Lot Nr. 7


Meister des Carlo di Durazzo


Meister des Carlo di Durazzo - Alte Meister

(tätig in Florenz um 1380–1420)
Bemalte Hochzeitstruhe (Cassone),
Tempera auf Holz, geformt und eingelassen in einen italienischen Cassone mit getriebenen Metallbeschlägen, vergoldeten Pastiglia-Auflagen und polychromer Bemalung, verziert mit gerolltem Blattwerk und geometrischen Mustern, gewölbter Deckel über rechteckigem Korpus, die Schauseite mit Bandkartusche, flankiert von den Wappen von Florenz und Genua, Rundbilder an den Seiten, Sockel mit Lambrequin-Dekor, bemalte Kartusche 34,3 x 114,8 cm, Gesamtmaße 66,1 x 144,8 x 57,2 cm

Provenienz:
Sammlung Josef Salzer (1846–1923), Wien;
dessen Auktion, Wawra, Wien, 17. Oktober 1927, Los 411;
erworben von Pollak, Paris;
Siegfried Drey (1859–1936), München;
Zwangsversteigerung, A. S. Drey, Paul Graupe, München, 17.–18. Juni 1936, Los 222 (als Florenz, frühes 15. Jahrhundert);
Walter Bornheim, München, bis 1944;
dort erworben von einem Privatsammler;
Weitergabe im Erbgang;
Restitution an die Erben von A. S. Drey, April 2011;
Auktion, Christie’s, London, 6. Juli 2011, Los 190;
Europäische Privatsammlung

Literatur:
C. E. Rava, Mobili d’ogni tempo, Mailand 1947, S. 2;
J. Miziolek, Soggetti Classici sui Cassoni Fiorentini alla vigilia de Rinascimento, Warschau 1996, S. 47, Nr. 28 (als Meister des Carlo di Durazzo)

Die vorliegende Hochzeitstruhe, ein sogenannter Cassone, hat sich in außergewöhnlich gutem Originalzustand erhalten. Es handelt sich um ein Werk des sogenannten Meisters des Carlo di Durazzo, eines Florentiner Malers, der in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts und im frühen 15. Jahrhundert tätig war.

Die vorliegende Arbeit wurde 1996 von Jerzy Miziolek als Werk des Künstlers erkannt (siehe Literatur); die Zuschreibung wurde in der Folge von Everett Fahy, Andrea De Marchi und Lorenzo Sbaraglio bestätigt.

Der Künstler gilt als Hauptinitiator profaner Sujets in der Florentiner Kunst und bezieht seinen Namen von einer Bildtafel im Metropolitan Museum in New York (Nr. 07.120.1) mit einer Darstellung der Eroberung Neapels durch Carlo III. von Durazzo im Jahr 1381. Die Komposition steht in Verbindung mit zahlreichen Schauseiten von Truhen und mehreren deschi da parto oder Wöchnerinnenschüsseln, von denen sich einige in Museen befinden (siehe E. Fahy, Florence and Naples: a cassone panel in the Metropolitan Museum of Art, in: Hommage a Michel Laclotte, Paris 1994, S. 231–243). Stilistisch stehen die Werke des Künstlers jenen Agnolo Gaddis nahe; eine noch größere Verwandtschaft besteht zu den Arbeiten des sogenannten Meisters von San Martino a Mensola, der von manchen mit dem Florentiner Maler Francesco di Michele (dokumentiert 1385) gleichgesetzt wird.

Auf der Schauseite der vorliegenden Truhe umschließt reichhaltiger Dekor aus vergoldeten Pastiglia-Auflagen in Form von Blütentrauben und Spiralen eine Art Kartusche, die von einem Fries aus Schmucksteinen eingefasst wird. Dargestellt ist eine narrative Szene, die eine nicht näher identifizierbare Legende wiedergibt. Möglicherweise handelt es sich um eine Episode aus der klassischen Antike, in welcher der Protagonist einer tugendhaften Dame von hohem Stand gegenübertritt.

Die Truhe, die an den Kanten mit gravierten Eisenbändern verstärkt ist, weist auch an den Seiten reichen reliefierten Pastigilia-Schmuck auf. Zwei Medaillons zeigen eine Dame in der Gesellschaft zweier Herren, umgeben von geflügelten und musizierenden Cherubinen. Eine ähnliche Holzkonstruktion mit vergleichbarem Schmuck zeigt eine Truhe desselben Künstlers mit der Darstellung der Geschichte des Messer Torello aus Santa Maria Nuova in Florenz, heute im Museo Nazionale del Bargello. Dort finden sich ähnlicher Pastiglia-Reliefdekor an den Seiten und zwei Rundbilder mit identischen Darstellungen.

Der vorliegende Cassone lässt sich auch mit weiteren Werken des Meisters des Carlo de Durazzo vergleichen. Er erscheint später entstanden zu sein als die namensgebende Schauseite der Truhe im Metropolitan Museum, die um 1382 datiert worden ist, jedoch noch vor anderen Arbeiten des Künstlers, etwa den Truhen in der Sammlung Czartoryski in Krakau und im Ashmolean Museum in Oxford (siehe J. Miziolek, op. cit., 1996, Nr. 7a, 10), die aus der Spätzeit des Künstlers zu stammen scheinen. Im ruhigen, neogiottesken Ton der Figuren im vorliegenden Werk hallt der Stil Niccolò di Pietro Gerinis wieder; die Einfachheit der Kostüme, in denen noch nicht das Aufkommen einer höfischen Mode anklingt, scheint auf eine Entstehungszeit um die letzte Dekade des 14. Jahrhunderts hinzuweisen.


Additional images:
Pastiglia (pastework), on left side
Pastiglia (pastework), on right side

19.04.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 100.000,-
Schätzwert:
EUR 120.000,- bis EUR 150.000,-

Meister des Carlo di Durazzo


(tätig in Florenz um 1380–1420)
Bemalte Hochzeitstruhe (Cassone),
Tempera auf Holz, geformt und eingelassen in einen italienischen Cassone mit getriebenen Metallbeschlägen, vergoldeten Pastiglia-Auflagen und polychromer Bemalung, verziert mit gerolltem Blattwerk und geometrischen Mustern, gewölbter Deckel über rechteckigem Korpus, die Schauseite mit Bandkartusche, flankiert von den Wappen von Florenz und Genua, Rundbilder an den Seiten, Sockel mit Lambrequin-Dekor, bemalte Kartusche 34,3 x 114,8 cm, Gesamtmaße 66,1 x 144,8 x 57,2 cm

Provenienz:
Sammlung Josef Salzer (1846–1923), Wien;
dessen Auktion, Wawra, Wien, 17. Oktober 1927, Los 411;
erworben von Pollak, Paris;
Siegfried Drey (1859–1936), München;
Zwangsversteigerung, A. S. Drey, Paul Graupe, München, 17.–18. Juni 1936, Los 222 (als Florenz, frühes 15. Jahrhundert);
Walter Bornheim, München, bis 1944;
dort erworben von einem Privatsammler;
Weitergabe im Erbgang;
Restitution an die Erben von A. S. Drey, April 2011;
Auktion, Christie’s, London, 6. Juli 2011, Los 190;
Europäische Privatsammlung

Literatur:
C. E. Rava, Mobili d’ogni tempo, Mailand 1947, S. 2;
J. Miziolek, Soggetti Classici sui Cassoni Fiorentini alla vigilia de Rinascimento, Warschau 1996, S. 47, Nr. 28 (als Meister des Carlo di Durazzo)

Die vorliegende Hochzeitstruhe, ein sogenannter Cassone, hat sich in außergewöhnlich gutem Originalzustand erhalten. Es handelt sich um ein Werk des sogenannten Meisters des Carlo di Durazzo, eines Florentiner Malers, der in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts und im frühen 15. Jahrhundert tätig war.

Die vorliegende Arbeit wurde 1996 von Jerzy Miziolek als Werk des Künstlers erkannt (siehe Literatur); die Zuschreibung wurde in der Folge von Everett Fahy, Andrea De Marchi und Lorenzo Sbaraglio bestätigt.

Der Künstler gilt als Hauptinitiator profaner Sujets in der Florentiner Kunst und bezieht seinen Namen von einer Bildtafel im Metropolitan Museum in New York (Nr. 07.120.1) mit einer Darstellung der Eroberung Neapels durch Carlo III. von Durazzo im Jahr 1381. Die Komposition steht in Verbindung mit zahlreichen Schauseiten von Truhen und mehreren deschi da parto oder Wöchnerinnenschüsseln, von denen sich einige in Museen befinden (siehe E. Fahy, Florence and Naples: a cassone panel in the Metropolitan Museum of Art, in: Hommage a Michel Laclotte, Paris 1994, S. 231–243). Stilistisch stehen die Werke des Künstlers jenen Agnolo Gaddis nahe; eine noch größere Verwandtschaft besteht zu den Arbeiten des sogenannten Meisters von San Martino a Mensola, der von manchen mit dem Florentiner Maler Francesco di Michele (dokumentiert 1385) gleichgesetzt wird.

Auf der Schauseite der vorliegenden Truhe umschließt reichhaltiger Dekor aus vergoldeten Pastiglia-Auflagen in Form von Blütentrauben und Spiralen eine Art Kartusche, die von einem Fries aus Schmucksteinen eingefasst wird. Dargestellt ist eine narrative Szene, die eine nicht näher identifizierbare Legende wiedergibt. Möglicherweise handelt es sich um eine Episode aus der klassischen Antike, in welcher der Protagonist einer tugendhaften Dame von hohem Stand gegenübertritt.

Die Truhe, die an den Kanten mit gravierten Eisenbändern verstärkt ist, weist auch an den Seiten reichen reliefierten Pastigilia-Schmuck auf. Zwei Medaillons zeigen eine Dame in der Gesellschaft zweier Herren, umgeben von geflügelten und musizierenden Cherubinen. Eine ähnliche Holzkonstruktion mit vergleichbarem Schmuck zeigt eine Truhe desselben Künstlers mit der Darstellung der Geschichte des Messer Torello aus Santa Maria Nuova in Florenz, heute im Museo Nazionale del Bargello. Dort finden sich ähnlicher Pastiglia-Reliefdekor an den Seiten und zwei Rundbilder mit identischen Darstellungen.

Der vorliegende Cassone lässt sich auch mit weiteren Werken des Meisters des Carlo de Durazzo vergleichen. Er erscheint später entstanden zu sein als die namensgebende Schauseite der Truhe im Metropolitan Museum, die um 1382 datiert worden ist, jedoch noch vor anderen Arbeiten des Künstlers, etwa den Truhen in der Sammlung Czartoryski in Krakau und im Ashmolean Museum in Oxford (siehe J. Miziolek, op. cit., 1996, Nr. 7a, 10), die aus der Spätzeit des Künstlers zu stammen scheinen. Im ruhigen, neogiottesken Ton der Figuren im vorliegenden Werk hallt der Stil Niccolò di Pietro Gerinis wieder; die Einfachheit der Kostüme, in denen noch nicht das Aufkommen einer höfischen Mode anklingt, scheint auf eine Entstehungszeit um die letzte Dekade des 14. Jahrhunderts hinzuweisen.


Additional images:
Pastiglia (pastework), on left side
Pastiglia (pastework), on right side


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 19.04.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 09.04. - 19.04.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.