Lot Nr. 117


Anton Raphael Mengs


Anton Raphael Mengs - Alte Meister

(Ústí nad Labem 1728–1779 Rom)
Halbfiguriges Porträt der Mariana del Pilar Ana Silva-Bazán y Sarmiento (1739–1784) mit Hund,
Öl auf Leinwand, 51 x 41 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Bukowskis, Stockholm, 11.–13. Oktober 1950, Lot 197;
Auktion, Bukowskis, Stockholm, 2. November 2010, Lot 198012 (als französischer Künstler, 18. Jahrhundert);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Steffi Roettgen, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Dieses bisher unbekannte, erst kürzlich entdeckte Gemälde von Anton Raphael Mengs bietet neue Informationen über die Entwicklung eines seiner bedeutendsten Frauenporträts aus seiner spanischen Periode.

Das vorliegende Bildnis stellt Mariana del Pilar Ana Silva-Bazán y Sarmiento dar, wie sich aus einem Vergleich mit ihrem Porträt in der Sammlung Alba erschließt (siehe S. Roettgen, Anton Raphael Mengs 1728‒1779, München 1999, Kat.-Nr. 263). José Nicolás de Azara erwähnt in seinem Werkverzeichnis von Mengs zwei Porträts der Duquesa de Huescar (Azara-Fea 1787, S. XLIV), die beide identische Maße aufweisen und die Porträtierte in Lebensgröße darstellen. In Anbetracht des kleineren Formats der vorliegenden Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dieses Gemälde im Auge hatte, wie immer es auch verkleinert worden sein mag. Die Erscheinung der Dargestellten im vorliegenden Fall unterscheidet sich insofern, als sie anstelle des kostbaren Gewandes aus cremefarbener Seide mit blauer Schleife ein transparentes, chemiseartiges Gewand trägt, wobei ihre rechte Schulter nahezu entblößt wirkt.

Auch der Kopf der Dargestellten unterscheidet sich. Das vorliegende Porträt zeigt ihn von einem zarten hellblauen Etwas, einem Schleier oder einer Haube, bedeckt. Der rote Umhang hat keinen Pelzbesatz, und im Hintergrund sehen wir mehrere Bäume. In der Vorzeichnung ist der Hintergrund nur mit losen Schraffuren versehen, ansonsten finden sich im Vergleich mit der Fassung in der Sammlung Alba bereits alle Elemente des vorliegenden Gemäldes. Die direkte Verbindung der hier zur Diskussion stehenden Komposition mit der Zeichnung zeigt sich vor allem im Gesicht, dessen natürlich wirkende Aura in krassem Gegensatz zur Version in der Sammlung Alba steht, in der die Dargestellte aufgrund ihrer formalen Kleidung auch etwas älter erscheint. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieses der Forschung bisher unbekannte Bild der Genese des Porträts in der Sammlung Alba zuzurechnen ist.

Neben der Kompositionsskizze legte der Maler also eine Art „Präsentationsmuster“ vor, das im Gegensatz zu den Ölstudien, die der Zeichnung vermutlich vorausgingen und nur das Gesicht betrafen, die Dargestellte nach dem Leben wiedergibt. In der Maltechnik und Modellierung der Inkarnatpartien weist das Bildnis ähnliche Merkmale auf wie andere höfische Damenbildnisse aus Madrid der Jahre 1761‒1769. Deutlich wird dies im Vergleich mit dem Porträt der Maria Luisa von Bourbon-Parma, das um 1765 entstand (siehe S. Roettgen 1999, Kat.-Nr. 180).

Mariana del Pilar Ana Silva Bazán y Sarmiento brachte 1757 Francesco de Paula de Silva y Álvarez de Toledo (1733‒1770), den einzigen Sohn des 12. Herzogs von Alba (1714‒1776), zur Welt. Aus dieser Ehe ging nur eine Tochter hervor: Maria del Pilar Teresa Cayetana de Silva (geboren 1762), die am 15. Januar 1775 im Alter von nur 13 Jahren mit ihrem Cousin José Alvarez de Toledo y Gonzaga (1756‒1796) verheiratet wurde. Nach dem Tod ihres Großvaters (1776) wurde sie kraft ihrer Geburt zur 13. Herzogin von Alba und erbte alle Titel der Familie Alba, einer der bedeutendsten Familien Spaniens.

Wie der Ehering verrät, den die Dargestellte in der linken Hand hält, entstand dieses Porträt im Zusammenhang mit ihrer Hochzeit und als Gegenstück zum Porträt ihres Großvaters, des 12. Herzogs von Alba, das Mengs vermutlich aus demselben Anlass malte und das den einflussreichen „Grande de España“ mit den Insignien seines Ranges zeigt (siehe S. Roettgen 1999, Kat.-Nr. 189).

Zu diesen Porträts gesellten sich 1795 Goyas Porträts der 13. Herzogin von Alba und ihres Gemahls, die ebenfalls als Pendants konzipiert wurden. Da die Ehe des Paars kinderlos blieb, endete diese Linie 1802 mit dem Tod Cayetanas und dem Übergang des Titels „Duque de Alba“ auf einen anderen Zweig der Familie. Vor dem Hintergrund der offiziellen Funktion, die das Porträt von Mariana de Silva in der Ahnengalerie des Hauses Alba hatte, wird verständlich, warum die Freizügigkeit des Gewandes und die natürliche Erscheinung, die das unterlebensgroße modello kennzeichnen, fehl am Platz gewesen wären und die Komposition verändert wurde. Um die Symmetrie mit seinem Gegenstück zu erhalten, wurde auch der Landschaftshintergrund aufgegeben. Die sich daraus ergebenden Veränderungen waren signifikant. Anstelle der freien und unkonventionellen Atmosphäre, welche die Vorzeichnung und das modello bestimmen, entstand ein in jeder Hinsicht hochoffizielles Porträt. Damit ging das moderne und zwanglose Erscheinungsbild verloren, das der Natur und dem Charakter der Dargestellten wahrscheinlich besser entsprochen und ihren Status als Braut eher vermittelt hätte: Der Ehering wurde ebenso ostentativ ins Bild gesetzt wie der Schlüssel, der wohl als Symbol der Liebe (als Schlüssel zum Herzen) zu interpretieren ist.

Wir wissen, dass Mariana de Silva eine selbstbewusste Persönlichkeit mit hohen intellektuellen Fähigkeiten und Normen war. Sie war dreimal kurz verheiratet und war in den intellektuellen Kreisen des aufgeklärten Spanien als Schriftstellerin und Malerin erfolgreich. Sie schrieb und übersetzte Dramen und war in der Lage, mit beiden Händen gleichermaßen gut zu schreiben und zu malen. 1766 wurde sie in die Real Academia de Bellas Artes de San Fernando aufgenommen, wo sie vorübergehend das Amt der directora honoraria innehatte. Ihre Gemälde und literarischen Werke sind allerdings nicht erhalten geblieben.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 45.300,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Anton Raphael Mengs


(Ústí nad Labem 1728–1779 Rom)
Halbfiguriges Porträt der Mariana del Pilar Ana Silva-Bazán y Sarmiento (1739–1784) mit Hund,
Öl auf Leinwand, 51 x 41 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Bukowskis, Stockholm, 11.–13. Oktober 1950, Lot 197;
Auktion, Bukowskis, Stockholm, 2. November 2010, Lot 198012 (als französischer Künstler, 18. Jahrhundert);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Steffi Roettgen, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Dieses bisher unbekannte, erst kürzlich entdeckte Gemälde von Anton Raphael Mengs bietet neue Informationen über die Entwicklung eines seiner bedeutendsten Frauenporträts aus seiner spanischen Periode.

Das vorliegende Bildnis stellt Mariana del Pilar Ana Silva-Bazán y Sarmiento dar, wie sich aus einem Vergleich mit ihrem Porträt in der Sammlung Alba erschließt (siehe S. Roettgen, Anton Raphael Mengs 1728‒1779, München 1999, Kat.-Nr. 263). José Nicolás de Azara erwähnt in seinem Werkverzeichnis von Mengs zwei Porträts der Duquesa de Huescar (Azara-Fea 1787, S. XLIV), die beide identische Maße aufweisen und die Porträtierte in Lebensgröße darstellen. In Anbetracht des kleineren Formats der vorliegenden Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dieses Gemälde im Auge hatte, wie immer es auch verkleinert worden sein mag. Die Erscheinung der Dargestellten im vorliegenden Fall unterscheidet sich insofern, als sie anstelle des kostbaren Gewandes aus cremefarbener Seide mit blauer Schleife ein transparentes, chemiseartiges Gewand trägt, wobei ihre rechte Schulter nahezu entblößt wirkt.

Auch der Kopf der Dargestellten unterscheidet sich. Das vorliegende Porträt zeigt ihn von einem zarten hellblauen Etwas, einem Schleier oder einer Haube, bedeckt. Der rote Umhang hat keinen Pelzbesatz, und im Hintergrund sehen wir mehrere Bäume. In der Vorzeichnung ist der Hintergrund nur mit losen Schraffuren versehen, ansonsten finden sich im Vergleich mit der Fassung in der Sammlung Alba bereits alle Elemente des vorliegenden Gemäldes. Die direkte Verbindung der hier zur Diskussion stehenden Komposition mit der Zeichnung zeigt sich vor allem im Gesicht, dessen natürlich wirkende Aura in krassem Gegensatz zur Version in der Sammlung Alba steht, in der die Dargestellte aufgrund ihrer formalen Kleidung auch etwas älter erscheint. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieses der Forschung bisher unbekannte Bild der Genese des Porträts in der Sammlung Alba zuzurechnen ist.

Neben der Kompositionsskizze legte der Maler also eine Art „Präsentationsmuster“ vor, das im Gegensatz zu den Ölstudien, die der Zeichnung vermutlich vorausgingen und nur das Gesicht betrafen, die Dargestellte nach dem Leben wiedergibt. In der Maltechnik und Modellierung der Inkarnatpartien weist das Bildnis ähnliche Merkmale auf wie andere höfische Damenbildnisse aus Madrid der Jahre 1761‒1769. Deutlich wird dies im Vergleich mit dem Porträt der Maria Luisa von Bourbon-Parma, das um 1765 entstand (siehe S. Roettgen 1999, Kat.-Nr. 180).

Mariana del Pilar Ana Silva Bazán y Sarmiento brachte 1757 Francesco de Paula de Silva y Álvarez de Toledo (1733‒1770), den einzigen Sohn des 12. Herzogs von Alba (1714‒1776), zur Welt. Aus dieser Ehe ging nur eine Tochter hervor: Maria del Pilar Teresa Cayetana de Silva (geboren 1762), die am 15. Januar 1775 im Alter von nur 13 Jahren mit ihrem Cousin José Alvarez de Toledo y Gonzaga (1756‒1796) verheiratet wurde. Nach dem Tod ihres Großvaters (1776) wurde sie kraft ihrer Geburt zur 13. Herzogin von Alba und erbte alle Titel der Familie Alba, einer der bedeutendsten Familien Spaniens.

Wie der Ehering verrät, den die Dargestellte in der linken Hand hält, entstand dieses Porträt im Zusammenhang mit ihrer Hochzeit und als Gegenstück zum Porträt ihres Großvaters, des 12. Herzogs von Alba, das Mengs vermutlich aus demselben Anlass malte und das den einflussreichen „Grande de España“ mit den Insignien seines Ranges zeigt (siehe S. Roettgen 1999, Kat.-Nr. 189).

Zu diesen Porträts gesellten sich 1795 Goyas Porträts der 13. Herzogin von Alba und ihres Gemahls, die ebenfalls als Pendants konzipiert wurden. Da die Ehe des Paars kinderlos blieb, endete diese Linie 1802 mit dem Tod Cayetanas und dem Übergang des Titels „Duque de Alba“ auf einen anderen Zweig der Familie. Vor dem Hintergrund der offiziellen Funktion, die das Porträt von Mariana de Silva in der Ahnengalerie des Hauses Alba hatte, wird verständlich, warum die Freizügigkeit des Gewandes und die natürliche Erscheinung, die das unterlebensgroße modello kennzeichnen, fehl am Platz gewesen wären und die Komposition verändert wurde. Um die Symmetrie mit seinem Gegenstück zu erhalten, wurde auch der Landschaftshintergrund aufgegeben. Die sich daraus ergebenden Veränderungen waren signifikant. Anstelle der freien und unkonventionellen Atmosphäre, welche die Vorzeichnung und das modello bestimmen, entstand ein in jeder Hinsicht hochoffizielles Porträt. Damit ging das moderne und zwanglose Erscheinungsbild verloren, das der Natur und dem Charakter der Dargestellten wahrscheinlich besser entsprochen und ihren Status als Braut eher vermittelt hätte: Der Ehering wurde ebenso ostentativ ins Bild gesetzt wie der Schlüssel, der wohl als Symbol der Liebe (als Schlüssel zum Herzen) zu interpretieren ist.

Wir wissen, dass Mariana de Silva eine selbstbewusste Persönlichkeit mit hohen intellektuellen Fähigkeiten und Normen war. Sie war dreimal kurz verheiratet und war in den intellektuellen Kreisen des aufgeklärten Spanien als Schriftstellerin und Malerin erfolgreich. Sie schrieb und übersetzte Dramen und war in der Lage, mit beiden Händen gleichermaßen gut zu schreiben und zu malen. 1766 wurde sie in die Real Academia de Bellas Artes de San Fernando aufgenommen, wo sie vorübergehend das Amt der directora honoraria innehatte. Ihre Gemälde und literarischen Werke sind allerdings nicht erhalten geblieben.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.