Lot Nr. 82


Carlo Antonio Procaccini


Carlo Antonio Procaccini - Alte Meister

(Bologna 1571 – um 1630 Mailand)
Ruhe auf der Flucht nach Ägypten,
links unten (im Stein) signiert: Carlo Antonio Proca,
Öl auf Holz, 43 x 59,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Familie Archinto, Mailand;
Graf Giuseppe Archinto, Mailand;
dessen Auktion, Drouot, Paris, 18. Mai 1863, Lot 75 (als Brueghel und C. Procacini);
Trafalgar Galleries, London

Ausgestellt:
Trafalgar Galleries at the Royal Academy, 1983, Nr. 17

Literatur:
M. B. Castellotti, La Pittura Lombarda del ‘600, Mailand 1985, Abb. 467 (als Carlo Antonio Procaccini);
A. E. Pérez Sánchez, Pintura Espanola de Bodegones e Floreros de 1600 a Goya, Museo del Prado, Madrid 1983, S. 24/25, mit Abb. (als Carlo Antonio Procaccini);
A. E. Pérez Sánchez, La Nature Morte Espagnole du XVIIe siècle à Goya, Fribourg 1987, S. 15 (als Carlo Antonio Procaccini)

Während die Heilige Familie auf dem Weg nach Ägypten Rast macht, versorgen fliegende Engel die müden Reisenden mit Früchten. Die Gruppe ist von einer imaginären Landschaft mit einem römischen Rundtempel umgeben, vor dem eine vornehme Familie wandelt; ein Knappe überquert eine Brücke, und unter fernem Himmel säumen mehrere Gebäude und kleine Figuren die verschlungenen Ufer eines Flusses. Sogleich möchte man in dieser gekonnten Schilderung eines verwunschenen Ortes das Produkt einer Zusammenarbeit mit Jan Brueghel oder einem anderen flämischen Meister erkennen, der gleichermaßen in der Lage war, einen solchen verzauberten Mikrokosmos zu malen, der wohl, wie die Sammlung der Ambrosiana vermuten lässt, aus der Zeit Kardinals Federico Borromeos datiert. Doch sowohl die Signatur als auch der markante Stil dieser wunderbaren Miniatur weisen, wie Alessandro Morandotti bemerkt hat, darauf hin, dass es sich um ein zur Gänze eigenes Werk Carlo Antonio Procaccinis handelt, ausgeführt „alla rincorsa dei maestri fiamminghi“ [„in der Manier der flämischen Meister“] (Jan Brueghel und Paul Brill). Procaccini erwarb sich den Ruf eines „vero e proprio alter ego italiano“ [„wahren italienischen Alter Ego“] (D’Albo 2016) dieser renommierten Meister. Das Werk bezeugt, dass, wie Roberto Longhi als Erster beobachtet hat (Longhi 1965), sich Carlo Antonio in der Kunstwelt Mailands gegenüber seinen Brüdern Camillo und Giulio Cesare eine deutliche Nische schuf, indem er sich der Stillleben- und Landschaftsmalerei widmete. Damit gewann er einen beachtlichen Kundenkreis an Sammlern, die zwar Bewunderung für die flämischen Maler hegten, aber nicht bereit waren, ihre hohen Preise zu bezahlen. Lob kam von Girolamo Borsieri: „Carlo Antonio Procaccino valoroso oltra i paesi, ne’ quali ha egli acquistato gran nome seguendo la diligenza trovata da Gio. Brueghel e la forza che si vede in quei del Brillo“ [„Carlo Antonio Procaccini ist berühmt für seine Landschaften und hat sich einen großen Namen gemacht, indem er der bei Gio. Brueghel wahrgenommenen Sorgfalt und der Ausdruckskraft der Werke Brills gefolgt ist“] (1619). Malvasia berichtet später, dass selbst die spanischen Statthalter seine Werke kauften, „portandoli poi con essi loro, nel ritorno in Madrite“ [„die sie bei ihrer Rückkehr nach Madrid mitbrachten“] (1678). Brueghels Adam im irdischen Paradies und Der Triumph des hl. Karl Borromäus sind mit dem vorliegenden Gemälde vergleichbar (Morandotti 1999).

Das vorliegende Gemälde befand sich einst in der Sammlung der Familie Archinto (wo es bis 1863 verblieb). Es folgten mehrere Eigentümerwechsel, bevor es schließlich in den Trafalgar Galleries der Royal Academy wieder auftauchte (1983, Nr. 17). Es wurde von Marco Bona Castellotti publiziert (1985, Abb. 467); 1999 bestätigte Alessandro Morandotti seine Zuschreibung an Carlo Antonio (D’Albo 2016).

Das vorliegende Gemälde ist zwischen 1610 und 1615 entstanden und steht kompositorisch dem Heiligen Georg mit dem Drachen in der Pinacoteca Malaspina in Pavia, der Landschaft mit der heiligen Margareta in der Pinacoteca Ala Ponzone, Cremona (Marubbi 2007), dem Martyrium des heiligen Stefan und dem Gemälde Christus und die Samariterin am Brunnen (Crispo 2003) nahe. Auch in späteren Werken zeigt sich Carlo Antonios Gabe, Figuren mit einer Landschaft zu verbinden, darunter Jesus heilt einen Blinden, Merkur und die Töchter des Kekrops, von Blumengirlanden eingefasste Wiederholungen der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten und von Christus und die Samariterin am Brunnen (Dotti 2011). Das vorliegende Gemälde ist ein wichtiger Anhaltspunkt für Carlo Antonios einzigartige Entwicklung vor dem Hintergrund der borromäischen Kultur.

Wir danken Filippo Maria Ferro, der das vorliegende Gemälde katalogisiert hat.

17.10.2017 - 18:00

Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Carlo Antonio Procaccini


(Bologna 1571 – um 1630 Mailand)
Ruhe auf der Flucht nach Ägypten,
links unten (im Stein) signiert: Carlo Antonio Proca,
Öl auf Holz, 43 x 59,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Familie Archinto, Mailand;
Graf Giuseppe Archinto, Mailand;
dessen Auktion, Drouot, Paris, 18. Mai 1863, Lot 75 (als Brueghel und C. Procacini);
Trafalgar Galleries, London

Ausgestellt:
Trafalgar Galleries at the Royal Academy, 1983, Nr. 17

Literatur:
M. B. Castellotti, La Pittura Lombarda del ‘600, Mailand 1985, Abb. 467 (als Carlo Antonio Procaccini);
A. E. Pérez Sánchez, Pintura Espanola de Bodegones e Floreros de 1600 a Goya, Museo del Prado, Madrid 1983, S. 24/25, mit Abb. (als Carlo Antonio Procaccini);
A. E. Pérez Sánchez, La Nature Morte Espagnole du XVIIe siècle à Goya, Fribourg 1987, S. 15 (als Carlo Antonio Procaccini)

Während die Heilige Familie auf dem Weg nach Ägypten Rast macht, versorgen fliegende Engel die müden Reisenden mit Früchten. Die Gruppe ist von einer imaginären Landschaft mit einem römischen Rundtempel umgeben, vor dem eine vornehme Familie wandelt; ein Knappe überquert eine Brücke, und unter fernem Himmel säumen mehrere Gebäude und kleine Figuren die verschlungenen Ufer eines Flusses. Sogleich möchte man in dieser gekonnten Schilderung eines verwunschenen Ortes das Produkt einer Zusammenarbeit mit Jan Brueghel oder einem anderen flämischen Meister erkennen, der gleichermaßen in der Lage war, einen solchen verzauberten Mikrokosmos zu malen, der wohl, wie die Sammlung der Ambrosiana vermuten lässt, aus der Zeit Kardinals Federico Borromeos datiert. Doch sowohl die Signatur als auch der markante Stil dieser wunderbaren Miniatur weisen, wie Alessandro Morandotti bemerkt hat, darauf hin, dass es sich um ein zur Gänze eigenes Werk Carlo Antonio Procaccinis handelt, ausgeführt „alla rincorsa dei maestri fiamminghi“ [„in der Manier der flämischen Meister“] (Jan Brueghel und Paul Brill). Procaccini erwarb sich den Ruf eines „vero e proprio alter ego italiano“ [„wahren italienischen Alter Ego“] (D’Albo 2016) dieser renommierten Meister. Das Werk bezeugt, dass, wie Roberto Longhi als Erster beobachtet hat (Longhi 1965), sich Carlo Antonio in der Kunstwelt Mailands gegenüber seinen Brüdern Camillo und Giulio Cesare eine deutliche Nische schuf, indem er sich der Stillleben- und Landschaftsmalerei widmete. Damit gewann er einen beachtlichen Kundenkreis an Sammlern, die zwar Bewunderung für die flämischen Maler hegten, aber nicht bereit waren, ihre hohen Preise zu bezahlen. Lob kam von Girolamo Borsieri: „Carlo Antonio Procaccino valoroso oltra i paesi, ne’ quali ha egli acquistato gran nome seguendo la diligenza trovata da Gio. Brueghel e la forza che si vede in quei del Brillo“ [„Carlo Antonio Procaccini ist berühmt für seine Landschaften und hat sich einen großen Namen gemacht, indem er der bei Gio. Brueghel wahrgenommenen Sorgfalt und der Ausdruckskraft der Werke Brills gefolgt ist“] (1619). Malvasia berichtet später, dass selbst die spanischen Statthalter seine Werke kauften, „portandoli poi con essi loro, nel ritorno in Madrite“ [„die sie bei ihrer Rückkehr nach Madrid mitbrachten“] (1678). Brueghels Adam im irdischen Paradies und Der Triumph des hl. Karl Borromäus sind mit dem vorliegenden Gemälde vergleichbar (Morandotti 1999).

Das vorliegende Gemälde befand sich einst in der Sammlung der Familie Archinto (wo es bis 1863 verblieb). Es folgten mehrere Eigentümerwechsel, bevor es schließlich in den Trafalgar Galleries der Royal Academy wieder auftauchte (1983, Nr. 17). Es wurde von Marco Bona Castellotti publiziert (1985, Abb. 467); 1999 bestätigte Alessandro Morandotti seine Zuschreibung an Carlo Antonio (D’Albo 2016).

Das vorliegende Gemälde ist zwischen 1610 und 1615 entstanden und steht kompositorisch dem Heiligen Georg mit dem Drachen in der Pinacoteca Malaspina in Pavia, der Landschaft mit der heiligen Margareta in der Pinacoteca Ala Ponzone, Cremona (Marubbi 2007), dem Martyrium des heiligen Stefan und dem Gemälde Christus und die Samariterin am Brunnen (Crispo 2003) nahe. Auch in späteren Werken zeigt sich Carlo Antonios Gabe, Figuren mit einer Landschaft zu verbinden, darunter Jesus heilt einen Blinden, Merkur und die Töchter des Kekrops, von Blumengirlanden eingefasste Wiederholungen der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten und von Christus und die Samariterin am Brunnen (Dotti 2011). Das vorliegende Gemälde ist ein wichtiger Anhaltspunkt für Carlo Antonios einzigartige Entwicklung vor dem Hintergrund der borromäischen Kultur.

Wir danken Filippo Maria Ferro, der das vorliegende Gemälde katalogisiert hat.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017