Lot Nr. 73


Cristoforo Roncalli, gen. il Pomarancio zugeschrieben/attributed


Cristoforo Roncalli, gen. il Pomarancio zugeschrieben/attributed - Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle, Miniaturen

(1552–1626)
Die Bekehrung des Paulus, Feder in Braun, braun laviert, über schwarzer Kreide auf Bütten, auf Leinwand aufgezogen,
43,5 x 25,5 cm, unten mittig bezeichnet “Pomarancio”, links oben nummeriert “259”, mittig “12”, rückseitig alt bezeichnet “Roncagli” und in schwarzer Kreide (Santi di) “Tito”, Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Sammlung E. R. Lamponi-Leopardi (2. Hälfte 19. Jahrhundert), Florenz und Turin, Lugt 1760; eine Nachlassauktion Florenz, November 1902; Auktion Galerie Bassenge, Berlin, 30. November 2018, Lot 6422 (Cristoforo Roncalli zugeschrieben); Privatsammlung, Italien.

Literatur:
R. Scholz, “Neu aufgefunden: Modello einer Caduta da cavallo von Cristoforo Roncalli”, in: Das Münster, Vol. 2, 2007, S. 110–113.

In der Florentiner Nachlassversteigerung der Sammlung von Conte Lamponi-Leopardi im November 1902 führt der Katalog unter den Zeichnungen des Santi di Tito eine „Conversion de St. Paul, Plume et bistre“ auf (J. Sambon / N. Ferri, Catalogue de la Collection Lamponi de Florence, Mailand 1902, S. 14, Nr. 372), bei der es sich um vorliegendes Blatt handeln dürfte, da es rückseitig die Zuschreibung an Santi di Tito trägt. Die hochformatige Komposition, in die als oberer Abschluss ein Halbrund eingearbeitet ist, zeigt unter einem Architekturdurchblick die Bekehrung des Paulus. Die V-förmige Bewegungsrichtung der Szene wird durch den riesigen Schildträger in der linken unteren Ecke zur rechten Bildmitte umgelenkt. Im Zentrum dieses Geschehens ist Saulus vom Pferd gestürzt, niedergeworfen von Christus, der mit der der Rechten auf den Erzengel Michael weist, den er zum himmlischen Helfer beruft. Saulus war im Namen des Hohenpriesters gegen die neue Lehre der Apostel nach Damaskus aufgebrochen. Die dargestellte Szene zeigt den dramatischen Moment, in dem Saulus von der Synagoge zur Ecclesia übertritt und feiert die neue Kirche.

Laut Ralf Scholz steht die vorliegende Zeichnung in Verbindung mit der Komposition des Freskos der “Bekehrung des Paulus” in S. Maria Aracoeli in Rom, Capella della Valle (nach 1584). Seiner Meinung nach handelt es sich bei dem hochformatigen Blatt um eine Werkzeichnung für das Fresko, in welchem der Künstler das im Entwurf vorhandene Bildgut auf Nischenformat heruntergebrochen hat, um danach zu einer radikal veränderten nischentauglichen Bildkonzeption zu finden (Scholz 2007, S. 112). Er bringt die Studie zudem in Verbindung mit einer weiteren Vorzeichnung für das Fresko im British Museum (Inv.1869,0813.880), die anders als der modelllo im nischenförmigen Format der Lunette entworfen ist. Es könnte sich daher bei dem Londoner Blatt um ein primo pensiero für das ausgeführte Fresko handeln. Laut Dr. Rhoda Eitel-Porter ist der Vergleich mit der Zeichnung des gleichen Themas im British Museum zwar naheliegend. Aufgrund des hohen Formats der Zeichnung wäre es jedoch auch möglich, dass der Entwurf in Vorbereitung für ein Altargemälde desselben Themas entstanden ist. Anhand stilistischer Merkmale datiert Eitel-Porter die Zeichnung zwischen 1582–1586.

Eine alternative Zuschreibung der vorliegenden Zeichnung wurde jüngst von Dr. Marco Simone Bolzoni vorgeschlagen. Seiner Meinung nach könnte der Entwurf von dem in Bologna und Rom tätigen Künstler Tommaso Laureti (Palermo um 1530-1602) stammen. Eine vergleichbare Zeichnung mit dem Entwurf zum "Martyrium der hl. Katharina" befindet sich im Musée du Louvre (Inv. 1533). Vgl. M. S. Bolzoni, "Tommaso Laureti: un nuovo disegno e qualche osservazione sul suo primo soggiorno romano", in: Paragone, Vol. 3, Nr. 129-130, September-November 2016, S. 53-61.

Wir danken Dr. Rhoda-Eitel Porter für die wissenschaftliche Unterstützung.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at

22.04.2021 - 15:12

Schätzwert:
EUR 4.000,- bis EUR 6.000,-
Startpreis:
EUR 3.000,-

Cristoforo Roncalli, gen. il Pomarancio zugeschrieben/attributed


(1552–1626)
Die Bekehrung des Paulus, Feder in Braun, braun laviert, über schwarzer Kreide auf Bütten, auf Leinwand aufgezogen,
43,5 x 25,5 cm, unten mittig bezeichnet “Pomarancio”, links oben nummeriert “259”, mittig “12”, rückseitig alt bezeichnet “Roncagli” und in schwarzer Kreide (Santi di) “Tito”, Passep., ohne Rahmen, (Sch)

Provenienz:
Sammlung E. R. Lamponi-Leopardi (2. Hälfte 19. Jahrhundert), Florenz und Turin, Lugt 1760; eine Nachlassauktion Florenz, November 1902; Auktion Galerie Bassenge, Berlin, 30. November 2018, Lot 6422 (Cristoforo Roncalli zugeschrieben); Privatsammlung, Italien.

Literatur:
R. Scholz, “Neu aufgefunden: Modello einer Caduta da cavallo von Cristoforo Roncalli”, in: Das Münster, Vol. 2, 2007, S. 110–113.

In der Florentiner Nachlassversteigerung der Sammlung von Conte Lamponi-Leopardi im November 1902 führt der Katalog unter den Zeichnungen des Santi di Tito eine „Conversion de St. Paul, Plume et bistre“ auf (J. Sambon / N. Ferri, Catalogue de la Collection Lamponi de Florence, Mailand 1902, S. 14, Nr. 372), bei der es sich um vorliegendes Blatt handeln dürfte, da es rückseitig die Zuschreibung an Santi di Tito trägt. Die hochformatige Komposition, in die als oberer Abschluss ein Halbrund eingearbeitet ist, zeigt unter einem Architekturdurchblick die Bekehrung des Paulus. Die V-förmige Bewegungsrichtung der Szene wird durch den riesigen Schildträger in der linken unteren Ecke zur rechten Bildmitte umgelenkt. Im Zentrum dieses Geschehens ist Saulus vom Pferd gestürzt, niedergeworfen von Christus, der mit der der Rechten auf den Erzengel Michael weist, den er zum himmlischen Helfer beruft. Saulus war im Namen des Hohenpriesters gegen die neue Lehre der Apostel nach Damaskus aufgebrochen. Die dargestellte Szene zeigt den dramatischen Moment, in dem Saulus von der Synagoge zur Ecclesia übertritt und feiert die neue Kirche.

Laut Ralf Scholz steht die vorliegende Zeichnung in Verbindung mit der Komposition des Freskos der “Bekehrung des Paulus” in S. Maria Aracoeli in Rom, Capella della Valle (nach 1584). Seiner Meinung nach handelt es sich bei dem hochformatigen Blatt um eine Werkzeichnung für das Fresko, in welchem der Künstler das im Entwurf vorhandene Bildgut auf Nischenformat heruntergebrochen hat, um danach zu einer radikal veränderten nischentauglichen Bildkonzeption zu finden (Scholz 2007, S. 112). Er bringt die Studie zudem in Verbindung mit einer weiteren Vorzeichnung für das Fresko im British Museum (Inv.1869,0813.880), die anders als der modelllo im nischenförmigen Format der Lunette entworfen ist. Es könnte sich daher bei dem Londoner Blatt um ein primo pensiero für das ausgeführte Fresko handeln. Laut Dr. Rhoda Eitel-Porter ist der Vergleich mit der Zeichnung des gleichen Themas im British Museum zwar naheliegend. Aufgrund des hohen Formats der Zeichnung wäre es jedoch auch möglich, dass der Entwurf in Vorbereitung für ein Altargemälde desselben Themas entstanden ist. Anhand stilistischer Merkmale datiert Eitel-Porter die Zeichnung zwischen 1582–1586.

Eine alternative Zuschreibung der vorliegenden Zeichnung wurde jüngst von Dr. Marco Simone Bolzoni vorgeschlagen. Seiner Meinung nach könnte der Entwurf von dem in Bologna und Rom tätigen Künstler Tommaso Laureti (Palermo um 1530-1602) stammen. Eine vergleichbare Zeichnung mit dem Entwurf zum "Martyrium der hl. Katharina" befindet sich im Musée du Louvre (Inv. 1533). Vgl. M. S. Bolzoni, "Tommaso Laureti: un nuovo disegno e qualche osservazione sul suo primo soggiorno romano", in: Paragone, Vol. 3, Nr. 129-130, September-November 2016, S. 53-61.

Wir danken Dr. Rhoda-Eitel Porter für die wissenschaftliche Unterstützung.

Expertin: Mag. Astrid-Christina Schierz Mag. Astrid-Christina Schierz
+43-1-515 60-546

astrid.schierz@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle, Miniaturen
Auktionstyp: Online Auction
Datum: 22.04.2021 - 15:12
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: online