Lot Nr. 147


Sebastiano Ricci


(Belluno 1659–1734 Venedig)
Triumph der Venus,
Öl auf Leinwand, 48 x 38,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Frankreich;
Kunsthandel, Frankreich

Wir danken Annalisa Scarpa, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat.

Diese Komposition bezieht sich auf Sebastiano Riccis Gemälde Triumph der Meeresvenus, das sich im J. Paul Getty Museum in Los Angeles befindet (Öl auf Leinwand, 160 x 210,8 cm, Inv.-Nr. 72.PA.29). Im Gegensatz zu dem Bild des Getty ist das vorliegende Werk im Hochformat gehalten. Die Anordnung der Figuren entspricht zwar der des Getty-Gemäldes, doch gibt es leichte Abweichungen, insbesondere die Ausweitung des Himmels nach oben. Die pyramidenförmige Anordnung der Figuren im Raum erscheint im Getty-Gemälde ausgedehnter, im vorliegenden Werk gedrängter. Es wurde vermutet, dass das vorliegende Gemälde eine vorbereitende Skizze oder ein modello für das Getty-Gemälde gewesen sein könnte.

Die Komposition des vorliegenden Gemäldes ist in ihrer Konzeption erstaunlich eigenständig und zeugt von Sebastiano Riccis Erfindungsreichtum als Künstler. Als einer der führenden Protagonisten in der Entwicklung des Rokokostils erhielt er Aufträge von Sammlern und Kennern aus ganz Europa, und die Nachfrage nach seinen Werken wurde durch seine Reisen durch Italien und ins Ausland verstärkt. Annalisa Scarpa ordnet dieses Gemälde in die Reifezeit des Künstlers ein.

Ähnliche geometrische Kompositionen wie im vorliegenden Werk finden sich in Riccis Neptun und Amphitrite und dem Pendant Bacchus und Ariadne, die beide im Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid aufbewahrt werden (Inv.-Nr. 340, 1982.33 und Inv.-Nr. 341, 1982.34), jedoch mindestens ein Jahrzehnt früher entstanden sind und noch einen starken römischen Einfluss verraten (siehe A. Scarpa 2006, S. 236, Nr. 265, 266, Abb. 162, 163). Das vorliegende Gemälde zeigt bereits die typische Bildsprache von Riccis Reifezeit, seine Tendenz zu bühnenartigen Kulissen und einen postbarocken Geschmack, die Körperlichkeit der Figuren mit der Weichheit des Inkarnats zu verbinden. Auch die Farbwahl und der Einsatz des Helldunkels verorten das vorliegende Gemälde in eine ähnliche Entstehungszeit wie die großen Leinwände für Burlington House (heute Royal Academy, London, vgl. A. Scarpa 2006, S. 208 f., Nr. 190, 191, Abb. 412, 413).

Der flotte Pinselstrich, der sinnliche, verführerische Charakter der Protagonisten, die eleganten Formen und die Bedeutung, die dem das Spiel des Sonnenlichts willkommen heißenden Himmel zukommt, sind typische Elemente der Rokokomalerei. Najaden, Tritonen und Putten umschwirren die Göttin im Strudel der Wellen. Der Maler hat eine breite Palette von Farbtönen eingesetzt, um die verspielten, anmutigen Figuren zu beschreiben; sie reicht von muskulösen Männern mit gebräuntem Teint bis zu den Frauen mit Haut von zarter Blässe. Der perlweiße Körper der Venus wird durch rosafarbene Akzente auf den Wangen, der Brust, dem Bauch und den Knien akzentuiert. Im hellblauen Himmel, den diesigen Wolken und dem verblassenden Sonnenlicht finden sich schnelle, flüssige Pinselstriche in rosa Farbe. Die Göttin sitzt, umgeben von ihrem Gefolge, auf einem Thron, der mit elegant drapierten roten Tüchern bedeckt ist und von Tritonen gezogen wird. Sie wendet sich an einen ihrer Begleiter und befiehlt ihm, den Konvoi zu jenem Ufer im Hintergrund zu führen, auf das sie zeigt. Links benutzt ein junger Knabe eine Muschel als Trompete, um die Anwesenden vor der Richtungsänderung zu warnen. Ein in Rückenansicht gegebener Triton zieht im Vordergrund rechts an einer der am Muschelwagen befestigten Schnüre. Ein über die Szene fliegender Amor ergreift eine Handvoll Korallen von einem Tablett, das von einer zum Teil von der Göttin verdeckten Najade hochgehalten wird. Im oberen Bereich hält eine weitere, in ein safrangelbes Tuch gehüllte Najade eine Perlenkette in der rechten Hand, die über das Haar und die Schulter der Venus herabgleitet.

Sebastiano Ricci wurde in Belluno geboren und zog im Alter von zwölf Jahren nach Venedig, wo er bei dem Mailänder Künstler Federico Cervelli in die Lehre ging. Anschließend wechselte er nach Bologna und wurde Schüler von Giovanni Gioseffo Dal Sole. Dort erhielt er auch seine ersten offiziellen Aufträge und die Unterstützung des Herzogs von Parma, Ranuccio II. Farnese, der ihn mit den Werken Enthaltsamkeit des Scipio, Entführung der Helena (Parma, Nationalgalerie) und Szenen aus dem Leben von Papst Paul III. (Piacenza, Museo Civico) betraute. Ricci wurde nach Rom geschickt, um die Werke der Carracci zu studieren, und er begann dort, seinen eigenen Stil auszuprägen. Luca Giordano und die großen Ausstatter Pietro da Cortona und Baciccio spielten eine zentrale Rolle bei seiner Entwicklung. 1695 reiste er nach Norditalien und entdeckte Florenz, Bologna, Modena und Mailand, wo er auf Alessandro Magnasco traf. Um 1700 vollendete er mehrere Ausstattungsprogramme in Venedig, Rom und Padua. Nach einem Aufenthalt in Wien im Jahr 1702 freskierte er um 1706/07 in den Palazzi Marucelli und Pitti in Florenz; die dort entstandenen Werke nehmen Anleihe bei Veronese und lassen den Rokokostil seiner vollen künstlerischen Reife erkennen. Die Madonna mit Kind und Heiligen in der Kirche San Giorgio Maggiore in Venedig zeugt von diesem neuen, klaren, großzügigen, dynamischen und fließenden Malstil. Zwischen 1712 und 1716 reiste er mit seinem Neffen Marco nach London, wo er unter anderem die großen mythologischen Kompositionen für Burlington House malte. Auf dem Rückweg machte Ricci 1718 in Paris Halt und wurde mit dem Bild Triumph der Weisheit über die Unwissenheit, das seinen internationalen Ruf begründete, an der Akademie für Malerei und Bildhauerei aufgenommen. Er beendete seine Laufbahn in Venedig, wo er eine beträchtliche Anzahl von dekorativen Gemälden mit mythologischen oder allegorischen Themen sowie Kirchenmalereien schuf.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Sebastiano Ricci


(Belluno 1659–1734 Venedig)
Triumph der Venus,
Öl auf Leinwand, 48 x 38,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Frankreich;
Kunsthandel, Frankreich

Wir danken Annalisa Scarpa, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat.

Diese Komposition bezieht sich auf Sebastiano Riccis Gemälde Triumph der Meeresvenus, das sich im J. Paul Getty Museum in Los Angeles befindet (Öl auf Leinwand, 160 x 210,8 cm, Inv.-Nr. 72.PA.29). Im Gegensatz zu dem Bild des Getty ist das vorliegende Werk im Hochformat gehalten. Die Anordnung der Figuren entspricht zwar der des Getty-Gemäldes, doch gibt es leichte Abweichungen, insbesondere die Ausweitung des Himmels nach oben. Die pyramidenförmige Anordnung der Figuren im Raum erscheint im Getty-Gemälde ausgedehnter, im vorliegenden Werk gedrängter. Es wurde vermutet, dass das vorliegende Gemälde eine vorbereitende Skizze oder ein modello für das Getty-Gemälde gewesen sein könnte.

Die Komposition des vorliegenden Gemäldes ist in ihrer Konzeption erstaunlich eigenständig und zeugt von Sebastiano Riccis Erfindungsreichtum als Künstler. Als einer der führenden Protagonisten in der Entwicklung des Rokokostils erhielt er Aufträge von Sammlern und Kennern aus ganz Europa, und die Nachfrage nach seinen Werken wurde durch seine Reisen durch Italien und ins Ausland verstärkt. Annalisa Scarpa ordnet dieses Gemälde in die Reifezeit des Künstlers ein.

Ähnliche geometrische Kompositionen wie im vorliegenden Werk finden sich in Riccis Neptun und Amphitrite und dem Pendant Bacchus und Ariadne, die beide im Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid aufbewahrt werden (Inv.-Nr. 340, 1982.33 und Inv.-Nr. 341, 1982.34), jedoch mindestens ein Jahrzehnt früher entstanden sind und noch einen starken römischen Einfluss verraten (siehe A. Scarpa 2006, S. 236, Nr. 265, 266, Abb. 162, 163). Das vorliegende Gemälde zeigt bereits die typische Bildsprache von Riccis Reifezeit, seine Tendenz zu bühnenartigen Kulissen und einen postbarocken Geschmack, die Körperlichkeit der Figuren mit der Weichheit des Inkarnats zu verbinden. Auch die Farbwahl und der Einsatz des Helldunkels verorten das vorliegende Gemälde in eine ähnliche Entstehungszeit wie die großen Leinwände für Burlington House (heute Royal Academy, London, vgl. A. Scarpa 2006, S. 208 f., Nr. 190, 191, Abb. 412, 413).

Der flotte Pinselstrich, der sinnliche, verführerische Charakter der Protagonisten, die eleganten Formen und die Bedeutung, die dem das Spiel des Sonnenlichts willkommen heißenden Himmel zukommt, sind typische Elemente der Rokokomalerei. Najaden, Tritonen und Putten umschwirren die Göttin im Strudel der Wellen. Der Maler hat eine breite Palette von Farbtönen eingesetzt, um die verspielten, anmutigen Figuren zu beschreiben; sie reicht von muskulösen Männern mit gebräuntem Teint bis zu den Frauen mit Haut von zarter Blässe. Der perlweiße Körper der Venus wird durch rosafarbene Akzente auf den Wangen, der Brust, dem Bauch und den Knien akzentuiert. Im hellblauen Himmel, den diesigen Wolken und dem verblassenden Sonnenlicht finden sich schnelle, flüssige Pinselstriche in rosa Farbe. Die Göttin sitzt, umgeben von ihrem Gefolge, auf einem Thron, der mit elegant drapierten roten Tüchern bedeckt ist und von Tritonen gezogen wird. Sie wendet sich an einen ihrer Begleiter und befiehlt ihm, den Konvoi zu jenem Ufer im Hintergrund zu führen, auf das sie zeigt. Links benutzt ein junger Knabe eine Muschel als Trompete, um die Anwesenden vor der Richtungsänderung zu warnen. Ein in Rückenansicht gegebener Triton zieht im Vordergrund rechts an einer der am Muschelwagen befestigten Schnüre. Ein über die Szene fliegender Amor ergreift eine Handvoll Korallen von einem Tablett, das von einer zum Teil von der Göttin verdeckten Najade hochgehalten wird. Im oberen Bereich hält eine weitere, in ein safrangelbes Tuch gehüllte Najade eine Perlenkette in der rechten Hand, die über das Haar und die Schulter der Venus herabgleitet.

Sebastiano Ricci wurde in Belluno geboren und zog im Alter von zwölf Jahren nach Venedig, wo er bei dem Mailänder Künstler Federico Cervelli in die Lehre ging. Anschließend wechselte er nach Bologna und wurde Schüler von Giovanni Gioseffo Dal Sole. Dort erhielt er auch seine ersten offiziellen Aufträge und die Unterstützung des Herzogs von Parma, Ranuccio II. Farnese, der ihn mit den Werken Enthaltsamkeit des Scipio, Entführung der Helena (Parma, Nationalgalerie) und Szenen aus dem Leben von Papst Paul III. (Piacenza, Museo Civico) betraute. Ricci wurde nach Rom geschickt, um die Werke der Carracci zu studieren, und er begann dort, seinen eigenen Stil auszuprägen. Luca Giordano und die großen Ausstatter Pietro da Cortona und Baciccio spielten eine zentrale Rolle bei seiner Entwicklung. 1695 reiste er nach Norditalien und entdeckte Florenz, Bologna, Modena und Mailand, wo er auf Alessandro Magnasco traf. Um 1700 vollendete er mehrere Ausstattungsprogramme in Venedig, Rom und Padua. Nach einem Aufenthalt in Wien im Jahr 1702 freskierte er um 1706/07 in den Palazzi Marucelli und Pitti in Florenz; die dort entstandenen Werke nehmen Anleihe bei Veronese und lassen den Rokokostil seiner vollen künstlerischen Reife erkennen. Die Madonna mit Kind und Heiligen in der Kirche San Giorgio Maggiore in Venedig zeugt von diesem neuen, klaren, großzügigen, dynamischen und fließenden Malstil. Zwischen 1712 und 1716 reiste er mit seinem Neffen Marco nach London, wo er unter anderem die großen mythologischen Kompositionen für Burlington House malte. Auf dem Rückweg machte Ricci 1718 in Paris Halt und wurde mit dem Bild Triumph der Weisheit über die Unwissenheit, das seinen internationalen Ruf begründete, an der Akademie für Malerei und Bildhauerei aufgenommen. Er beendete seine Laufbahn in Venedig, wo er eine beträchtliche Anzahl von dekorativen Gemälden mit mythologischen oder allegorischen Themen sowie Kirchenmalereien schuf.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024