Lot Nr. 76


Jusepe de Ribera


Jusepe de Ribera - Alte Meister

(Xàtiva 1591–1652 Neapel)
Der büßende heilige Franziskus,
Öl auf Leinwand, 123,5 x 128 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s, London, 9. Juli 2009, Lot 156 (als neapolitanische Schule, 17. Jahrhundert);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Literatur:
N. Spinosa, Pittura del Seicento a Napoli. Da Caravaggio a Massimo Stanzione, Neapel 2010, S. 374f., Kat.-Nr. 371 (als Jusepe de Ribera)

Das Gemälde zeigt den heiligen Franziskus als Büßenden in Anbetung des Kreuzes, nachdem er die Stigmata in Porziuncola bei Assisi empfangen hat. Der Totenschädel auf dem Felsen im rechten Vordergrund dient dem Heiligen zur Fokussierung bei seiner Meditation über die Sterblichkeit.

Spinosa hat das vorliegende Werk um 1640 datiert. Das Gemälde ist mit zwei weiteren Werken, dem um 1640 ausgeführten Heiligen Petrus im Gebet (siehe N. Spinosa, Ribera: la obra completa, Madrid 2008, S. 438, Kat.-Nr. A272) und dem Heiligen Franziskus in Ekstase von 1642 im Kloster San Lorenzo im Escorial vergleichbar, wo Ribera sich desselben Modells bedient haben mag.

Darstellungen büßender oder meditierender Heiliger als Dreiviertelfigur kommen bei Ribera häufig vor und entstanden vermutlich im Geist der nüchternen Spiritualität der Gegenreformation seiner spanischen und neapolitanischen Mäzene. Das vorliegende Gemälde ist mit der Büßenden Maria Magdalena und dem Heiligen Bartholomäus aus der signierten und datierten Serie des Jahres 1641 im Museo del Prado in Madrid (Inv.-Nr. P001103; Inv.-Nr. P001100) sowie mit dem signierten und mit 1643 datierten Heiligen Franziskus in Meditation in der Galleria Palatina im Palazzo Pitti, Florenz (Inv. 1912, Nr. 73) vergleichbar.

In den 1640er-Jahren war Riberas Ruf in Neapel bereits gefestigt. Der Künstler schuf hier im Rahmen seiner Beschäftigung mit dem Tenebrismus dramatische, durch Kontraste von Licht und Schatten bestimmte Werke. Wie viele Künstler, die die Werke Caravaggios in Rom und Neapel gesehen hatten, war Ribera von seiner Technik beeindruckt und experimentierte mit Licht, um Helldunkelkontraste zu setzen. Er wurde jedoch nie ein direkter Nachfolger Caravaggios, sondern entwickelte, indem der dessen Auffassung von Realismus weiterführte, seine eigene markante Handschrift, eine tief empfundene und durch und durch spanische Abwandlung des realistischen Stils.

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

An diesem Gemälde durchgeführte wissenschaftliche Untersuchungen haben seine Qualität zutage gebracht. Das Werk ist auf einem dunkelbraunen Malgrund ausgeführt. Wie IRR-Bilder zeigen, wurden mehrere Veränderungen vorgenommen: Die Balken des Kruzifixes waren kürzer – es musste vergrößert werden, um den Gekreuzigten aufzunehmen; der rechte Ärmel des Gewandes des heiligen Franziskus war ursprünglicher länger, und das Profil des gegen den Himmel dargestellten Berges wurde ein wenig reduziert. Diese Veränderung hat im „Landschafsfenster“, wo die mittelblaue Masse des Baumes die horizontale Masse des Berges ergänzt, für mehr Licht gesorgt. Darüber hinaus wurde das Ordenskleid im Bereich der Brust verändert, wo die beinahe senkrechten Falten jetzt direkt auf das Haupt des Heiligen zulaufen, wohingegen die ursprüngliche Idee einen weiteren, halbrunden Ausschnitt vorsah, was so aussah, als wäre die Kapuze ein separates Kleidungsstück.

Spektroskopische Untersuchungen ergeben eine schlichte Farbpalette: Ocker und braune Erden, Bleiweiß, Lapislazuli in der oberen Malschicht des Himmels und einigen Bereichen der bläulichen Vegetation, Smalte hingegen in der unteren Malschicht des Himmels, vergleichbar der Vorgangsweise des 15. und 16. Jahrhunderts, als man zuweilen mit einer zweifachen Schicht Blau arbeitete, wobei man damals typischerweise Lapislazuli über Azurit verwendete. Die grüne Vegetation der Landschaft wurde durch eine Mischung von Smalte mit einem Pigment auf Eisenoxidbasis (Ocker oder Erdpigment) erzielt. Die Hauttöne enthalten Zinnober und Ocker, die in unterschiedlichen Mengen Bleiweiß hinzugefügt wurden. Die Pinselstriche sind im Bereich des Inkarnats präzise gesetzt und beschreiben die Zwischentöne und einige ganz im Licht liegende Passagen, etwa im Bereich der Augen.

In der IR-Reflektografie zeigt sich auch die felsige Struktur der Höhle, durch die sich das Sujet zusammen mit dem Kreuz, dem Buch und dem Totenschädel zu den meditativen Bildthemen des heiligen Hieronymus und der büßenden Maria Magdalena reiht. Eine eingehendere Betrachtung der dunkleren Bereiche erlaubt es, die gelungene Schaffung eines subtilen Gleichgewichts von Licht und Schatten sowie das Spiel von geraden und geschwungenen Linien entlang der Diagonalen zu würdigen: So antwortet, wie die IRR offenbart, dem Bogen der Höhle links der dunkle Felsen hinter dem Haupt des heiligen Franziskus entlang des das Kruzifix haltenden Arms.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Jusepe de Ribera


(Xàtiva 1591–1652 Neapel)
Der büßende heilige Franziskus,
Öl auf Leinwand, 123,5 x 128 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s, London, 9. Juli 2009, Lot 156 (als neapolitanische Schule, 17. Jahrhundert);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Literatur:
N. Spinosa, Pittura del Seicento a Napoli. Da Caravaggio a Massimo Stanzione, Neapel 2010, S. 374f., Kat.-Nr. 371 (als Jusepe de Ribera)

Das Gemälde zeigt den heiligen Franziskus als Büßenden in Anbetung des Kreuzes, nachdem er die Stigmata in Porziuncola bei Assisi empfangen hat. Der Totenschädel auf dem Felsen im rechten Vordergrund dient dem Heiligen zur Fokussierung bei seiner Meditation über die Sterblichkeit.

Spinosa hat das vorliegende Werk um 1640 datiert. Das Gemälde ist mit zwei weiteren Werken, dem um 1640 ausgeführten Heiligen Petrus im Gebet (siehe N. Spinosa, Ribera: la obra completa, Madrid 2008, S. 438, Kat.-Nr. A272) und dem Heiligen Franziskus in Ekstase von 1642 im Kloster San Lorenzo im Escorial vergleichbar, wo Ribera sich desselben Modells bedient haben mag.

Darstellungen büßender oder meditierender Heiliger als Dreiviertelfigur kommen bei Ribera häufig vor und entstanden vermutlich im Geist der nüchternen Spiritualität der Gegenreformation seiner spanischen und neapolitanischen Mäzene. Das vorliegende Gemälde ist mit der Büßenden Maria Magdalena und dem Heiligen Bartholomäus aus der signierten und datierten Serie des Jahres 1641 im Museo del Prado in Madrid (Inv.-Nr. P001103; Inv.-Nr. P001100) sowie mit dem signierten und mit 1643 datierten Heiligen Franziskus in Meditation in der Galleria Palatina im Palazzo Pitti, Florenz (Inv. 1912, Nr. 73) vergleichbar.

In den 1640er-Jahren war Riberas Ruf in Neapel bereits gefestigt. Der Künstler schuf hier im Rahmen seiner Beschäftigung mit dem Tenebrismus dramatische, durch Kontraste von Licht und Schatten bestimmte Werke. Wie viele Künstler, die die Werke Caravaggios in Rom und Neapel gesehen hatten, war Ribera von seiner Technik beeindruckt und experimentierte mit Licht, um Helldunkelkontraste zu setzen. Er wurde jedoch nie ein direkter Nachfolger Caravaggios, sondern entwickelte, indem der dessen Auffassung von Realismus weiterführte, seine eigene markante Handschrift, eine tief empfundene und durch und durch spanische Abwandlung des realistischen Stils.

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

An diesem Gemälde durchgeführte wissenschaftliche Untersuchungen haben seine Qualität zutage gebracht. Das Werk ist auf einem dunkelbraunen Malgrund ausgeführt. Wie IRR-Bilder zeigen, wurden mehrere Veränderungen vorgenommen: Die Balken des Kruzifixes waren kürzer – es musste vergrößert werden, um den Gekreuzigten aufzunehmen; der rechte Ärmel des Gewandes des heiligen Franziskus war ursprünglicher länger, und das Profil des gegen den Himmel dargestellten Berges wurde ein wenig reduziert. Diese Veränderung hat im „Landschafsfenster“, wo die mittelblaue Masse des Baumes die horizontale Masse des Berges ergänzt, für mehr Licht gesorgt. Darüber hinaus wurde das Ordenskleid im Bereich der Brust verändert, wo die beinahe senkrechten Falten jetzt direkt auf das Haupt des Heiligen zulaufen, wohingegen die ursprüngliche Idee einen weiteren, halbrunden Ausschnitt vorsah, was so aussah, als wäre die Kapuze ein separates Kleidungsstück.

Spektroskopische Untersuchungen ergeben eine schlichte Farbpalette: Ocker und braune Erden, Bleiweiß, Lapislazuli in der oberen Malschicht des Himmels und einigen Bereichen der bläulichen Vegetation, Smalte hingegen in der unteren Malschicht des Himmels, vergleichbar der Vorgangsweise des 15. und 16. Jahrhunderts, als man zuweilen mit einer zweifachen Schicht Blau arbeitete, wobei man damals typischerweise Lapislazuli über Azurit verwendete. Die grüne Vegetation der Landschaft wurde durch eine Mischung von Smalte mit einem Pigment auf Eisenoxidbasis (Ocker oder Erdpigment) erzielt. Die Hauttöne enthalten Zinnober und Ocker, die in unterschiedlichen Mengen Bleiweiß hinzugefügt wurden. Die Pinselstriche sind im Bereich des Inkarnats präzise gesetzt und beschreiben die Zwischentöne und einige ganz im Licht liegende Passagen, etwa im Bereich der Augen.

In der IR-Reflektografie zeigt sich auch die felsige Struktur der Höhle, durch die sich das Sujet zusammen mit dem Kreuz, dem Buch und dem Totenschädel zu den meditativen Bildthemen des heiligen Hieronymus und der büßenden Maria Magdalena reiht. Eine eingehendere Betrachtung der dunkleren Bereiche erlaubt es, die gelungene Schaffung eines subtilen Gleichgewichts von Licht und Schatten sowie das Spiel von geraden und geschwungenen Linien entlang der Diagonalen zu würdigen: So antwortet, wie die IRR offenbart, dem Bogen der Höhle links der dunkle Felsen hinter dem Haupt des heiligen Franziskus entlang des das Kruzifix haltenden Arms.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020