlshaber der Österreichischen Niederlande und für seine Verdienste im Österreichischen Erbfolgekrieg gewesen sein. Nach dem Tod von Leopold Philipp im Jahr 1754 gingen die Pastelle an seinen Sohn Herzog Karl Maria Raimund von Arenberg über, der ebenfalls als Befehlshaber im österreichischen Kaiserreich diente. 1758 führte Karl die erfolgreiche Schlacht gegen Friedrich den Großen von Preußen an und wurde daraufhin mit dem Großkreuz und dem Maria-Theresien-Orden ausgezeichnet. Offensichtlich ließ Karl die Pastelle von dem Arenberger Hofmaler Frédéric Dumesnil restaurieren, denn die Bezahlung für diese Arbeit ist in den Arenberg’schen Familienbüchern am 9. Mai 1752 vermerkt.

Die Pastelle gehören zu den zahlreichen halbfigurigen Porträts, die Jean-Etienne Liotard bei seinem ersten Besuch in Wien 1743/45 zwecks Verteilung an Verbündete und strategische Kontakte im Kaiserreich anfertigte. In seiner Autobiografie ist festgehalten, wie Liotard bei diesem ersten Besuch die Kaiserin Maria Theresia und ihren Gemahl, ihre Mutter Kaiserin Elisabeth, ihre Schwester und deren Gemahl Prinz Karl von Lothringen und die Erzherzogin porträtierte.

Die Komposition des Porträts der Kaiserin basiert auf dem Pastell von 1743/44, heute in Ebenthal, Österreich, dessen Pendant zwar verloren, das aber in den Stichen von J. C. Reinsperger festgehalten ist (siehe M. Roethlisberger et.al., Liotard: Catalogue, Source et Correspondance, Doornspijk 2008, Kat.-Nr. 108, Abb. 158/161; und Kat.-Nr. 109/110, Abb. 159/160). Die Kaiserin ist hier in einem vorne gelb bestickten blauen Samtkleid mit Spitzenkragen, einem hermelingefütterten Umhang und mit einem Diadem festgehalten. Es sind mehrere weitere Versionen bekannt, darunter eine im Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen (Inv.-Nr. MMB.0175). Das Porträt Franz Stephans folgt dem Vorbild des Pastells von 1745, das sich heute im Schlossmuseum Weimar befindet (Inv.-Nr. G66). Der Kaiser ist hier in voller Rüstung mit dem Orden vom Goldenen Vlies und einer Perücke dargestellt, die Kaiserkrone an seiner Seite. Auch hier ist das vorliegende Porträt in anderen Fassungen bekannt (siehe die Auflistung in Roethlisberger 2008, S. 311).

Die Tätigkeit von Jean-Etienne Liotard in Wien ist in seiner Autobiografie gut dokumentiert. Er traf im September 1743 aus der Türkei kommend in der Stadt ein und wurde gleich am nächsten Tag bei Hof empfangen, wo er mit dem Großherzog und wenig später auch mit der Kaiserin zusammentraf. Liotards Erfolg bestand darin, dass er ein Standardmodell des halbfigurigen Porträts im Dreiviertelprofil nach rechts ohne Einbeziehung der Hände einführte. Dieses Modell konnte je nach Zweckbestimmung variiert werden. Hier ist Maria Theresia beispielsweise im königlichen Gewand, aber ohne Krone dargestellt, während Franz Stephan in voller Rüstung und mit der Kaiserkrone abgebildet ist.

Aufgrund ihrer ausgezeichneten Qualität und ihres Aufscheinens in den Arenberg’schen Familienbüchern hält Neill Jeffares die vorliegenden Pastelle anhand von hochauflösenden Fotografien für Originale Liotards, die allerdings 1752 von dem Arenberger Hofmaler Frédéric Dumesnil restauriert wurden. Dumesnil ist heute ein vergessener Künstler. Seine Tätigkeit für die Herzöge von Arenberg ist jedoch gut dokumentiert und umfasste Ansichten des Familiensitzes Enghien sowie Porträts und historische Szenen. Er fungierte auch als Vermittler beim Kauf von Kunstwerken (siehe E. Laloire 1914/22, S. 172–177).

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 25.10.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.10. - 25.10.2023


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