Lot Nr. 597


Santi di Tito


Santi di Tito - Alte Meister

(Sansepolcro 1536–1602 Florenz)
Der thronende heilige Zenobius mit zwei Engeln,
Öl auf Holz, 130 x 99 cm, gerahmt

Wir danken Frau Professor Elizabeth Pilliod für den Hinweis auf die Zuschreibung auf Grundlage einer Fotografie.

Der heilige Zenobius ist hier mit einem braun-grauen Bart dargestellt; er trägt Bischofsstab und -mütze und über einem weißen Rochett einen rosafarbenen Mantel, der von einer Rubinspange zusammengehalten wird. Die einzelnen Details und die Farbigkeit der Kleidung im vorliegenden Gemälde entsprechen beinahe exakt den Gewändern im Altarbild für San Giusto von Domenico und Davide Ghirlandaio - sowohl in der Mitteltafel (Uffizien, Florenz) als auch in der Predella (Metropolitan Museum of Art, New York), welche ins späte 15. Jahrhundert datiert werden. Ein weiteres Beispiel für die dem vorliegenden Bild entsprechende Kombination eines weißen und rosafarbenen Gewandes mit einer einfachen weißen Mitra, die auf beiden Seiten von jeweils einem einzelnen großem Edelstein geschmückt wird, findet man auch in einem kleinen Bild des Zenobius von einem unbekannten Künstler im Capitolo Metropolitano Fiorentino (1). Der Florentiner Heilige, der im 4. Jahrhundert lebte, wurde in Florenz vielerorts verehrt: im Dom, in der Kirche San Pier Maggiore, sowie in zwei Bruderschaften (2).
Ebenfalls florentinischen Ursprungs ist der Thron aus pietra serena, auf dem der Heilige sitzt sowie die Stufe aus dem gleichen grauen Stein am unteren Rand des Gemäldes. Der Heilige segnet den Betrachter; ein Buch zu seinen Füßen reicht über die Unterkante der Szenerie hinaus und lädt den Betrachter ein, die Hand auszustrecken, um es zu berühren. Zwei Putten tragen eine Girlande aus Lorbeer und Früchten, die über den Bildrand der Tafel hinauszureichen scheint. Die sorgfältige Ausführung des Gemäldes (man beachte die geritzten Linien, mit denen die Architektur und in einigen Passagen das Gewand des Heiligen festgelegt wurden) sowie die Formgebung der Hände und des Gesichts legen nahe, dass der Maler des Bildes von Bronzino ausgebildet worden oder mit dessen Malweise vertraut war. Tatsächlich war das vorliegende Gemälde traditionell Bronzino zugeschrieben; auch die Umrisse der Putten erinnern an seine Kunst, ebenso die Zeichnung der Hände des Heiligen, deren Umrisse und Fingergelenke betont und die in der Manier Bronzinos plastisch herausgearbeitet sind. Die graue pietra serena Architektur und das bescheidene Schuhwerk des Heiligen orientieren sich in ihrer Greifbarkeit an Bronzinos Malweise; das Gesicht des Heiligen erscheint jedoch weicher, und zahlreiche Details, etwa das schimmernde Licht, die Perlen und Metallfäden, sind von eigenständigerer Präsenz als bei Bronzino. Das sanfte Leuchten, das von Zenobius’ Gesicht ausgeht, und die perlgraue Tonalität, die der Farbigkeit des Bildes zugrunde liegt, weisen auf Santi di Tito, einen Schüler Bronzinos, hin. Mit den dünnen Haarsträhnen und dem grauen Grundton des Inkarnats ist der Heilige den stilistisch ausgereiften männlichen Figuren in Santis Abendmahl in Emmaus in Santa Croce (1574) vergleichbar, und das Kind unten rechts auf dem Altarbild erinnert an den Putto rechts des heiligen Zenobius. Die Ausführung der Architektur (vor allem des Bodens und der Stufe) sowie die Zeichnung der erhobenen Hand des Mannes rechts im Gemälde Die Auferweckung der Tochter des Jairus (Wien, Kunsthistorisches Museum) weisen große Ähnlichkeit mit dem Bild des heiligen Zenobius auf.
Der direkte Bezug zum Betrachter und die an ihn gerichtete Aufforderung, mit dem Heiligen in einen Dialog zu treten, sind Wesenszüge der gegenreformatorischen Kunst in Florenz. Die kompakte Frontalität des Bildes sowie die symmetrische Ausgewogenheit der Komposition sowie die nüchterne Farbigkeit sind typisch für die 1570er Jahre und charakteristische Merkmale von Santi di Titos Stil. Das in Untersicht angelegte Gemälde und die unten hervortretende Stufe legen nahe, dass es für die Anbringung über einer Vertäfelung gedacht war, vielleicht in einem der Kapitelsäle einer der den Heiligen Zenobius verehrenden Bruderschaften. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zu einer Wiederbelebung des Interesses an Florentiner Lokalheiligen und den damit verbundenen Feierlichkeiten sowie zu einer entsprechenden Häufung von Aufträgen für Kapellenausstattungen und Gemälde, die diese Heiligen zum Thema hatten. Viele alte Heiligenbilder wurden durch neue ersetzt, deren Ausführung den besten in Florenz tätigen zeitgenössischen Malern anvertraut wurde. Vor diesem Hintergrund ist möglicherweise auch das vorliegende Gemälde entstanden.

Wir danken Professor Elizabeth Pilliod für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Werkes.

(1) Reproduziert in Farbe auf dem Umschlag von: Alessandro Ciandella, San Zanobi, vita, reliquie, culto iconografia, Florenz 2005. Siehe auch den Ausstellungskatalog Santi e Beati della Toscana. Viaggio tra le piccole immagini della devozione popolare, Piombino 2001, Abb. 90
(2) Die Kirche Santa Reparata (der Vorgängerbau des Doms) beherbergte in der Krypta einen Zenobius geweihten Altar; im neuen Dom Brunelleschis gab es eine reich ausgestattete Zenobius gewidmete Kapelle. Man glaubte, dass Zenobius eine Zeitlang in der zerstörten Kirche San Pier Maggiore gelebt hatte. Die Compagnia di San Zanobi, eine bedeutende Laienbruderschaft, stand mit dem Dom in Verbindung, während die Compagnia della Purificazione e di San Zanobi, eine Jugendbruderschaft, gleich neben San Marco errichtet wurde.

17.04.2013 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 73.500,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Santi di Tito


(Sansepolcro 1536–1602 Florenz)
Der thronende heilige Zenobius mit zwei Engeln,
Öl auf Holz, 130 x 99 cm, gerahmt

Wir danken Frau Professor Elizabeth Pilliod für den Hinweis auf die Zuschreibung auf Grundlage einer Fotografie.

Der heilige Zenobius ist hier mit einem braun-grauen Bart dargestellt; er trägt Bischofsstab und -mütze und über einem weißen Rochett einen rosafarbenen Mantel, der von einer Rubinspange zusammengehalten wird. Die einzelnen Details und die Farbigkeit der Kleidung im vorliegenden Gemälde entsprechen beinahe exakt den Gewändern im Altarbild für San Giusto von Domenico und Davide Ghirlandaio - sowohl in der Mitteltafel (Uffizien, Florenz) als auch in der Predella (Metropolitan Museum of Art, New York), welche ins späte 15. Jahrhundert datiert werden. Ein weiteres Beispiel für die dem vorliegenden Bild entsprechende Kombination eines weißen und rosafarbenen Gewandes mit einer einfachen weißen Mitra, die auf beiden Seiten von jeweils einem einzelnen großem Edelstein geschmückt wird, findet man auch in einem kleinen Bild des Zenobius von einem unbekannten Künstler im Capitolo Metropolitano Fiorentino (1). Der Florentiner Heilige, der im 4. Jahrhundert lebte, wurde in Florenz vielerorts verehrt: im Dom, in der Kirche San Pier Maggiore, sowie in zwei Bruderschaften (2).
Ebenfalls florentinischen Ursprungs ist der Thron aus pietra serena, auf dem der Heilige sitzt sowie die Stufe aus dem gleichen grauen Stein am unteren Rand des Gemäldes. Der Heilige segnet den Betrachter; ein Buch zu seinen Füßen reicht über die Unterkante der Szenerie hinaus und lädt den Betrachter ein, die Hand auszustrecken, um es zu berühren. Zwei Putten tragen eine Girlande aus Lorbeer und Früchten, die über den Bildrand der Tafel hinauszureichen scheint. Die sorgfältige Ausführung des Gemäldes (man beachte die geritzten Linien, mit denen die Architektur und in einigen Passagen das Gewand des Heiligen festgelegt wurden) sowie die Formgebung der Hände und des Gesichts legen nahe, dass der Maler des Bildes von Bronzino ausgebildet worden oder mit dessen Malweise vertraut war. Tatsächlich war das vorliegende Gemälde traditionell Bronzino zugeschrieben; auch die Umrisse der Putten erinnern an seine Kunst, ebenso die Zeichnung der Hände des Heiligen, deren Umrisse und Fingergelenke betont und die in der Manier Bronzinos plastisch herausgearbeitet sind. Die graue pietra serena Architektur und das bescheidene Schuhwerk des Heiligen orientieren sich in ihrer Greifbarkeit an Bronzinos Malweise; das Gesicht des Heiligen erscheint jedoch weicher, und zahlreiche Details, etwa das schimmernde Licht, die Perlen und Metallfäden, sind von eigenständigerer Präsenz als bei Bronzino. Das sanfte Leuchten, das von Zenobius’ Gesicht ausgeht, und die perlgraue Tonalität, die der Farbigkeit des Bildes zugrunde liegt, weisen auf Santi di Tito, einen Schüler Bronzinos, hin. Mit den dünnen Haarsträhnen und dem grauen Grundton des Inkarnats ist der Heilige den stilistisch ausgereiften männlichen Figuren in Santis Abendmahl in Emmaus in Santa Croce (1574) vergleichbar, und das Kind unten rechts auf dem Altarbild erinnert an den Putto rechts des heiligen Zenobius. Die Ausführung der Architektur (vor allem des Bodens und der Stufe) sowie die Zeichnung der erhobenen Hand des Mannes rechts im Gemälde Die Auferweckung der Tochter des Jairus (Wien, Kunsthistorisches Museum) weisen große Ähnlichkeit mit dem Bild des heiligen Zenobius auf.
Der direkte Bezug zum Betrachter und die an ihn gerichtete Aufforderung, mit dem Heiligen in einen Dialog zu treten, sind Wesenszüge der gegenreformatorischen Kunst in Florenz. Die kompakte Frontalität des Bildes sowie die symmetrische Ausgewogenheit der Komposition sowie die nüchterne Farbigkeit sind typisch für die 1570er Jahre und charakteristische Merkmale von Santi di Titos Stil. Das in Untersicht angelegte Gemälde und die unten hervortretende Stufe legen nahe, dass es für die Anbringung über einer Vertäfelung gedacht war, vielleicht in einem der Kapitelsäle einer der den Heiligen Zenobius verehrenden Bruderschaften. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zu einer Wiederbelebung des Interesses an Florentiner Lokalheiligen und den damit verbundenen Feierlichkeiten sowie zu einer entsprechenden Häufung von Aufträgen für Kapellenausstattungen und Gemälde, die diese Heiligen zum Thema hatten. Viele alte Heiligenbilder wurden durch neue ersetzt, deren Ausführung den besten in Florenz tätigen zeitgenössischen Malern anvertraut wurde. Vor diesem Hintergrund ist möglicherweise auch das vorliegende Gemälde entstanden.

Wir danken Professor Elizabeth Pilliod für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Werkes.

(1) Reproduziert in Farbe auf dem Umschlag von: Alessandro Ciandella, San Zanobi, vita, reliquie, culto iconografia, Florenz 2005. Siehe auch den Ausstellungskatalog Santi e Beati della Toscana. Viaggio tra le piccole immagini della devozione popolare, Piombino 2001, Abb. 90
(2) Die Kirche Santa Reparata (der Vorgängerbau des Doms) beherbergte in der Krypta einen Zenobius geweihten Altar; im neuen Dom Brunelleschis gab es eine reich ausgestattete Zenobius gewidmete Kapelle. Man glaubte, dass Zenobius eine Zeitlang in der zerstörten Kirche San Pier Maggiore gelebt hatte. Die Compagnia di San Zanobi, eine bedeutende Laienbruderschaft, stand mit dem Dom in Verbindung, während die Compagnia della Purificazione e di San Zanobi, eine Jugendbruderschaft, gleich neben San Marco errichtet wurde.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.04.2013 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 06.04. - 17.04.2013


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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