Lot Nr. 31


Evaristo Baschenis


Evaristo Baschenis - Alte Meister I

(Bergamo 1617–1677)
Erzlaute, Blockflöte, Harfe, Geige, Bassviola, Mandora und Bogen auf einem handgeknüpften Teppich unter einem Vorhang,
Öl auf Leinwand, 98,5 x 145 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung des Ambrogio Monticelli, Bergamo;
Privatsammlung, Bergamo;
Galleria Previtali, Bergamo;
dort um 1990 erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
vermutlich L. Angelini, I Baschenis, Bergamo 1946, S. 82, Nr. 21 (als Evaristo Baschenis);
M. Rosci, Baschenis, Bettera & Co. Produzione e mercato della natura morta del seicento in Italia, Mailand 1971, S. 51, Abb. S. 122, Abb. 101 (als E. Baschenis);
M. Rosci, Evaristo Baschenis. Bartolomeo Bettera. Bonaventura Bettera, Bergamo 1985, Abb. S. 136, S. 80f., Nr. 38a (als Evaristo Baschenis)

Der strenge Bildaufbau entspricht in seiner Aufgeräumtheit einer präzisen architektonischen Logik. Im Blickpunkt stehen die Volumen der auf einer Fläche zu liegen gekommenen Musikinstrumente, die den Eindruck erwecken, als wären sie für ein Konzert vorbereitet. Evaristo Baschenis hat die Instrumente in einem instabilen Gleichgewicht übereinander angeordnet; sie ragen auf dramatische Weise aus dem Bild heraus in Richtung des Betrachters. Für den Künstler sind die Musikinstrumente die unangefochtenen Protagonisten der Szene. Ungeachtet der nur scheinbaren Unordnung bildet das Werk eine zur Gänze harmonische Einheit.

Die Aufmerksamkeit für Details zeichnet Baschenis’ vielgepriesenes Schaffen aus. Auf dem vorliegenden Gemälde zeigt sie sich in der sorgfältig gewählten Farbigkeit, welche den Teppich so lebendig erscheinen lässt, ebenso in den geknüpften bunten schmückenden Seidenbändern, der warmen goldbraunen Färbung der unterschiedlichen Holzarten der Musikinstrumente sowie im kostbaren Pergament der Buchumschläge. Weiters bereichert ein links oben drapierter prächtiger Brokatvorhang das Bild und verleiht der Komposition das nötige Gleichgewicht. Warmes goldenes Licht fällt von einem weit oben befindlichen und für unser Auge nicht sichtbaren Fenster von links ein; es erfüllt den Raum, belebt die Farben der Gegenstände und Materialien und verstärkt die Schattenwirkung. Das ob seines scharfen Realismus verblüffende Bild stößt beinahe an die Grenzen des Illusionismus. Es herrscht absolute Stille und eine magische Bewegungslosigkeit. Das unvermeidliche Verstreichen der Zeit äußert sich offenbar nur in der Ansammlung von Staub auf den Objekten.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts beschrieb Evaristo Baschenis’ erster Biograf Francesco Maria Tassi die ikonografischen Entscheidungen des Malers als „bizzarrissima maniera“ [„höchst bizarre Manier“] und führte wie folgt aus:

„Typisch war die Einführung kleiner Tische in seine Bilder, bedeckt mit immer denselben Tapisserien und Teppichen, die mit einer Meisterschaft der persischen Manier, oder in welch feiner Manier auch immer sie gewebt waren, wiedergegeben wurden. Darüber stellte er unterschiedlich angeordnete Instrumente dar, doch mit derartiger Kunstfertigkeit und Plastizität, dass es scheint, als könne man mit der Hand ins Bild greifen und sie herausheben. Ihnen fügte er viele andere Dinge hinzu, etwa Schächtelchen, Briefe, Noten, Tintenfässer, Vasen, Früchte, Blumen, Bücher, Gipsfigürchen und alles, was ihm seine blühende Fantasie vorschlug“ [„era solito introdurre ne’ quadri tavolini coperti d’arazzi, e tappeti somigliantissimi, e fatti con tale maestria, che all’usanza della Persia, o in qualunque altra più vaga maniera sembran tessuti. Sopra questi vi dipingeva diversi strumenti confusamente, ma con tale arte però e con tale rilievo, che pare debbansi con la mano distaccare dal quadro. Vi frammischiava altre moltissime cose, come scrigni, lettere carte da suono, scatole calamai, vasi, frutti, fiori, libri, figurine di gesso, e tutto ciò, che la fertile fantasia gli suggeriva“] (siehe F. Porzio [Hg.], La natura morta in Italia, Mailand 1989, Bd. I, S. 209).

Rosci hat das vorliegende Gemälde zusammen mit einem Küchenstillleben publiziert (Abb. in Rosci 1985, S. 136, Nr. 2) und das vorliegende Werk um die Mitte der 1670er-Jahre und damit in die reife, sozusagen barocke, Schaffensphase Baschenis’ datiert. Es wurde erwogen, dass die ikonografischen Quellen für Baschenis’ Darstellungen von Musikinstrumenten vielmehr Intarsien des 15. Jahrhunderts und vor allem die Perspektivtraktate der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren als die zeitgenössische Produktion von Saiteninstrumenten lombardischer Handwerkskunst. Seine nahezu wissenschaftlichen Werke legen zudem einen optischen Realismus an den Tag, der der Tradition Caravaggios sowie der lombardischen Stilllebenmalerei Fede Galizias, Panfilo Nuvolones and Ambrogio Figinos entspringt.

Evaristo Baschenis’ Faszination für Musikinstrumente könnte damit zu tun haben, dass er selbst Musiker war, wie sein Selbstporträt im Trittico Agliardi zu erkennen gibt – eines von wenigen Werken, in die er eine menschliche Gestalt einbezogen hat. Zudem ist es historisch belegt, dass das Musizieren neben Dichtkunst, Literatur und Geschichtswissen unter den wohlhabenden Familien Bergamos weithin angesehen war.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Untersuchungen mittels IRR und TIR zeigen eine dünne lineare Unterzeichnung, welche die Komposition und die genauen Details sowie die Perspektive der Musikinstrumente definiert. Unter Infrarotstrahlung lassen sich nahezu keine Veränderungen entdecken, abgesehen von kleinen Korrekturen im Vorhang und bei dem rechts unten unter den Büchern platzierten Saiteninstrument.

Der Maler arbeitete auf einem Ocker und Erden beinhaltenden braunen Grund. XRF und VIS-RS ergeben das Vorhandensein von Indigo in allen Blautönen, sowohl in den dunkleren als auch den helleren, leuchtenden Abstufungen. Es hat keine Veränderung dieses organischen Pigments stattgefunden; offenbar hat das Gemälde seine originalen Farbtöne bewahrt.

Gelber Ocker und braune und rote Erden fanden weithin bei den Brauntönen Verwendung, während die hellen Rottöne mit Zinnober erzielt wurden; die Rosatöne des Vorhangs beruhen auf Krapplack. Das strahlende Gelb des Vorhangs enthält hauptsächlich Ockergelb.

Eine Besonderheit lässt sich in den schwarzen Ornamenten des Vorhangs und im Schwarz der herabhängenden Schnüre und Quasten bemerken. Dieses Schwarz erscheint unter Infrarotstrahlung stark transparent und in der Fehlfarbendarstellung rötlich, was darauf hinweist, dass ein nicht kohlenstoffbasiertes dunkles Pigment zum Einsatz kam.

Evaristo Baschenis’ Maltechnik war nicht nur bei der Wiedergabe von Licht und Schatten oder der Darstellung von Musikinstrumenten besonders effektvoll, sondern auch bei dem darauf abgelagerten Staub, der mit Lasuren in Bleiweiß dargestellt wurde. Der Künstler entwickelte seine eigene Methode der Wiedergabe der die Tische seiner Stillleben bedeckenden Teppiche, welche sich bei Streiflicht gut erkennen lässt: eng gesetzte dicke Pinselstriche kreuzen einander gitterartig, um die Knoten des Teppichs darzustellen. Einige Maler versuchten sich schon zu seinen Lebzeiten und auch nach seinem Tod daran, seine Stillleben mit Musikinstrumenten zu imitieren, doch niemandem gelang es, an seine technische Meisterschaft heranzukommen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2021 - 16:00

Schätzwert:
EUR 250.000,- bis EUR 350.000,-

Evaristo Baschenis


(Bergamo 1617–1677)
Erzlaute, Blockflöte, Harfe, Geige, Bassviola, Mandora und Bogen auf einem handgeknüpften Teppich unter einem Vorhang,
Öl auf Leinwand, 98,5 x 145 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung des Ambrogio Monticelli, Bergamo;
Privatsammlung, Bergamo;
Galleria Previtali, Bergamo;
dort um 1990 erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
vermutlich L. Angelini, I Baschenis, Bergamo 1946, S. 82, Nr. 21 (als Evaristo Baschenis);
M. Rosci, Baschenis, Bettera & Co. Produzione e mercato della natura morta del seicento in Italia, Mailand 1971, S. 51, Abb. S. 122, Abb. 101 (als E. Baschenis);
M. Rosci, Evaristo Baschenis. Bartolomeo Bettera. Bonaventura Bettera, Bergamo 1985, Abb. S. 136, S. 80f., Nr. 38a (als Evaristo Baschenis)

Der strenge Bildaufbau entspricht in seiner Aufgeräumtheit einer präzisen architektonischen Logik. Im Blickpunkt stehen die Volumen der auf einer Fläche zu liegen gekommenen Musikinstrumente, die den Eindruck erwecken, als wären sie für ein Konzert vorbereitet. Evaristo Baschenis hat die Instrumente in einem instabilen Gleichgewicht übereinander angeordnet; sie ragen auf dramatische Weise aus dem Bild heraus in Richtung des Betrachters. Für den Künstler sind die Musikinstrumente die unangefochtenen Protagonisten der Szene. Ungeachtet der nur scheinbaren Unordnung bildet das Werk eine zur Gänze harmonische Einheit.

Die Aufmerksamkeit für Details zeichnet Baschenis’ vielgepriesenes Schaffen aus. Auf dem vorliegenden Gemälde zeigt sie sich in der sorgfältig gewählten Farbigkeit, welche den Teppich so lebendig erscheinen lässt, ebenso in den geknüpften bunten schmückenden Seidenbändern, der warmen goldbraunen Färbung der unterschiedlichen Holzarten der Musikinstrumente sowie im kostbaren Pergament der Buchumschläge. Weiters bereichert ein links oben drapierter prächtiger Brokatvorhang das Bild und verleiht der Komposition das nötige Gleichgewicht. Warmes goldenes Licht fällt von einem weit oben befindlichen und für unser Auge nicht sichtbaren Fenster von links ein; es erfüllt den Raum, belebt die Farben der Gegenstände und Materialien und verstärkt die Schattenwirkung. Das ob seines scharfen Realismus verblüffende Bild stößt beinahe an die Grenzen des Illusionismus. Es herrscht absolute Stille und eine magische Bewegungslosigkeit. Das unvermeidliche Verstreichen der Zeit äußert sich offenbar nur in der Ansammlung von Staub auf den Objekten.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts beschrieb Evaristo Baschenis’ erster Biograf Francesco Maria Tassi die ikonografischen Entscheidungen des Malers als „bizzarrissima maniera“ [„höchst bizarre Manier“] und führte wie folgt aus:

„Typisch war die Einführung kleiner Tische in seine Bilder, bedeckt mit immer denselben Tapisserien und Teppichen, die mit einer Meisterschaft der persischen Manier, oder in welch feiner Manier auch immer sie gewebt waren, wiedergegeben wurden. Darüber stellte er unterschiedlich angeordnete Instrumente dar, doch mit derartiger Kunstfertigkeit und Plastizität, dass es scheint, als könne man mit der Hand ins Bild greifen und sie herausheben. Ihnen fügte er viele andere Dinge hinzu, etwa Schächtelchen, Briefe, Noten, Tintenfässer, Vasen, Früchte, Blumen, Bücher, Gipsfigürchen und alles, was ihm seine blühende Fantasie vorschlug“ [„era solito introdurre ne’ quadri tavolini coperti d’arazzi, e tappeti somigliantissimi, e fatti con tale maestria, che all’usanza della Persia, o in qualunque altra più vaga maniera sembran tessuti. Sopra questi vi dipingeva diversi strumenti confusamente, ma con tale arte però e con tale rilievo, che pare debbansi con la mano distaccare dal quadro. Vi frammischiava altre moltissime cose, come scrigni, lettere carte da suono, scatole calamai, vasi, frutti, fiori, libri, figurine di gesso, e tutto ciò, che la fertile fantasia gli suggeriva“] (siehe F. Porzio [Hg.], La natura morta in Italia, Mailand 1989, Bd. I, S. 209).

Rosci hat das vorliegende Gemälde zusammen mit einem Küchenstillleben publiziert (Abb. in Rosci 1985, S. 136, Nr. 2) und das vorliegende Werk um die Mitte der 1670er-Jahre und damit in die reife, sozusagen barocke, Schaffensphase Baschenis’ datiert. Es wurde erwogen, dass die ikonografischen Quellen für Baschenis’ Darstellungen von Musikinstrumenten vielmehr Intarsien des 15. Jahrhunderts und vor allem die Perspektivtraktate der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren als die zeitgenössische Produktion von Saiteninstrumenten lombardischer Handwerkskunst. Seine nahezu wissenschaftlichen Werke legen zudem einen optischen Realismus an den Tag, der der Tradition Caravaggios sowie der lombardischen Stilllebenmalerei Fede Galizias, Panfilo Nuvolones and Ambrogio Figinos entspringt.

Evaristo Baschenis’ Faszination für Musikinstrumente könnte damit zu tun haben, dass er selbst Musiker war, wie sein Selbstporträt im Trittico Agliardi zu erkennen gibt – eines von wenigen Werken, in die er eine menschliche Gestalt einbezogen hat. Zudem ist es historisch belegt, dass das Musizieren neben Dichtkunst, Literatur und Geschichtswissen unter den wohlhabenden Familien Bergamos weithin angesehen war.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Untersuchungen mittels IRR und TIR zeigen eine dünne lineare Unterzeichnung, welche die Komposition und die genauen Details sowie die Perspektive der Musikinstrumente definiert. Unter Infrarotstrahlung lassen sich nahezu keine Veränderungen entdecken, abgesehen von kleinen Korrekturen im Vorhang und bei dem rechts unten unter den Büchern platzierten Saiteninstrument.

Der Maler arbeitete auf einem Ocker und Erden beinhaltenden braunen Grund. XRF und VIS-RS ergeben das Vorhandensein von Indigo in allen Blautönen, sowohl in den dunkleren als auch den helleren, leuchtenden Abstufungen. Es hat keine Veränderung dieses organischen Pigments stattgefunden; offenbar hat das Gemälde seine originalen Farbtöne bewahrt.

Gelber Ocker und braune und rote Erden fanden weithin bei den Brauntönen Verwendung, während die hellen Rottöne mit Zinnober erzielt wurden; die Rosatöne des Vorhangs beruhen auf Krapplack. Das strahlende Gelb des Vorhangs enthält hauptsächlich Ockergelb.

Eine Besonderheit lässt sich in den schwarzen Ornamenten des Vorhangs und im Schwarz der herabhängenden Schnüre und Quasten bemerken. Dieses Schwarz erscheint unter Infrarotstrahlung stark transparent und in der Fehlfarbendarstellung rötlich, was darauf hinweist, dass ein nicht kohlenstoffbasiertes dunkles Pigment zum Einsatz kam.

Evaristo Baschenis’ Maltechnik war nicht nur bei der Wiedergabe von Licht und Schatten oder der Darstellung von Musikinstrumenten besonders effektvoll, sondern auch bei dem darauf abgelagerten Staub, der mit Lasuren in Bleiweiß dargestellt wurde. Der Künstler entwickelte seine eigene Methode der Wiedergabe der die Tische seiner Stillleben bedeckenden Teppiche, welche sich bei Streiflicht gut erkennen lässt: eng gesetzte dicke Pinselstriche kreuzen einander gitterartig, um die Knoten des Teppichs darzustellen. Einige Maler versuchten sich schon zu seinen Lebzeiten und auch nach seinem Tod daran, seine Stillleben mit Musikinstrumenten zu imitieren, doch niemandem gelang es, an seine technische Meisterschaft heranzukommen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 10.11.2021