Lot Nr. 78


Viviano Codazzi


Viviano Codazzi - Alte Meister

(Bergamo 1604–1670 Rom)
Maxentiusbasilika,
Öl auf Leinwand, 130 x 96,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Maurizio Marini (1942–2011), Rom;
Privatsammlung, Rom

Literatur:
M. Marini, Viviano Codazzi. Il Capriccio del Vero, in: Ricerche di storia dell’arte, 3, Rom 1976, S. 123/124, 127, Anm. 23 und Abb. 1 (als Viviano Codazzi und François Perrier);
G. Briganti, L. Trezzani, L. Laureati, Viviano Codazzi, in: I Pittori Bergamaschi dal XIII al XIX secolo, Il Seicento, I, Bergamo 1983, S. 701, Kat. Nr. 102 (als Viviano Codazzi, Figuren schwer zuschreibbar);
A. Corboz, Canaletto. Una Venezia immaginaria, Mailand 1985, Bd. II, S. 440/441, Abb. 492 (als Viviano Codazzi);
D. R. Marshall, The Roman Baths Theme from Viviano Codazzi to G. P. Panini: Transmission and Transformation, in: Artibus et Historiae, an Art Anthology, Nr. 23, XII, 1991, S. 155, Anm. 18 (als Viviano Codazzi);
D. R. Marshall, Viviano and Niccolò Codazzi and the Baroque Architectural Fantasy, Città di Castello 1993, S. 196/197, Nr. VC 86 (als Viviano Codazzi und unbekannter Figurenmaler);
M. Marini, Le vedute di Roma di Giovanni Battista Piranesi, 1989, Ausgabe Rom 2006, S. 18, mit Abb. (als Viviano Codazzi)

Das vorliegende Gemälde zeigt „die bedeutendste topografische Darstellung der Konstantinsbasilika“ in Rom (siehe Marshall 1993). Es wurde Mitte der 1650er-Jahre von Viviano Codazzi gemalt.

Das Bildthema war im 17. Jahrhundert weit verbreitet und wurde vom Künstler des vorliegenden Gemäldes mehrmals aufgegriffen, etwa für die Konstantinsbasilika mit der Anbetung der Könige im Musée Bertrand, Châteauroux. Die Frontalansicht des Monuments beruht auf einem Stich von Sebastiano Serlio (Tutte l’opere, 1619, Buch III, fol. 59), die wiederum auf einer Zeichnung von Baldassare Peruzzi basierte (Uffizien A.539v).

Das imposante Gebäude, das den Bildinhalt dieses Gemäldes abgibt, wurde unter Kaiser Maxentius begonnen und unter Kaiser Konstantin Anfang des 4. Jahrhunderts fertiggestellt. Es war eines der großartigsten Monumente des Forums und hat die Fantasie der Künstler, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, die Ruinen des antiken Roms zu porträtieren, zweifellos angeregt. Im vorliegenden Gemälde ist die Basilika axial dargestellt, um die drei mächtigen Apsiden an der Nordseite des Bauwerks – der einzige Teil, der in Codazzis Tagen noch erhalten war – zu zeigen. Damals befanden sich allerdings die die Pfeiler flankierenden hohen Säulen aus prokonnesischem Marmor noch an Ort und Stelle. Diese stolze Architektur bildet die Kulisse für zwei kleine Figuren neben einer Altarplatte im Vordergrund: einen jungen Hirten und eine alte Frau.

Der auffällige Realismus, mit dem das Gebäude wiedergegeben ist, ist typisch für Codazzis Schaffen, wird jedoch in gewisser Hinsicht durch das elliptische Fenster, durch das man auf die Komposition blickt, konterkariert – beinahe so, als wollte der Künstler bewusst den Übergang vom realen Raum in den illusionistischen Bildraum markieren.

Marini (siehe Literatur) hat dazu ausgeführt: „Penetrato di spirito fantastico e preromantico, il capriccio realistico del Codazzi ha un taglio visivo definito, con quinte parallele al piano del quadro e squarci prospettici per lo più all’orizzonte“ [„Durchdrungen von einem fantastischen und vorromantischen Geist, zeigt Codazzis realistisches Capriccio einen scharf definierten Blickwinkel mit einer parallel zur Bildebene angeordneten Kulisse und zumeist bis zum Horizont reichenden perspektivischen Durchbrüchen“]. Doch vermutet Marini, der das vorliegende Gemälde als Erster (1976) publizierte, hinter der Unmittelbarkeit dieses unter Sammlern des 17. Jahrhunderts beliebten Typus von Capriccio-Malerei auch eine allegorische Bedeutung. Tatsächlich zeigt der Hirtenjunge im Vordergrund der auf ihn zukommenden alten Frau eine Schlange, ein Symbol der Erneuerung und des Erwachens. Der junge Hirte trägt einen Stab, wohinter auch eine Anspielung auf Merkur und dessen Eigenschaft der Befriedung stecken könnte. Darüber hinaus mag das die gesamte Szene umschließende Oval auf die Ewigkeit und in einem erweiterten Sinn auch auf den Fortbestand des Katholizismus anspielen. Derartige Bezugnahmen hätten sich einer gebildeten römischen Elite, die diese Art Gemälde in Auftrag gab, klar erschlossen.

Viviano Codazzi gehörte zu den wichtigsten Vertretern derVedutenmalerei des 17. Jahrhunderts und zu den größten Erneuerern dieses Genres. Der aus Bergamo stammende Künstler machte ab 1634 in Neapel auf sich aufmerksam, wo er sich neben der Produktion von Tafelbildern, die häufig in Zusammenarbeit mit Domenico Gargiulo entstanden, auch als fähiger Quadraturist behauptete und großformatige perspektivische Darstellungen schuf. Unter dem Einfluss der einschlägigen Renaissancetradition und den jüngsten Strömungen in der römischen Ansichtenmalerei begründete Viviano Codazzi eine neue Art der Vedute, die antike Ruinen mit geometrischer Präzision und dramatischen Licht-Schatten-Effekten abbildete. Dabei legte er auch eine feine Beobachtungsgabe für Details des Alltagslebens an den Tag. Alle dies sind Darstellungsmittel, die auch an den Realismus Caravaggios denken lassen. 1648 lies sich Codazzi in Rom nieder, wo seine Gemälde immer monumentaler und „klassischer“ wurden. Er begann sie mit bildnerischen und atmosphärischen Effekten anzureichern, wofür das vorliegende Gemälde als beispielhaft gelten kann.

17.10.2017 - 18:00

Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Viviano Codazzi


(Bergamo 1604–1670 Rom)
Maxentiusbasilika,
Öl auf Leinwand, 130 x 96,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Maurizio Marini (1942–2011), Rom;
Privatsammlung, Rom

Literatur:
M. Marini, Viviano Codazzi. Il Capriccio del Vero, in: Ricerche di storia dell’arte, 3, Rom 1976, S. 123/124, 127, Anm. 23 und Abb. 1 (als Viviano Codazzi und François Perrier);
G. Briganti, L. Trezzani, L. Laureati, Viviano Codazzi, in: I Pittori Bergamaschi dal XIII al XIX secolo, Il Seicento, I, Bergamo 1983, S. 701, Kat. Nr. 102 (als Viviano Codazzi, Figuren schwer zuschreibbar);
A. Corboz, Canaletto. Una Venezia immaginaria, Mailand 1985, Bd. II, S. 440/441, Abb. 492 (als Viviano Codazzi);
D. R. Marshall, The Roman Baths Theme from Viviano Codazzi to G. P. Panini: Transmission and Transformation, in: Artibus et Historiae, an Art Anthology, Nr. 23, XII, 1991, S. 155, Anm. 18 (als Viviano Codazzi);
D. R. Marshall, Viviano and Niccolò Codazzi and the Baroque Architectural Fantasy, Città di Castello 1993, S. 196/197, Nr. VC 86 (als Viviano Codazzi und unbekannter Figurenmaler);
M. Marini, Le vedute di Roma di Giovanni Battista Piranesi, 1989, Ausgabe Rom 2006, S. 18, mit Abb. (als Viviano Codazzi)

Das vorliegende Gemälde zeigt „die bedeutendste topografische Darstellung der Konstantinsbasilika“ in Rom (siehe Marshall 1993). Es wurde Mitte der 1650er-Jahre von Viviano Codazzi gemalt.

Das Bildthema war im 17. Jahrhundert weit verbreitet und wurde vom Künstler des vorliegenden Gemäldes mehrmals aufgegriffen, etwa für die Konstantinsbasilika mit der Anbetung der Könige im Musée Bertrand, Châteauroux. Die Frontalansicht des Monuments beruht auf einem Stich von Sebastiano Serlio (Tutte l’opere, 1619, Buch III, fol. 59), die wiederum auf einer Zeichnung von Baldassare Peruzzi basierte (Uffizien A.539v).

Das imposante Gebäude, das den Bildinhalt dieses Gemäldes abgibt, wurde unter Kaiser Maxentius begonnen und unter Kaiser Konstantin Anfang des 4. Jahrhunderts fertiggestellt. Es war eines der großartigsten Monumente des Forums und hat die Fantasie der Künstler, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, die Ruinen des antiken Roms zu porträtieren, zweifellos angeregt. Im vorliegenden Gemälde ist die Basilika axial dargestellt, um die drei mächtigen Apsiden an der Nordseite des Bauwerks – der einzige Teil, der in Codazzis Tagen noch erhalten war – zu zeigen. Damals befanden sich allerdings die die Pfeiler flankierenden hohen Säulen aus prokonnesischem Marmor noch an Ort und Stelle. Diese stolze Architektur bildet die Kulisse für zwei kleine Figuren neben einer Altarplatte im Vordergrund: einen jungen Hirten und eine alte Frau.

Der auffällige Realismus, mit dem das Gebäude wiedergegeben ist, ist typisch für Codazzis Schaffen, wird jedoch in gewisser Hinsicht durch das elliptische Fenster, durch das man auf die Komposition blickt, konterkariert – beinahe so, als wollte der Künstler bewusst den Übergang vom realen Raum in den illusionistischen Bildraum markieren.

Marini (siehe Literatur) hat dazu ausgeführt: „Penetrato di spirito fantastico e preromantico, il capriccio realistico del Codazzi ha un taglio visivo definito, con quinte parallele al piano del quadro e squarci prospettici per lo più all’orizzonte“ [„Durchdrungen von einem fantastischen und vorromantischen Geist, zeigt Codazzis realistisches Capriccio einen scharf definierten Blickwinkel mit einer parallel zur Bildebene angeordneten Kulisse und zumeist bis zum Horizont reichenden perspektivischen Durchbrüchen“]. Doch vermutet Marini, der das vorliegende Gemälde als Erster (1976) publizierte, hinter der Unmittelbarkeit dieses unter Sammlern des 17. Jahrhunderts beliebten Typus von Capriccio-Malerei auch eine allegorische Bedeutung. Tatsächlich zeigt der Hirtenjunge im Vordergrund der auf ihn zukommenden alten Frau eine Schlange, ein Symbol der Erneuerung und des Erwachens. Der junge Hirte trägt einen Stab, wohinter auch eine Anspielung auf Merkur und dessen Eigenschaft der Befriedung stecken könnte. Darüber hinaus mag das die gesamte Szene umschließende Oval auf die Ewigkeit und in einem erweiterten Sinn auch auf den Fortbestand des Katholizismus anspielen. Derartige Bezugnahmen hätten sich einer gebildeten römischen Elite, die diese Art Gemälde in Auftrag gab, klar erschlossen.

Viviano Codazzi gehörte zu den wichtigsten Vertretern derVedutenmalerei des 17. Jahrhunderts und zu den größten Erneuerern dieses Genres. Der aus Bergamo stammende Künstler machte ab 1634 in Neapel auf sich aufmerksam, wo er sich neben der Produktion von Tafelbildern, die häufig in Zusammenarbeit mit Domenico Gargiulo entstanden, auch als fähiger Quadraturist behauptete und großformatige perspektivische Darstellungen schuf. Unter dem Einfluss der einschlägigen Renaissancetradition und den jüngsten Strömungen in der römischen Ansichtenmalerei begründete Viviano Codazzi eine neue Art der Vedute, die antike Ruinen mit geometrischer Präzision und dramatischen Licht-Schatten-Effekten abbildete. Dabei legte er auch eine feine Beobachtungsgabe für Details des Alltagslebens an den Tag. Alle dies sind Darstellungsmittel, die auch an den Realismus Caravaggios denken lassen. 1648 lies sich Codazzi in Rom nieder, wo seine Gemälde immer monumentaler und „klassischer“ wurden. Er begann sie mit bildnerischen und atmosphärischen Effekten anzureichern, wofür das vorliegende Gemälde als beispielhaft gelten kann.


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old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017