Lot Nr. 152


Francisco José de Goya y Lucientes


(Fuendetodos 1746–1828 Bordeaux)
Halbfigurige Porträtskizze der Infantin María Isabel (1789–1848), der späteren Königin beider Sizilien, für das Gruppenporträt der Familie Carlos IV.,
Öl auf Leinwand, 71,8 x 59,1 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung der Infantin María Isabel (1789–1848), der späteren Königen beider Sizilien, Neapel;
womöglich Weitergabe im Erbgang an deren Tochter María Amalia de Borbón-Dos Sicilias (1818–1857) und ihren Gemahl, Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875), Infant von Spanien und Portugal, Madrid/Pau, 1832 oder 1847; oder womöglich Weitergabe im Erbgang an deren Tochter Luisa Carlota de Borbón-Dos Sicilias (1804–1844), Neapel/Madrid, 1819 und sodann Weitergabe im Erbgang an deren Tochter María Cristina (1833–1902), Infantin von Spanien und Portugal, Madrid, und ihren Gemahl, Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875), Infant von Spanien und Portugal, Madrid/Pau, 1860;
womöglich Weitergabe im Erbgang an deren Sohn, Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón (1862–1892), 1. Duque de Dúrcal, Madrid/Paris (rückseitiger Aufkleber: ppabdc, möglicherweise für Prinz Pierre de Alcántara de Bourbon, Duc de Durcal);
vermutlich Mariano Hernando, Madrid (lt. Archiv Heinemann, Inv.-Nr. 11584);
Dowdeswell and Dowdeswell’s Gallery, London, 1912;
verkauft an M. Durand Ruel & Bernheim, Paris, 1912;
Kunsthandel Heinemann, München, 1912–1916;
verkauft an Dr. Richard Werner, Stuttgart, September 1916;
Kunsthandel Durand Ruel & Bernheim, Paris, 1924;
verkauft an Baron Hugo Ernst von Grundherr, Luzern, 1924;
Sammlung Graf Alessandro Contini Bonacossi, Florenz, 1924;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, The Old Spanish Masters from the Contini-Bonacossi Collections, Mai – Juli 1930, Nr. 29 (als Goya);
Venedig, XXVI Esposizione Biennale Internazionale d’Arte, 14. Juni – 19. Oktober 1952 (als Goya, rückseitiger Aufkleber)

Literatur:
vermutlich El Conde de la Viñaza [C. Muñoz y Manzano], Goya. Su tiempo, su vida, sus obras, Madrid 1887, S. 217, Nr. IX (als „Retrato de la Infanta niña D.a María Isabel, futura mujer del Príncipe heredero de Nápoles. Estudio para el cuadro de la familia de Carlos IV.“, 74 x 60 cm, ohne Abb.);
vermutlich P. Lafond, Goya, Paris 1902, S. 118, Nr. 18 (als „Portrait de la jeune Infante Marie-Isabelle, plus tard femme du prince héritier de Neapel. Etude pour le tableau de La famille de Charles IV.“, 74 x 60 cm, ohne Abb.);
vermutlich A. F. Calvert, Goya. An Account of his Life and Works. With 612 Reproductions from his Pictures, Etchings, and Lithographs, London 1908, S. 122, Nr. 4 (h) („Studies for the preceding picture [Portrait of the Family of Charles IV]. Princess Isabella, afterwards Queen of Neapel“, ohne Maße und ohne Abb.);
vermutlich H. Stokes, Francisco Goya. A Study of the Work and Personality of the Eighteenth-Century Spanish Painter and Satirist, London 1914, S. 236, 326, Nr. 12 (i) (als „Isabella, afterwards Queen of Neapel“, ohne Maße und ohne Abb.);
X. Desparmet Fitz-Gerald, L’œuvre peint de Goya. Catalogue raisonné, Bd. II, Paris 1928–1950, S. 120, Anm. unter Nr. 402 (72 x 59 cm, ohne Abb.);
R. Longhi, A. L. Mayer, The Old Spanish Masters from the Contini-Bonacossi Collection, Rom 1930, Ausstellungskatalog, Kat.-Nr. 29, Tafel XX („The picture […] is the real original study […]“, mit den Maßen 56 x 42 cm);
R. Pallucchini et al. (Hg.), XXVI Biennale di Venezia: catalogo, Venedig 1952, 1. Aufl., Ausstellungskatalog, S. 353, Nr. 15 (als Francisco de Goya y Luciente „Ritratto della Infanta Isabel. Firenze, coll. Conte Alessandro Contini Bonacossi“, ohne Maße und ohne Abb.);
J. A. Gaya-Nuño, La Pintura Española fuera de España. Historia y Catálogo, Madrid 1958, Nr. 985 (mit den Maßen 56 x 42 cm, ohne Abb.)

Wir danken Guillaume Kientz, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat.

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um eine Porträtskizze der Infantin María Isabel von Spanien, die Goya 1800 in Vorbereitung des großen Gruppenporträts Die Familie Carlos IV. malte, welches sich heute im Museo del Prado in Madrid befindet.

Goyas vorbereitende Skizzen für das Gruppenbildnis Die Familie Carlos IV. von Spanien

Das vorliegende Porträt der Infantin María Isabel von Spanien lässt sich in Stil, Farbgebung und Format mit fünf weiteren bekannten Porträtskizzen von Mitgliedern der königlichen Familie vergleichen, die Goya in Vorbereitung für das endgültige Gruppenporträt anfertigte. Es sind dies: Infant Don Antonio Pascual von Spanien (72,5 x 59,4 cm), der jüngere Bruder von Carlos IV.; Infantin María Josefa von Spanien (74 x 60 cm), die Schwester von Carlos IV.; Infant Carlos Maria Isidro von Bourbon und Parma (74 x 60 cm), der zweite Sohn von Carlos IV.; Infant Francisco de Paula von Spanien (74 x 60 cm), der jüngste Sohn von Carlos IV., und Infant Luis, König von Etrurien und Prinz von Parma (72,5 x 59,4 cm), der Schwiegersohn von Carlos IV. Die genannten Skizzen werden allesamt im Museo del Prado in Madrid aufbewahrt.

Komposition und Malweise dieser Porträtskizzen sind einander sehr ähnlich. Wie im vorliegenden Werk hat Goya die Porträtierten in Brust- oder Halbfigur in der Bildmitte platziert. Die Figuren sind mit schnellen, lebendigen Pinselstrichen ausgeführt, was darauf schließen lässt, dass der Künstler jedes Familienmitglied in einer einzigen Sitzung skizziert hat. Alle Dargestellten sind auf rötlich-ockerfarbenem Grund dargestellt, um den herum ein dunklerer Farbbereich anschließt. Laut Arturo Ansón Navarro vom Instituto „Goya“ de Zaragoza sind nicht nur stilistische und technische Ähnlichkeiten feststellbar, sondern auch die Webart der Leinwand des vorliegenden Gemäldes lässt sich mit den Leinwänden der anderen fünf Porträtskizzen vergleichen.

Goyas Gruppenbildnis Die Familie Carlos IV. von Spanien

Das berühmte Gruppenbildnis Die Familie Carlos IV. von Spanien ist gut dokumentiert und lässt sich in seiner Entstehung auf Grundlage von Briefen und Rechnungen rekonstruieren. Goyas Einkauf von Leinwänden für die Porträtskizzen der königlichen Familie, welche während eines Aufenthalts in der königlichen Residenz von Aranjuez angefertigt werden sollten, ist mit einer Rechnung vom 23. Juli 1800 dokumentiert: „Gastos ocurridos en la Jornada del Real Sitio de Aranjuez, para sacar los diez retratos de sus Majestades y Real familia“ [„Ausgaben für eine Reise zum Königspalast von Aranjuez, um zehn Porträts ihrer Majestäten und der königlichen Familie zu malen“] (siehe Archivo General de Palacio, Madrid, Patrimonio Nacional, veröffentlicht bei V. de Sambricio, Tapices de Goya, Madrid 1946, S. CXXXVIII, Dok. 213).

In einem Schreiben vom 22. April 1800 von Königin María Luisa an ihren engen Vertrauten, den ersten Staatsminister Spaniens Manuel de Godoy y Álvarez de Faria Rios, ist zu lesen: „Der König sagt, wenn Goya mit dem Malen Ihrer Gemahlin [María Teresa, Gräfin Chinchón] fertig ist, soll er [nach Aranjuez] kommen, um das Porträt von uns allen zu machen“ (siehe C. Pereyra, Cartas confidenciales de la Reina María Luisa y de Don Manuel Godoy…, Madrid 1935, S. 304). Aufzeichnungen zufolge besorgte Goya das benötigte Material zwischen 29. April und 7. Mai 1800 in Madrid und traf in der königlichen Residenz von Aranjuez mit den grundierten und bereits auf Keilrahmen aufgezogenen Leinwänden ein (siehe M. Mena Marqués, La familia de Carlos IV. Goya, Madrid 2002, S. 133). Nach dem 7. Mai begann er mit der Arbeit an den Skizzen der Mitglieder der Königsfamilie. Am 9. Juni 1800 schrieb Königin María Luisa abermals an Godoy: „Morgen beginnt Goya ein weiteres Porträt von mir, alle anderen sind fertig, und alle sind sie sehr ordentlich“ (siehe Pereyra 1935, S. 310). Die vorliegende Skizze der zehnjährigen Infantin María Isabel, der jüngsten Tochter Königs Carlos IV., müsste demnach zwischen Mitte Mai und 9. Juni 1800 gemalt worden sein.

Dieses bis dato wenig bekannte Werk wurde bisher nicht von allen Forscher*innen akzeptiert bzw. nicht umfassend geprüft. Es wurde jedoch von Roberto Longhi und August L. Mayer (1930), von Xavier Desparmet Fitz-Gerald (1928–1950) sowie von Juan Antonio Gaya Nuño (1958 ) als eigenhändiges Werk von Francisco José de Goya y Lucientes angesehen. Im Jahr 1952 war es als eigenhändiges Werk Goyas auf der XXVI. Biennale di Venezia ausgestellt (siehe Literatur).

Stilistische Analyse der Porträtskizze von Infantin María Isabel


Nach Ansicht von Arturo Ansón Navarro ist das Gesicht der Infantin María Isabel meisterhaft und realistisch gemalt. Er sieht die Augen in einer für Goya typischen Weise ausgeführt: Zuerst malte der Künstler die Iris und die Pupille; dann umriss er die oberen Wimpern und füllte die Sklera des Auges mit Weiß aus, wobei er etwas Raum unbemalt ließ, wo das Ocker der Imprimatur sichtbar wird. Schließlich setzte er in die Pupillen einen Punkt als Glanzlicht. Die Wimpern und die Ränder der unteren Augenlider wurden in kaum wahrnehmbarem rötlichem Ocker gemalt.

Die Augen der Infantin María Isabel, in denen eine kindliche Lebendigkeit zum Ausdruck kommt, sind mit jenen des Porträts der Gräfin von Chinchón vergleichbar, das Goya im April 1800, ein oder zwei Monate vor der vorliegenden Skizze, malte. Die Gräfin von Chinchón war die Ehefrau von Manuel Godoy, und auch ihr Porträt befindet sich im Museo del Prado in Madrid (Inv.-Nr. P007767).

Die Malweise der Nase der jungen Infantin ist ähnlich wie die der Augen, wobei die Glanzlichter und Nasenlöcher in hellem Ocker gehalten sind. Auch der Mund der Infantin gleicht dem der bereits erwähnten Gräfin von Chinchón. Für die Einbuchtung der Lippen setzte Goya ocker- bis rosafarbene Pinselstriche mit einigen helleren Akzenten in der Mitte. Es sei darauf hingewiesen, dass einige der originalen Pinselstriche des vorliegenden Gemäldes bei der Restaurierung verloren gegangen sein könnten, insbesondere im Bereich der Oberlippe.

Die Wangenknochen der Dargestellten erscheinen rosig, auf dem linken Wangenknochen sind ähnlich wie bei dem Chinchón-Porträt rötliche Reflexe zu sehen. Goya hat den rechten Kiefer nicht umrissen; die Grundierung in Ocker ist gut sichtbar. Er hat es mit einem etwas dunkleren Pigment angedeutet, mit welchem er auch den unteren Teil des Kinns definiert hat, in tonaler Abstufung mit dem helleren Ockerton, der für den Hals verwendet wurde. Eine ähnliche Lösung setzte Goya in der Folge für das Porträt der Infantin María Isabel im ausgeführten Gruppenporträts der Familie Carlos IV. ein. Das rechte Ohr ist in denselben Farbtönen gehalten, ausgehend von einem ockerfarbenen Grundton; einfache bräunliche Akzente wurden für die inneren Bereiche gesetzt, hellere und rosafarbene Tupfer finden sich am Rand der Ohrmuschel und am Ohrläppchen.

Die Ohren schmücken zarte, filigrane Ohrringe, gemalt mit einfachen, dynamischen weißen und gelblichen Pinselstrichen, wobei lediglich die Glanzlichter angedeutet werden, die die geschwungenen Formen der ovalen Reifen der Ohrringe beschreiben. Ähnlichen Ohrschmuck malte Goya bei der Porträtskizze der Infantin María Josefa von Spanien. Der linke Ohrring der hier dargestellten Infantin María Isabel ist kaum sichtbar und könnte durch Reinigung oder Bereibungungen verloren gegangen sein.

Der Hals der Infantin erscheint auf der vorliegenden Porträtskizze gestreckter und anmutiger als auf dem ausgeführten Gemälde der Familie Carlos IV. Hier hat sich Goya auf eine kursorische Beschreibung des Oberkörpers und der Kleidung der Dargestellten beschränkt, wobei er den tiefen Ausschnitt des Kleides skizziert hat. Das Kleid ähnelt dem der Mutter, Königin María Luisa, im finalen Familienporträt und entspricht der damaligen französischen Mode. Die Infantin trägt ein Musselinhemd im griechischen Stil, darüber ein asymmetrisches mit Gold- und Silberfäden besticktes Wams. Die Schultern sind sanft gewölbt; die Ärmel des Kleides sind kurz und umschließen eng die bloßen Arme. Der kurze rechte Ärmel ist sehr locker mit breiten, blaugrünen Pinselstrichen wiedergegeben und wird mit gelbem und weißem Impasto akzentuiert, mit dem der Künstler das Leuchten der Goldfäden angedeutet hat. Da es sich hier um eine Vorstudie für das große Familienporträt handelt, war Goya offensichtlich nicht daran interessiert, weitere Teile des Kleides zu präzisieren und zu definieren. Die Umsetzung ist daher hier sehr einfach mit schnellen, nicht durchgängigen Pinselstrichen erfolgt.

Der rechte Unterarm ist nur ganz oben mit breiten Pinselstrichen in hellem Ocker definiert, die bald abbrechen bzw. mit der rötlich-ockerfarbenen Grundschicht verschmelzen. Der linke Unterarm bleibt im Schatten und undefiniert, er wird bloß durch eine dunklere ockerfarbene Schattierung angedeutet. Dies erklärt sich zweifellos aus der Tatsache, dass dieser Arm im ausgeführten Gruppenporträt der Familie Carlos IV. vom Kleid der Mutter verdeckt wird.

Auf der vorliegenden Porträtskizze wie auch auf dem fertig ausgeführten Familienporträt trägt die Infantin María Isabel wie ihre gesamte Familie das Band des königlichen Ordens Karls III. von Spanien. Der Orden wurde im September 1771 mittels königlichem Erlass gestiftet, um herausragende Adlige, Geistliche, Angehörige des Militärs, Bürger und Mitglieder der königlichen Verwaltung auszuzeichnen, die sich durch ihre aufgeklärten Ideen und die Förderung des Fortschritts der spanischen Krone, ihrer Institutionen und Untertanen auf beiden Kontinenten (Europa und Amerika) verdient machten. Das Ordensband war in Weiß-Blau, den Farben, die im Katholizismus für die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria standen, gehalten: ein Dogma, das in Spanien seit dem Mittelalter passioniert hochgehalten wurde und dem der spanische Monarch treu ergeben war.

Der Haarschmuck der Infantin María Isabel

Das gelockte und zum Teil geflochtene Haar der Infantin, von dem ihr einzelne Strähnen in die Stirn fallen, ist mit schnellen, lebendigen Pinselstrichen umgesetzt. Die Verwendung unterschiedlicher Brauntöne erzeugt Tiefe und Volumen; dabei wurden Glanzlichter in Ocker und Gelb gesetzt. Das Haar ist mit großer Meisterschaft wiedergegeben.

Es fällt auf, dass das Haar der Infantin in der vorliegenden Porträtskizze schmucklos ist. Im ausgeführten Familienporträt ist die Haartracht zwar unverändert, doch wurde ihr dort ein goldener pfeilförmiger Haarschmuck beigefügt. Dieser Haarschmuck weist große Ähnlichkeit mit dem ihrer Mutter, Königin María Luisa im selben Gemälde auf. Es ist dokumentarisch belegt, dass Godoy diesen Pfeil bei einem Juwelier in Madrid als Geschenk für sie Auftrag gab; er befand sich erst zu einem Zeitpunkt ab Mitte Oktober 1800 in ihrem Besitz. Godoy schrieb ihr am 17. Oktober 1800: „Dieser Pfeil, Majestät, ist eine goldene Spange, dessen Schild und Schaft mit Diamanten besetzt sind. […] Ich hätte ihn sogleich geschickt, wenn da jemand gewesen wäre, an den ich ihn hätte schicken können“ (siehe M. T. Rodríguez Torres, Un retrato de Palafox en La Familia de Carlos IV, Madrid 2008, S. 279, 283). Es scheint, dass die Königin von dem Haarschmuck so begeistert war, dass sie ein verkleinertes Duplikat für ihre Tochter anfertigen ließ, das dann wohl erst frühestens im November 1800 geliefert worden wäre.

Wir danken Arturo Ansón Navarro, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage von Fotografien bestätigt hat, für seine umfassende Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots. Er bestätigt die vorliegende Porträtskizze der Infantin María Isabel von Spanien als eigenhändiges Werk von Francisco José de Goya y Lucientes.

Provenienz der Porträtskizze im 19. Jahrhundert

Die genaue Provenienz der vorliegenden Porträtskizze der Infantin María Isabel während der ersten Jahrzehnte nach ihrer Entstehung ist derzeit nicht belegt, jedoch befindet sich auf der Rückseite des Gemäldes ein Klebezettel, der in den Augen von Arturo Ansón Navarro ein starkes Indiz für die Eigentümerschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts darstellt.

Der Klebezettel ist auf der mittigen Querleiste des Keilrahmens angebracht, und man vermutet, dass er nach dem Tod des berühmten Sammlers, des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (Rio de Janeiro 1811–1875 Pau), angebracht wurde, als seine Sammlung inventarisiert wurde. Der Klebezettel ist in Tusche auf Französisch beschriftet: „Goya n° 10072 / Portrait de l’Infante Isabelle / de Bourbon, reine de Deux Siciles“. Darunter steht auf demselben Aufkleber in einer anderen Handschrift und in Bleistift: „ppabdc“. Diese Initialen scheinen sich auf Príncipe Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón, den 1. Herzog von Dúrcal (Madrid 1862–1892 Paris) und Sohn des Infanten Sebastián Gabriel und seiner zweiten Frau, Infantin María Cristina de Borbón y Borbón-Dos Sicilias (Madrid 1833–1902), zu beziehen. Príncipe Pedro lebte von 1885 bis zu seinem Tod 1892 in Paris. Ein Teil seiner großen Sammlung wurde 1890 im Hôtel Drouot in Paris auktioniert. Die vorliegende Porträtskizze seiner Urgroßmutter mütterlicherseits scheint nicht Teil dieser Versteigerung gewesen zu sein. Möglicherweise verblieb die Porträtskizze der Infantin María Isabel aufgrund der engen familiären Bindung im persönlichen Besitz Don Pedros.

Nimmt man den Klebezettel als Bezugspunkt, ist es möglich, die Provenienz der vorliegenden Porträtskizze von 1800 bis ins späte 19. Jahrhundert zu rekonstruieren. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Porträtskizze die Dargestellte selbst nach ihrer Verheiratung mit Francesco I., König beider Sizilien, nach Neapel begleitet hat. Vermutlich hat die Dargestellte das Gemälde ihrer Tochter Luisa Carlota von Bourbon-Sizilien (Neapel 1804–1844 Madrid) zum Geschenk gemacht, möglicherweise anlässlich ihrer Heirat mit ihrem Onkel, dem Bruder ihrer Mutter, dem Infanten Francisco de Paola von Spanien und jüngsten Sohn von König Carlos IV. im Jahr 1819. Später mag Luisa Carlota das Gemälde an ihre eigene Tochter, María Cristina, die Enkelin der Dargestellten, weitergegeben haben, welche 1860 die zweite Frau des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza wurde.

Als mögliche Alternative könnte Infantin María Isabel das Porträt ihrer jüngeren Tochter, Maria Amalia von Spanien, anlässlich der Heirat Maria Amalias als erster Frau des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza im Jahr 1832 geschenkt oder es ihr nach ihrem Tod 1847 als Erbe hinterlassen haben.

In jedem Fall wäre die Porträtskizze durch eine seiner zwei Heiraten in die Sammlung des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza gelangt, ob 1832, 1847 oder 1860. Das Bild hätte sich demnach zuerst in Madrid und dann, nach dem Gang ins Exil der Könige von Spanien und ihrer Familien nach der Revolution von 1868, in Paris befunden.

Nach dem Tod seines Vaters 1875 wäre die Porträtskizze demnach in den Besitz des Príncipe Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón, des 1. Herzogs von Dúrcal (Madrid 1862–1892 Paris), gelangt.

Provenienz der Porträtskizze im 20. Jahrhundert

20. Mai 1912: Das Gemälde wurde vermutlich von Mariano Hernando erworben.

1912: Das Gemälde befand sich in der Dowdeswell & Dowdeswell’s Gallery in London (belegt durch einen rückseitigen Aufkleber und das Archiv Durand-Ruel).

6. Juni 1912: Das Werk wurde an M. Durand-Ruel et Bernheim in Paris verkauft (siehe Fotoarchiv Durand-Ruel de Paris, Foto Nr. 7395).

Mai 1912 – September 1916: Die Porträtskizze befand sich in der Galerie Heinemann in München (Heinemann-Archiv, Inv.-Nr. 11584; siehe Zollstempel auf der Querleiste des Keilrahmens „Zollstück/Hauptzollamt […] München“).

11. September 1916: Die Galerie Heinemann München verkaufte das Werk an Richard Werner, Stuttgart.

22. März 1924: Das Werk wurde von M. Durand-Ruel et Bernheim in Paris an Baron Hugo Ernst von Grundherr in Luzern verkauft (siehe rückseitiger Zollstempel an der oberen Rahmenleiste mit den Großbuchstaben „LUZ“, was darauf hinweist, dass Baron von Grundherr den Zoll an der Schweizer Grenze passierte).

1924: Das Gemälde wurde für die Sammlung Alessandro Contini Bonacossi in Florenz erworben (siehe Zollstempel auf der Querleiste des Keilrahmens: „12 DEC [192]4 and DOGANA DI [F]IRENZ[E]“, wo es bis zu seinem Tod 1955 verblieb und dann an den jetzigen Besitzer vererbt wurde.

Technische Untersuchung:

Die Infrarotreflektografie hat ergeben, dass die vorliegende Porträtskizze rasch und ohne Anzeichen einer Vorzeichnung ausgeführt wurde. Webart und Dichte des originalen Bildträgers wurden von Maria Letizia Amadori unter Zuhilfenahme der Aufnahmen der oberen Leinwandseite geprüft. Die Aufnahmen weisen darauf hin, dass es sich bei dem originalen Bildträger um einen groben Stoff in einfacher Leinwandbindung (1:1) zu handeln scheint. In zwei Bereichen (1 x 1 cm), wo der Auftrag der Grundierung dünn und das Fadenmuster sichtbar war, wurde eine Fadenzählung durchgeführt. Die Bedingungen waren aufgrund der Spannung der Leinwand an den Rändern, bedingt durch die Befestigung am Keilrahmen, nicht optimal. In diesen Bereichen ergab die Fadenzählung etwa 13–14 pro Zentimeter.

Anhand einer der Originalleinwand des vorliegenden Porträts entnommenen Fadenprobe konnten mittels morphologischer Untersuchungen Rückschlüsse auf Hanffasern gezogen werden. Die durch die guten mechanischen Eigenschaften bedingte Verwendung von Hanffasergewebe neben Leinen für die Herstellung von Bildträgern ist ab dem 18. bis ins frühe 19. Jahrhundert belegt. Häufig lassen sich unterschiedliche Fasertypen finden, zumeist Hanf und Leinen in verschiedenen Anteilen.

Palominos Traktat über die spanische Malerei (1715–1724) zufolge handelt es sich bei den besten und gebräuchlichsten Bildträgern für großformatige Gemälde um aus unbehandeltem Hanfgarn gewebte Leinwände, die in Andalusien als „bramante crude“ und in Kastilien als „angulema“ bezeichnet werden.

Detailliertere technischen Untersuchungen dieses Gemäldes sind auf Nachfrage erhältlich (bitte wenden Sie sich an die Abteilung Alter Meister).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 712.500,-
Schätzwert:
EUR 300.000,- bis EUR 400.000,-

Francisco José de Goya y Lucientes


(Fuendetodos 1746–1828 Bordeaux)
Halbfigurige Porträtskizze der Infantin María Isabel (1789–1848), der späteren Königin beider Sizilien, für das Gruppenporträt der Familie Carlos IV.,
Öl auf Leinwand, 71,8 x 59,1 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung der Infantin María Isabel (1789–1848), der späteren Königen beider Sizilien, Neapel;
womöglich Weitergabe im Erbgang an deren Tochter María Amalia de Borbón-Dos Sicilias (1818–1857) und ihren Gemahl, Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875), Infant von Spanien und Portugal, Madrid/Pau, 1832 oder 1847; oder womöglich Weitergabe im Erbgang an deren Tochter Luisa Carlota de Borbón-Dos Sicilias (1804–1844), Neapel/Madrid, 1819 und sodann Weitergabe im Erbgang an deren Tochter María Cristina (1833–1902), Infantin von Spanien und Portugal, Madrid, und ihren Gemahl, Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (1811–1875), Infant von Spanien und Portugal, Madrid/Pau, 1860;
womöglich Weitergabe im Erbgang an deren Sohn, Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón (1862–1892), 1. Duque de Dúrcal, Madrid/Paris (rückseitiger Aufkleber: ppabdc, möglicherweise für Prinz Pierre de Alcántara de Bourbon, Duc de Durcal);
vermutlich Mariano Hernando, Madrid (lt. Archiv Heinemann, Inv.-Nr. 11584);
Dowdeswell and Dowdeswell’s Gallery, London, 1912;
verkauft an M. Durand Ruel & Bernheim, Paris, 1912;
Kunsthandel Heinemann, München, 1912–1916;
verkauft an Dr. Richard Werner, Stuttgart, September 1916;
Kunsthandel Durand Ruel & Bernheim, Paris, 1924;
verkauft an Baron Hugo Ernst von Grundherr, Luzern, 1924;
Sammlung Graf Alessandro Contini Bonacossi, Florenz, 1924;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, The Old Spanish Masters from the Contini-Bonacossi Collections, Mai – Juli 1930, Nr. 29 (als Goya);
Venedig, XXVI Esposizione Biennale Internazionale d’Arte, 14. Juni – 19. Oktober 1952 (als Goya, rückseitiger Aufkleber)

Literatur:
vermutlich El Conde de la Viñaza [C. Muñoz y Manzano], Goya. Su tiempo, su vida, sus obras, Madrid 1887, S. 217, Nr. IX (als „Retrato de la Infanta niña D.a María Isabel, futura mujer del Príncipe heredero de Nápoles. Estudio para el cuadro de la familia de Carlos IV.“, 74 x 60 cm, ohne Abb.);
vermutlich P. Lafond, Goya, Paris 1902, S. 118, Nr. 18 (als „Portrait de la jeune Infante Marie-Isabelle, plus tard femme du prince héritier de Neapel. Etude pour le tableau de La famille de Charles IV.“, 74 x 60 cm, ohne Abb.);
vermutlich A. F. Calvert, Goya. An Account of his Life and Works. With 612 Reproductions from his Pictures, Etchings, and Lithographs, London 1908, S. 122, Nr. 4 (h) („Studies for the preceding picture [Portrait of the Family of Charles IV]. Princess Isabella, afterwards Queen of Neapel“, ohne Maße und ohne Abb.);
vermutlich H. Stokes, Francisco Goya. A Study of the Work and Personality of the Eighteenth-Century Spanish Painter and Satirist, London 1914, S. 236, 326, Nr. 12 (i) (als „Isabella, afterwards Queen of Neapel“, ohne Maße und ohne Abb.);
X. Desparmet Fitz-Gerald, L’œuvre peint de Goya. Catalogue raisonné, Bd. II, Paris 1928–1950, S. 120, Anm. unter Nr. 402 (72 x 59 cm, ohne Abb.);
R. Longhi, A. L. Mayer, The Old Spanish Masters from the Contini-Bonacossi Collection, Rom 1930, Ausstellungskatalog, Kat.-Nr. 29, Tafel XX („The picture […] is the real original study […]“, mit den Maßen 56 x 42 cm);
R. Pallucchini et al. (Hg.), XXVI Biennale di Venezia: catalogo, Venedig 1952, 1. Aufl., Ausstellungskatalog, S. 353, Nr. 15 (als Francisco de Goya y Luciente „Ritratto della Infanta Isabel. Firenze, coll. Conte Alessandro Contini Bonacossi“, ohne Maße und ohne Abb.);
J. A. Gaya-Nuño, La Pintura Española fuera de España. Historia y Catálogo, Madrid 1958, Nr. 985 (mit den Maßen 56 x 42 cm, ohne Abb.)

Wir danken Guillaume Kientz, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat.

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um eine Porträtskizze der Infantin María Isabel von Spanien, die Goya 1800 in Vorbereitung des großen Gruppenporträts Die Familie Carlos IV. malte, welches sich heute im Museo del Prado in Madrid befindet.

Goyas vorbereitende Skizzen für das Gruppenbildnis Die Familie Carlos IV. von Spanien

Das vorliegende Porträt der Infantin María Isabel von Spanien lässt sich in Stil, Farbgebung und Format mit fünf weiteren bekannten Porträtskizzen von Mitgliedern der königlichen Familie vergleichen, die Goya in Vorbereitung für das endgültige Gruppenporträt anfertigte. Es sind dies: Infant Don Antonio Pascual von Spanien (72,5 x 59,4 cm), der jüngere Bruder von Carlos IV.; Infantin María Josefa von Spanien (74 x 60 cm), die Schwester von Carlos IV.; Infant Carlos Maria Isidro von Bourbon und Parma (74 x 60 cm), der zweite Sohn von Carlos IV.; Infant Francisco de Paula von Spanien (74 x 60 cm), der jüngste Sohn von Carlos IV., und Infant Luis, König von Etrurien und Prinz von Parma (72,5 x 59,4 cm), der Schwiegersohn von Carlos IV. Die genannten Skizzen werden allesamt im Museo del Prado in Madrid aufbewahrt.

Komposition und Malweise dieser Porträtskizzen sind einander sehr ähnlich. Wie im vorliegenden Werk hat Goya die Porträtierten in Brust- oder Halbfigur in der Bildmitte platziert. Die Figuren sind mit schnellen, lebendigen Pinselstrichen ausgeführt, was darauf schließen lässt, dass der Künstler jedes Familienmitglied in einer einzigen Sitzung skizziert hat. Alle Dargestellten sind auf rötlich-ockerfarbenem Grund dargestellt, um den herum ein dunklerer Farbbereich anschließt. Laut Arturo Ansón Navarro vom Instituto „Goya“ de Zaragoza sind nicht nur stilistische und technische Ähnlichkeiten feststellbar, sondern auch die Webart der Leinwand des vorliegenden Gemäldes lässt sich mit den Leinwänden der anderen fünf Porträtskizzen vergleichen.

Goyas Gruppenbildnis Die Familie Carlos IV. von Spanien

Das berühmte Gruppenbildnis Die Familie Carlos IV. von Spanien ist gut dokumentiert und lässt sich in seiner Entstehung auf Grundlage von Briefen und Rechnungen rekonstruieren. Goyas Einkauf von Leinwänden für die Porträtskizzen der königlichen Familie, welche während eines Aufenthalts in der königlichen Residenz von Aranjuez angefertigt werden sollten, ist mit einer Rechnung vom 23. Juli 1800 dokumentiert: „Gastos ocurridos en la Jornada del Real Sitio de Aranjuez, para sacar los diez retratos de sus Majestades y Real familia“ [„Ausgaben für eine Reise zum Königspalast von Aranjuez, um zehn Porträts ihrer Majestäten und der königlichen Familie zu malen“] (siehe Archivo General de Palacio, Madrid, Patrimonio Nacional, veröffentlicht bei V. de Sambricio, Tapices de Goya, Madrid 1946, S. CXXXVIII, Dok. 213).

In einem Schreiben vom 22. April 1800 von Königin María Luisa an ihren engen Vertrauten, den ersten Staatsminister Spaniens Manuel de Godoy y Álvarez de Faria Rios, ist zu lesen: „Der König sagt, wenn Goya mit dem Malen Ihrer Gemahlin [María Teresa, Gräfin Chinchón] fertig ist, soll er [nach Aranjuez] kommen, um das Porträt von uns allen zu machen“ (siehe C. Pereyra, Cartas confidenciales de la Reina María Luisa y de Don Manuel Godoy…, Madrid 1935, S. 304). Aufzeichnungen zufolge besorgte Goya das benötigte Material zwischen 29. April und 7. Mai 1800 in Madrid und traf in der königlichen Residenz von Aranjuez mit den grundierten und bereits auf Keilrahmen aufgezogenen Leinwänden ein (siehe M. Mena Marqués, La familia de Carlos IV. Goya, Madrid 2002, S. 133). Nach dem 7. Mai begann er mit der Arbeit an den Skizzen der Mitglieder der Königsfamilie. Am 9. Juni 1800 schrieb Königin María Luisa abermals an Godoy: „Morgen beginnt Goya ein weiteres Porträt von mir, alle anderen sind fertig, und alle sind sie sehr ordentlich“ (siehe Pereyra 1935, S. 310). Die vorliegende Skizze der zehnjährigen Infantin María Isabel, der jüngsten Tochter Königs Carlos IV., müsste demnach zwischen Mitte Mai und 9. Juni 1800 gemalt worden sein.

Dieses bis dato wenig bekannte Werk wurde bisher nicht von allen Forscher*innen akzeptiert bzw. nicht umfassend geprüft. Es wurde jedoch von Roberto Longhi und August L. Mayer (1930), von Xavier Desparmet Fitz-Gerald (1928–1950) sowie von Juan Antonio Gaya Nuño (1958 ) als eigenhändiges Werk von Francisco José de Goya y Lucientes angesehen. Im Jahr 1952 war es als eigenhändiges Werk Goyas auf der XXVI. Biennale di Venezia ausgestellt (siehe Literatur).

Stilistische Analyse der Porträtskizze von Infantin María Isabel


Nach Ansicht von Arturo Ansón Navarro ist das Gesicht der Infantin María Isabel meisterhaft und realistisch gemalt. Er sieht die Augen in einer für Goya typischen Weise ausgeführt: Zuerst malte der Künstler die Iris und die Pupille; dann umriss er die oberen Wimpern und füllte die Sklera des Auges mit Weiß aus, wobei er etwas Raum unbemalt ließ, wo das Ocker der Imprimatur sichtbar wird. Schließlich setzte er in die Pupillen einen Punkt als Glanzlicht. Die Wimpern und die Ränder der unteren Augenlider wurden in kaum wahrnehmbarem rötlichem Ocker gemalt.

Die Augen der Infantin María Isabel, in denen eine kindliche Lebendigkeit zum Ausdruck kommt, sind mit jenen des Porträts der Gräfin von Chinchón vergleichbar, das Goya im April 1800, ein oder zwei Monate vor der vorliegenden Skizze, malte. Die Gräfin von Chinchón war die Ehefrau von Manuel Godoy, und auch ihr Porträt befindet sich im Museo del Prado in Madrid (Inv.-Nr. P007767).

Die Malweise der Nase der jungen Infantin ist ähnlich wie die der Augen, wobei die Glanzlichter und Nasenlöcher in hellem Ocker gehalten sind. Auch der Mund der Infantin gleicht dem der bereits erwähnten Gräfin von Chinchón. Für die Einbuchtung der Lippen setzte Goya ocker- bis rosafarbene Pinselstriche mit einigen helleren Akzenten in der Mitte. Es sei darauf hingewiesen, dass einige der originalen Pinselstriche des vorliegenden Gemäldes bei der Restaurierung verloren gegangen sein könnten, insbesondere im Bereich der Oberlippe.

Die Wangenknochen der Dargestellten erscheinen rosig, auf dem linken Wangenknochen sind ähnlich wie bei dem Chinchón-Porträt rötliche Reflexe zu sehen. Goya hat den rechten Kiefer nicht umrissen; die Grundierung in Ocker ist gut sichtbar. Er hat es mit einem etwas dunkleren Pigment angedeutet, mit welchem er auch den unteren Teil des Kinns definiert hat, in tonaler Abstufung mit dem helleren Ockerton, der für den Hals verwendet wurde. Eine ähnliche Lösung setzte Goya in der Folge für das Porträt der Infantin María Isabel im ausgeführten Gruppenporträts der Familie Carlos IV. ein. Das rechte Ohr ist in denselben Farbtönen gehalten, ausgehend von einem ockerfarbenen Grundton; einfache bräunliche Akzente wurden für die inneren Bereiche gesetzt, hellere und rosafarbene Tupfer finden sich am Rand der Ohrmuschel und am Ohrläppchen.

Die Ohren schmücken zarte, filigrane Ohrringe, gemalt mit einfachen, dynamischen weißen und gelblichen Pinselstrichen, wobei lediglich die Glanzlichter angedeutet werden, die die geschwungenen Formen der ovalen Reifen der Ohrringe beschreiben. Ähnlichen Ohrschmuck malte Goya bei der Porträtskizze der Infantin María Josefa von Spanien. Der linke Ohrring der hier dargestellten Infantin María Isabel ist kaum sichtbar und könnte durch Reinigung oder Bereibungungen verloren gegangen sein.

Der Hals der Infantin erscheint auf der vorliegenden Porträtskizze gestreckter und anmutiger als auf dem ausgeführten Gemälde der Familie Carlos IV. Hier hat sich Goya auf eine kursorische Beschreibung des Oberkörpers und der Kleidung der Dargestellten beschränkt, wobei er den tiefen Ausschnitt des Kleides skizziert hat. Das Kleid ähnelt dem der Mutter, Königin María Luisa, im finalen Familienporträt und entspricht der damaligen französischen Mode. Die Infantin trägt ein Musselinhemd im griechischen Stil, darüber ein asymmetrisches mit Gold- und Silberfäden besticktes Wams. Die Schultern sind sanft gewölbt; die Ärmel des Kleides sind kurz und umschließen eng die bloßen Arme. Der kurze rechte Ärmel ist sehr locker mit breiten, blaugrünen Pinselstrichen wiedergegeben und wird mit gelbem und weißem Impasto akzentuiert, mit dem der Künstler das Leuchten der Goldfäden angedeutet hat. Da es sich hier um eine Vorstudie für das große Familienporträt handelt, war Goya offensichtlich nicht daran interessiert, weitere Teile des Kleides zu präzisieren und zu definieren. Die Umsetzung ist daher hier sehr einfach mit schnellen, nicht durchgängigen Pinselstrichen erfolgt.

Der rechte Unterarm ist nur ganz oben mit breiten Pinselstrichen in hellem Ocker definiert, die bald abbrechen bzw. mit der rötlich-ockerfarbenen Grundschicht verschmelzen. Der linke Unterarm bleibt im Schatten und undefiniert, er wird bloß durch eine dunklere ockerfarbene Schattierung angedeutet. Dies erklärt sich zweifellos aus der Tatsache, dass dieser Arm im ausgeführten Gruppenporträt der Familie Carlos IV. vom Kleid der Mutter verdeckt wird.

Auf der vorliegenden Porträtskizze wie auch auf dem fertig ausgeführten Familienporträt trägt die Infantin María Isabel wie ihre gesamte Familie das Band des königlichen Ordens Karls III. von Spanien. Der Orden wurde im September 1771 mittels königlichem Erlass gestiftet, um herausragende Adlige, Geistliche, Angehörige des Militärs, Bürger und Mitglieder der königlichen Verwaltung auszuzeichnen, die sich durch ihre aufgeklärten Ideen und die Förderung des Fortschritts der spanischen Krone, ihrer Institutionen und Untertanen auf beiden Kontinenten (Europa und Amerika) verdient machten. Das Ordensband war in Weiß-Blau, den Farben, die im Katholizismus für die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria standen, gehalten: ein Dogma, das in Spanien seit dem Mittelalter passioniert hochgehalten wurde und dem der spanische Monarch treu ergeben war.

Der Haarschmuck der Infantin María Isabel

Das gelockte und zum Teil geflochtene Haar der Infantin, von dem ihr einzelne Strähnen in die Stirn fallen, ist mit schnellen, lebendigen Pinselstrichen umgesetzt. Die Verwendung unterschiedlicher Brauntöne erzeugt Tiefe und Volumen; dabei wurden Glanzlichter in Ocker und Gelb gesetzt. Das Haar ist mit großer Meisterschaft wiedergegeben.

Es fällt auf, dass das Haar der Infantin in der vorliegenden Porträtskizze schmucklos ist. Im ausgeführten Familienporträt ist die Haartracht zwar unverändert, doch wurde ihr dort ein goldener pfeilförmiger Haarschmuck beigefügt. Dieser Haarschmuck weist große Ähnlichkeit mit dem ihrer Mutter, Königin María Luisa im selben Gemälde auf. Es ist dokumentarisch belegt, dass Godoy diesen Pfeil bei einem Juwelier in Madrid als Geschenk für sie Auftrag gab; er befand sich erst zu einem Zeitpunkt ab Mitte Oktober 1800 in ihrem Besitz. Godoy schrieb ihr am 17. Oktober 1800: „Dieser Pfeil, Majestät, ist eine goldene Spange, dessen Schild und Schaft mit Diamanten besetzt sind. […] Ich hätte ihn sogleich geschickt, wenn da jemand gewesen wäre, an den ich ihn hätte schicken können“ (siehe M. T. Rodríguez Torres, Un retrato de Palafox en La Familia de Carlos IV, Madrid 2008, S. 279, 283). Es scheint, dass die Königin von dem Haarschmuck so begeistert war, dass sie ein verkleinertes Duplikat für ihre Tochter anfertigen ließ, das dann wohl erst frühestens im November 1800 geliefert worden wäre.

Wir danken Arturo Ansón Navarro, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage von Fotografien bestätigt hat, für seine umfassende Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots. Er bestätigt die vorliegende Porträtskizze der Infantin María Isabel von Spanien als eigenhändiges Werk von Francisco José de Goya y Lucientes.

Provenienz der Porträtskizze im 19. Jahrhundert

Die genaue Provenienz der vorliegenden Porträtskizze der Infantin María Isabel während der ersten Jahrzehnte nach ihrer Entstehung ist derzeit nicht belegt, jedoch befindet sich auf der Rückseite des Gemäldes ein Klebezettel, der in den Augen von Arturo Ansón Navarro ein starkes Indiz für die Eigentümerschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts darstellt.

Der Klebezettel ist auf der mittigen Querleiste des Keilrahmens angebracht, und man vermutet, dass er nach dem Tod des berühmten Sammlers, des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza (Rio de Janeiro 1811–1875 Pau), angebracht wurde, als seine Sammlung inventarisiert wurde. Der Klebezettel ist in Tusche auf Französisch beschriftet: „Goya n° 10072 / Portrait de l’Infante Isabelle / de Bourbon, reine de Deux Siciles“. Darunter steht auf demselben Aufkleber in einer anderen Handschrift und in Bleistift: „ppabdc“. Diese Initialen scheinen sich auf Príncipe Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón, den 1. Herzog von Dúrcal (Madrid 1862–1892 Paris) und Sohn des Infanten Sebastián Gabriel und seiner zweiten Frau, Infantin María Cristina de Borbón y Borbón-Dos Sicilias (Madrid 1833–1902), zu beziehen. Príncipe Pedro lebte von 1885 bis zu seinem Tod 1892 in Paris. Ein Teil seiner großen Sammlung wurde 1890 im Hôtel Drouot in Paris auktioniert. Die vorliegende Porträtskizze seiner Urgroßmutter mütterlicherseits scheint nicht Teil dieser Versteigerung gewesen zu sein. Möglicherweise verblieb die Porträtskizze der Infantin María Isabel aufgrund der engen familiären Bindung im persönlichen Besitz Don Pedros.

Nimmt man den Klebezettel als Bezugspunkt, ist es möglich, die Provenienz der vorliegenden Porträtskizze von 1800 bis ins späte 19. Jahrhundert zu rekonstruieren. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Porträtskizze die Dargestellte selbst nach ihrer Verheiratung mit Francesco I., König beider Sizilien, nach Neapel begleitet hat. Vermutlich hat die Dargestellte das Gemälde ihrer Tochter Luisa Carlota von Bourbon-Sizilien (Neapel 1804–1844 Madrid) zum Geschenk gemacht, möglicherweise anlässlich ihrer Heirat mit ihrem Onkel, dem Bruder ihrer Mutter, dem Infanten Francisco de Paola von Spanien und jüngsten Sohn von König Carlos IV. im Jahr 1819. Später mag Luisa Carlota das Gemälde an ihre eigene Tochter, María Cristina, die Enkelin der Dargestellten, weitergegeben haben, welche 1860 die zweite Frau des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza wurde.

Als mögliche Alternative könnte Infantin María Isabel das Porträt ihrer jüngeren Tochter, Maria Amalia von Spanien, anlässlich der Heirat Maria Amalias als erster Frau des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza im Jahr 1832 geschenkt oder es ihr nach ihrem Tod 1847 als Erbe hinterlassen haben.

In jedem Fall wäre die Porträtskizze durch eine seiner zwei Heiraten in die Sammlung des Infanten Sebastián Gabriel de Borbón y Braganza gelangt, ob 1832, 1847 oder 1860. Das Bild hätte sich demnach zuerst in Madrid und dann, nach dem Gang ins Exil der Könige von Spanien und ihrer Familien nach der Revolution von 1868, in Paris befunden.

Nach dem Tod seines Vaters 1875 wäre die Porträtskizze demnach in den Besitz des Príncipe Pedro de Alcántara de Borbón y Borbón, des 1. Herzogs von Dúrcal (Madrid 1862–1892 Paris), gelangt.

Provenienz der Porträtskizze im 20. Jahrhundert

20. Mai 1912: Das Gemälde wurde vermutlich von Mariano Hernando erworben.

1912: Das Gemälde befand sich in der Dowdeswell & Dowdeswell’s Gallery in London (belegt durch einen rückseitigen Aufkleber und das Archiv Durand-Ruel).

6. Juni 1912: Das Werk wurde an M. Durand-Ruel et Bernheim in Paris verkauft (siehe Fotoarchiv Durand-Ruel de Paris, Foto Nr. 7395).

Mai 1912 – September 1916: Die Porträtskizze befand sich in der Galerie Heinemann in München (Heinemann-Archiv, Inv.-Nr. 11584; siehe Zollstempel auf der Querleiste des Keilrahmens „Zollstück/Hauptzollamt […] München“).

11. September 1916: Die Galerie Heinemann München verkaufte das Werk an Richard Werner, Stuttgart.

22. März 1924: Das Werk wurde von M. Durand-Ruel et Bernheim in Paris an Baron Hugo Ernst von Grundherr in Luzern verkauft (siehe rückseitiger Zollstempel an der oberen Rahmenleiste mit den Großbuchstaben „LUZ“, was darauf hinweist, dass Baron von Grundherr den Zoll an der Schweizer Grenze passierte).

1924: Das Gemälde wurde für die Sammlung Alessandro Contini Bonacossi in Florenz erworben (siehe Zollstempel auf der Querleiste des Keilrahmens: „12 DEC [192]4 and DOGANA DI [F]IRENZ[E]“, wo es bis zu seinem Tod 1955 verblieb und dann an den jetzigen Besitzer vererbt wurde.

Technische Untersuchung:

Die Infrarotreflektografie hat ergeben, dass die vorliegende Porträtskizze rasch und ohne Anzeichen einer Vorzeichnung ausgeführt wurde. Webart und Dichte des originalen Bildträgers wurden von Maria Letizia Amadori unter Zuhilfenahme der Aufnahmen der oberen Leinwandseite geprüft. Die Aufnahmen weisen darauf hin, dass es sich bei dem originalen Bildträger um einen groben Stoff in einfacher Leinwandbindung (1:1) zu handeln scheint. In zwei Bereichen (1 x 1 cm), wo der Auftrag der Grundierung dünn und das Fadenmuster sichtbar war, wurde eine Fadenzählung durchgeführt. Die Bedingungen waren aufgrund der Spannung der Leinwand an den Rändern, bedingt durch die Befestigung am Keilrahmen, nicht optimal. In diesen Bereichen ergab die Fadenzählung etwa 13–14 pro Zentimeter.

Anhand einer der Originalleinwand des vorliegenden Porträts entnommenen Fadenprobe konnten mittels morphologischer Untersuchungen Rückschlüsse auf Hanffasern gezogen werden. Die durch die guten mechanischen Eigenschaften bedingte Verwendung von Hanffasergewebe neben Leinen für die Herstellung von Bildträgern ist ab dem 18. bis ins frühe 19. Jahrhundert belegt. Häufig lassen sich unterschiedliche Fasertypen finden, zumeist Hanf und Leinen in verschiedenen Anteilen.

Palominos Traktat über die spanische Malerei (1715–1724) zufolge handelt es sich bei den besten und gebräuchlichsten Bildträgern für großformatige Gemälde um aus unbehandeltem Hanfgarn gewebte Leinwände, die in Andalusien als „bramante crude“ und in Kastilien als „angulema“ bezeichnet werden.

Detailliertere technischen Untersuchungen dieses Gemäldes sind auf Nachfrage erhältlich (bitte wenden Sie sich an die Abteilung Alter Meister).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


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