Lot Nr. 150


Jean-Étienne Liotard


(Genf 1702–1789)
Halbfiguriges Porträt eines Edelmanns,
Pastell auf Pergament, 69,5 x 58 cm, gerahmt

Provenienz:
Kunsthandel, Schweiz;
Privatsammlung, Frankreich

Literatur:
M. Roethlisberger, R. Loche, Liotard. Catalogue, Sources et Correspondance, Doornspijk 2008, Bd. I, S. 333, Kat.-Nr. 132, Bd. II, Abb. 218 (als Jean-Étienne Liotard);
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800. Jean-Étienne Liotard, Named sitters F–L, Online-Ausgabe, aktualisiert im Februar 2024, S. 10, Nr. J.49.1733 (als Jean-Étienne Liotard)

Das vorliegende Porträt tauchte 1954 im Schweizer Kunsthandel zusammen mit einem weiblichen Pendant auf. Man nahm an, dass es sich bei den Werken um Bildnisse des Grafen Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg und seiner Frau, Maria Ernestine, geb. Gräfin von Starhemberg, handelte. Beide Gemälde wurden versuchsweise Liotard zugeschrieben, bevor sie von Marcel Roethlisberger in seinem 2008 erschienenen Werkverzeichnis (siehe Literatur) zur Gänze als eigenhändige Werke anerkannt wurden. Roethlisberger hat die Identifizierung des Dargestellten als Graf Kaunitz nicht unterstützt, hält jedoch eine österreichische Provenienz für plausibel.

Jean-Étienne Liotard entwickelte einen Porträtstil, der sich von den Werken anderer Künstler und den Moden der Zeit abhob. Sein künstlerischer Ansatz war ungeachtet des Ranges der Porträtierten außerordentlich direkt. Seine Dargestellten sind in einem einfach beleuchteten Raum von geringer Tiefe wiedergegeben und stehen vor einem schlichten, meist graubraunen Hintergrund. Er schmückte seine Modelle nicht durch besondere Posen oder Attribute. Sein Erfolg beruhte auf seiner Fähigkeit, ein genaues Abbild zu erreichen, auf seiner scharfen Beobachtungsgabe, seinem maßvollen Stil und der Einfachheit seiner Kompositionen.

Der Dargestellte des vorliegenden Porträts ist eine Persönlichkeit von Rang mit gepuderter Perücke und pelzverbrämtem Mantel trägt. Ein besonderes Merkmal ist Liotards unterschiedliche Behandlung einzelner Details. Während die Ausführung des rosafarbenen Mantels flott und kraftvoll ist und viele Schraffuren aufweist, die an manchen Stellen sogar den Blick auf den Bildträger Pergament freigeben, sind Kopf und Pelzbesatz mit großer Sorgfalt und Präzision wiedergegeben. Diese unterschiedliche Aufmerksamkeit, die der Künstler hier einzelnen Bildelementen angedeihen ließ, verschwindet in den späteren Pastellen des Meisters zugunsten einer homogeneren Ausführung.

Die Maltechnik steht dem Stil Liotards während seines Aufenthalts in Wien 1743–1745 nahe. Er fand Gefallen bei Hofe und malte Kaiserin Maria Theresia und andere königliche Porträts, darunter das heute im Schloss Schönbrunn in Wien aufbewahrte Bildnis von Kaiserin Maria Theresia, das eine ähnliche Umsetzung von Haar und Gesicht sowie des Pelzbesatzes und der Details der weißen Bluse erkennen lässt (siehe Roethlisberger/Loche 2008, Bd. I, S. 304, Kat.-Nr. 107, Bd. II, Abb. 157). Die Ausführung des vorliegenden Pastells ist auch mit dem Porträt eines Großwesirs vergleichbar, das Liotard in Konstantinopel malte, wo er kurz vor seinem Aufenthalt in Wien tätig war (National Gallery, London, Inv.-Nr. NG4460). In Wien malte Liotard auch sein berühmtestes Pastell, La Belle Chocolatière, die ganzfigurige Darstellung eines Zimmermädchens, das ein Tablett mit einer Tasse Schokolade trägt (Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. P 161).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Jean-Étienne Liotard


(Genf 1702–1789)
Halbfiguriges Porträt eines Edelmanns,
Pastell auf Pergament, 69,5 x 58 cm, gerahmt

Provenienz:
Kunsthandel, Schweiz;
Privatsammlung, Frankreich

Literatur:
M. Roethlisberger, R. Loche, Liotard. Catalogue, Sources et Correspondance, Doornspijk 2008, Bd. I, S. 333, Kat.-Nr. 132, Bd. II, Abb. 218 (als Jean-Étienne Liotard);
N. Jeffares, Dictionary of Pastellists before 1800. Jean-Étienne Liotard, Named sitters F–L, Online-Ausgabe, aktualisiert im Februar 2024, S. 10, Nr. J.49.1733 (als Jean-Étienne Liotard)

Das vorliegende Porträt tauchte 1954 im Schweizer Kunsthandel zusammen mit einem weiblichen Pendant auf. Man nahm an, dass es sich bei den Werken um Bildnisse des Grafen Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg und seiner Frau, Maria Ernestine, geb. Gräfin von Starhemberg, handelte. Beide Gemälde wurden versuchsweise Liotard zugeschrieben, bevor sie von Marcel Roethlisberger in seinem 2008 erschienenen Werkverzeichnis (siehe Literatur) zur Gänze als eigenhändige Werke anerkannt wurden. Roethlisberger hat die Identifizierung des Dargestellten als Graf Kaunitz nicht unterstützt, hält jedoch eine österreichische Provenienz für plausibel.

Jean-Étienne Liotard entwickelte einen Porträtstil, der sich von den Werken anderer Künstler und den Moden der Zeit abhob. Sein künstlerischer Ansatz war ungeachtet des Ranges der Porträtierten außerordentlich direkt. Seine Dargestellten sind in einem einfach beleuchteten Raum von geringer Tiefe wiedergegeben und stehen vor einem schlichten, meist graubraunen Hintergrund. Er schmückte seine Modelle nicht durch besondere Posen oder Attribute. Sein Erfolg beruhte auf seiner Fähigkeit, ein genaues Abbild zu erreichen, auf seiner scharfen Beobachtungsgabe, seinem maßvollen Stil und der Einfachheit seiner Kompositionen.

Der Dargestellte des vorliegenden Porträts ist eine Persönlichkeit von Rang mit gepuderter Perücke und pelzverbrämtem Mantel trägt. Ein besonderes Merkmal ist Liotards unterschiedliche Behandlung einzelner Details. Während die Ausführung des rosafarbenen Mantels flott und kraftvoll ist und viele Schraffuren aufweist, die an manchen Stellen sogar den Blick auf den Bildträger Pergament freigeben, sind Kopf und Pelzbesatz mit großer Sorgfalt und Präzision wiedergegeben. Diese unterschiedliche Aufmerksamkeit, die der Künstler hier einzelnen Bildelementen angedeihen ließ, verschwindet in den späteren Pastellen des Meisters zugunsten einer homogeneren Ausführung.

Die Maltechnik steht dem Stil Liotards während seines Aufenthalts in Wien 1743–1745 nahe. Er fand Gefallen bei Hofe und malte Kaiserin Maria Theresia und andere königliche Porträts, darunter das heute im Schloss Schönbrunn in Wien aufbewahrte Bildnis von Kaiserin Maria Theresia, das eine ähnliche Umsetzung von Haar und Gesicht sowie des Pelzbesatzes und der Details der weißen Bluse erkennen lässt (siehe Roethlisberger/Loche 2008, Bd. I, S. 304, Kat.-Nr. 107, Bd. II, Abb. 157). Die Ausführung des vorliegenden Pastells ist auch mit dem Porträt eines Großwesirs vergleichbar, das Liotard in Konstantinopel malte, wo er kurz vor seinem Aufenthalt in Wien tätig war (National Gallery, London, Inv.-Nr. NG4460). In Wien malte Liotard auch sein berühmtestes Pastell, La Belle Chocolatière, die ganzfigurige Darstellung eines Zimmermädchens, das ein Tablett mit einer Tasse Schokolade trägt (Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. P 161).

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024