Lot Nr. 12 -


Georg Pencz


(Westheim/Bad Windsheim um 1500–1550 Wrocław)
Madonna mit Kind,
Öl auf Holz, 42 x 31,5 cm, gerahmt

Wir danken Anna Moraht-Fromm für die wissenschaftliche Bearbeitung. Ihr Gutachten (März 2024) liegt dem vorliegenden Lot bei.

Ebenfalls danken wir Peter Klein für die Untersuchung der Lindenholztafel sowie Manfred Schreiner für seine technische Analysen. In der Infrarotreflektografie wird ein Pentiment im Bereich von Marias Gesicht sichtbar.

Das hochrechteckige Bildformat gänzlich ausfüllend, ist die Halbfigur der Gottesmutter wie ein close-up dicht an den Betrachter herangerückt. Mit ihren weichen, wohlgeformten Händen umfängt sie ihr nacktes Kind, dessen Blöße lediglich von einem weißen Tuch bedeckt wird. In wonniger Unbeschwertheit streckt der blondgelockte Knabe die kräftigen Ärmchen seiner Mutter entgegen, während er sich gleichzeitig dem Betrachter zuwendet und ihn fixiert. Die Gottesmutter dagegen blickt melancholisch mit halb gesenkten Lidern ‒ fast wie in Trance ‒ ins Unbestimmte, als schaute sie das unausweichliche Kommen der Passion. Unter dem weißen Kopftuch fällt ihr straff mittig gescheiteltes, dunkelblondes, lockiges Haar lang über die Schultern herab. Ihr liebreizendes Gesicht mit sanft geröteten Wangen ist in nahezu vollkommener Symmetrie wiedergegeben. Ihr Mund kennzeichnet ein gleichmäßiger Amorbogen über einem feinplastisch herausgearbeiteten Philtrum. Beide – Mutter und Kind – umfängt ein fein gestrichelter Strahlenkranz aus Muschelgold vor grünem Grund.

Es gibt eine Reihe gewichtiger, stilistischer Gründe, diese Bildtafel Georg Pencz aus Nürnberg zuzuschreiben. Pencz wird um 1500 in Westheim, westlich von Nürnberg geboren. Bereits 1523 taucht sein Name im Verzeichnis der Nürnberger Maler erstmals auf, als er für 4 fl. das Bürgerrecht der Stadt Nürnberg erwirbt und offenbar unter unmittelbaren Einfluss Dürers, vermutlich in dessen Werkstatt seine Ausbildung erhält. Er heiratet Margaretha Graf, Tochter seines Malerkollegen Michael Graf (1529). Mit ihr hat er dreizehn Kinder. Drei Jahre später (1532) wird er Stadtmaler von Nürnberg und gilt damit als legitimer Nachfolger seines Lehrers Albrecht Dürer (1528†). Pencz, der vor allem als Maler, Kartograph und Kupferstecher tätig wird, gehört schnell zu den gefragtesten Künstlern der Reichsstadt. Als sich die Auftragslage durch die nachreformatorischen Entwicklungen in der Bilderfrage rapide verschlechtert, gilt Pencz alsbald als hoch verschuldet. Wie viele andere Künstler auch, entschließt er sich, Nürnberg zu verlassen und das Angebot des preußischen Herzogs Albrecht für diesen als Hofmaler tätig zu werden, anzunehmen. Auf der Reise nach Königsberg verstirbt er 1550 vermutlich in Leipzig oder Breslau.

Pencz Sujets bedienen die Bedürfnisse (und Moden) der neuen Zeit: Im Sinne der Entdeckung des Menschen konzentriert er sich auf das Portrait, bei dem er zu den überzeugendsten Spitzenwerken der deutschen Bildniskunst der nachdürerischen Zeit gelangt. Ferner nehmen Szenen und Ereignisse der Mythologie breiten Raum ein, wie z. B. die Caritas Romana (National Museum of Warsaw, Inv. no. 77802), deren blondgelocktes Haupthaar in dichter Anlehnung an den Schopf des kleinen Christusknaben gesehen werden muss. Wenn man von Pencz grafisch umgesetzten Zyklen einmal absieht, bleiben christlich-religiöse Themen wie die Madonna mit Kind in seiner Malerei die Ausnahme, womit diesem Tafelbild außerordentliche Bedeutung zukommt. Man wird sie sich – auch aufgrund ihres Formates ‒ als Andachtsbild im privaten Umfeld, vielleicht einer kleinen Kapelle vorzustellen haben.

Dass Pencz in Italien gewesen sein muss, ist in der Forschungsgeschichte bereits im 19. Jahrhundert gesehen worden. Mittlerweile gelten wenigstens zwei Reisen nach Italien mehr als wahrscheinlich, selbst wenn es in den einschlägigen Nürnberger Quellenkompendien überraschender Weise keine Belege dafür gibt. Doch bereits seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts gelten solche Reisen für die Weiterbildung eines Künstlers als obligatorisch. Eine dem italienischen Manierismus verpflichtete Italianitá wird in Pencz Werken nach 1525 zunehmend augenscheinlich. Der Norden Italiens, aber auch die florentinische und römische Schule üben auf Pencz einen besonderen Reiz aus. In einer neuartigen Lichtinszenierung des Hell-Dunkel in Verbindung mit einer satten, leuchtenden, teilweise auch krassen Farbigkeit in meist umriss- und flächenbetonter Formgebung bleiben die italienischen Vorbilder spürbar und machen eine unmittelbare Kenntnis der Werke z. B. Bronzinos, Romanos und/oder Bernardo Luini mehr als wahrscheinlich. Dabei gehen diese sich immer deutlicher ausprägenden italienischen Tendenzen mit dem im Fränkischen geschulten Individualstil eine einzigartige, unverwechselbare Verbindung miteinander ein.

Eine Variante der Madonna mit Kind Giulio Romanos (Mailand, nach Raphaels Mackintosh Madonna) könnte Pencz direkt vor Augen gehabt haben: Der blondgelockte, fröhlich-unbeschwerte aus dem Bilde blickende Christusknabe wendet sich dem Betrachter zu, während sein rechter Arm liebkosend auf der Schulter seiner Mutter liegt. Vermutlich wird man sich das vorliegende Bild in ähnlicher Weise vervollständigt vorzustellen haben: Das Kind steht in ganzer Figur auf einem Kissen.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 42.375,-
Schätzwert:
EUR 30.000,- bis EUR 40.000,-

Georg Pencz


(Westheim/Bad Windsheim um 1500–1550 Wrocław)
Madonna mit Kind,
Öl auf Holz, 42 x 31,5 cm, gerahmt

Wir danken Anna Moraht-Fromm für die wissenschaftliche Bearbeitung. Ihr Gutachten (März 2024) liegt dem vorliegenden Lot bei.

Ebenfalls danken wir Peter Klein für die Untersuchung der Lindenholztafel sowie Manfred Schreiner für seine technische Analysen. In der Infrarotreflektografie wird ein Pentiment im Bereich von Marias Gesicht sichtbar.

Das hochrechteckige Bildformat gänzlich ausfüllend, ist die Halbfigur der Gottesmutter wie ein close-up dicht an den Betrachter herangerückt. Mit ihren weichen, wohlgeformten Händen umfängt sie ihr nacktes Kind, dessen Blöße lediglich von einem weißen Tuch bedeckt wird. In wonniger Unbeschwertheit streckt der blondgelockte Knabe die kräftigen Ärmchen seiner Mutter entgegen, während er sich gleichzeitig dem Betrachter zuwendet und ihn fixiert. Die Gottesmutter dagegen blickt melancholisch mit halb gesenkten Lidern ‒ fast wie in Trance ‒ ins Unbestimmte, als schaute sie das unausweichliche Kommen der Passion. Unter dem weißen Kopftuch fällt ihr straff mittig gescheiteltes, dunkelblondes, lockiges Haar lang über die Schultern herab. Ihr liebreizendes Gesicht mit sanft geröteten Wangen ist in nahezu vollkommener Symmetrie wiedergegeben. Ihr Mund kennzeichnet ein gleichmäßiger Amorbogen über einem feinplastisch herausgearbeiteten Philtrum. Beide – Mutter und Kind – umfängt ein fein gestrichelter Strahlenkranz aus Muschelgold vor grünem Grund.

Es gibt eine Reihe gewichtiger, stilistischer Gründe, diese Bildtafel Georg Pencz aus Nürnberg zuzuschreiben. Pencz wird um 1500 in Westheim, westlich von Nürnberg geboren. Bereits 1523 taucht sein Name im Verzeichnis der Nürnberger Maler erstmals auf, als er für 4 fl. das Bürgerrecht der Stadt Nürnberg erwirbt und offenbar unter unmittelbaren Einfluss Dürers, vermutlich in dessen Werkstatt seine Ausbildung erhält. Er heiratet Margaretha Graf, Tochter seines Malerkollegen Michael Graf (1529). Mit ihr hat er dreizehn Kinder. Drei Jahre später (1532) wird er Stadtmaler von Nürnberg und gilt damit als legitimer Nachfolger seines Lehrers Albrecht Dürer (1528†). Pencz, der vor allem als Maler, Kartograph und Kupferstecher tätig wird, gehört schnell zu den gefragtesten Künstlern der Reichsstadt. Als sich die Auftragslage durch die nachreformatorischen Entwicklungen in der Bilderfrage rapide verschlechtert, gilt Pencz alsbald als hoch verschuldet. Wie viele andere Künstler auch, entschließt er sich, Nürnberg zu verlassen und das Angebot des preußischen Herzogs Albrecht für diesen als Hofmaler tätig zu werden, anzunehmen. Auf der Reise nach Königsberg verstirbt er 1550 vermutlich in Leipzig oder Breslau.

Pencz Sujets bedienen die Bedürfnisse (und Moden) der neuen Zeit: Im Sinne der Entdeckung des Menschen konzentriert er sich auf das Portrait, bei dem er zu den überzeugendsten Spitzenwerken der deutschen Bildniskunst der nachdürerischen Zeit gelangt. Ferner nehmen Szenen und Ereignisse der Mythologie breiten Raum ein, wie z. B. die Caritas Romana (National Museum of Warsaw, Inv. no. 77802), deren blondgelocktes Haupthaar in dichter Anlehnung an den Schopf des kleinen Christusknaben gesehen werden muss. Wenn man von Pencz grafisch umgesetzten Zyklen einmal absieht, bleiben christlich-religiöse Themen wie die Madonna mit Kind in seiner Malerei die Ausnahme, womit diesem Tafelbild außerordentliche Bedeutung zukommt. Man wird sie sich – auch aufgrund ihres Formates ‒ als Andachtsbild im privaten Umfeld, vielleicht einer kleinen Kapelle vorzustellen haben.

Dass Pencz in Italien gewesen sein muss, ist in der Forschungsgeschichte bereits im 19. Jahrhundert gesehen worden. Mittlerweile gelten wenigstens zwei Reisen nach Italien mehr als wahrscheinlich, selbst wenn es in den einschlägigen Nürnberger Quellenkompendien überraschender Weise keine Belege dafür gibt. Doch bereits seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts gelten solche Reisen für die Weiterbildung eines Künstlers als obligatorisch. Eine dem italienischen Manierismus verpflichtete Italianitá wird in Pencz Werken nach 1525 zunehmend augenscheinlich. Der Norden Italiens, aber auch die florentinische und römische Schule üben auf Pencz einen besonderen Reiz aus. In einer neuartigen Lichtinszenierung des Hell-Dunkel in Verbindung mit einer satten, leuchtenden, teilweise auch krassen Farbigkeit in meist umriss- und flächenbetonter Formgebung bleiben die italienischen Vorbilder spürbar und machen eine unmittelbare Kenntnis der Werke z. B. Bronzinos, Romanos und/oder Bernardo Luini mehr als wahrscheinlich. Dabei gehen diese sich immer deutlicher ausprägenden italienischen Tendenzen mit dem im Fränkischen geschulten Individualstil eine einzigartige, unverwechselbare Verbindung miteinander ein.

Eine Variante der Madonna mit Kind Giulio Romanos (Mailand, nach Raphaels Mackintosh Madonna) könnte Pencz direkt vor Augen gehabt haben: Der blondgelockte, fröhlich-unbeschwerte aus dem Bilde blickende Christusknabe wendet sich dem Betrachter zu, während sein rechter Arm liebkosend auf der Schulter seiner Mutter liegt. Vermutlich wird man sich das vorliegende Bild in ähnlicher Weise vervollständigt vorzustellen haben: Das Kind steht in ganzer Figur auf einem Kissen.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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