Lot Nr. 385


Wilhelm Beyer zugeschrieben

[Saleroom Notice]
Wilhelm Beyer zugeschrieben - Alte Meister II

(Gotha 1725–1806 Wien)
Allegorie der Hoffnung auf ein neues friedliches Zeitalter,
datiert 1790 rechts unten auf dem Obelisken mit dem Wappen der Fürsten von Liechtenstein,
Öl und Gouache auf Leinwand, 64 x 79 cm, gerahmt

Saleroom Notice:

Öl und Gouache auf Papier auf Leinwand aufgezogen

Wilhelm Beyer war zu seiner Zeit einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler in Wien. Er ist hauptsächlich als Bildhauer bekannt. Als man ihn 1770 am Wiener Hof zum Hofmaler und Statuarius ernannte, wurde ihm jedoch auch Anerkennung als Maler zuteil. In der vorliegenden Allegorie zeigen sich Spuren der Lebensstationen des vielseitig begabten Künstlers, inklusive seines Hauptwerks, der Gestaltung und Planung der Gärten von Schloss Schönbrunn (1773–1780). Die Komposition lässt insgesamt eine starke Affinität zur Mythologie erkennen. Beyer war zuvor Professor für Geschichte, Mythologie, Ikonologie und Bildhauerei an der Stuttgarter Akademie gewesen. Obwohl in enzyklopädischen Biografien Ausbildungen Beyers in Paris und Italien erwähnt werden, fällt es schwer, sein gezeichnetes und gemaltes Oeuvre zu rekonstruieren oder nachzuweisen, weil er kaum jemals Arbeiten signierte. Aufgrund der fehlenden Signaturen wurden erst 1927 und zuletzt 2002 Terrakottafiguren von seiner Hand im Belvedere in Wien und im Louvre identifiziert. Diese Zuschreibungen basieren auf Vergleichen mit gesicherten Porzellan- bzw. Marmorarbeiten der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur sowie in den Gärten von Schloss Schönbrunn. Für die Zuschreibung der vorliegenden Allegorie dienten Beyers Arbeiten aus Ludwigsburger Porzellan und Marmor gleichermaßen als Referenz, und sogar ein Kupferstich war hinsichtlich eines charakteristischen Details an einer der drei Grazien maßgeblich für die Bestimmung.

Ein typisches Merkmal ist der Kontrapost der mittleren Grazie. Das Standbein und das den Boden mit der Fußspitze berührende Spielbein kreuzen sich. Die dynamische Haltung, die sich aus der beschriebenen Drehung des Körpers ergibt, ist typisch für Beyers Schöpfungen in Porzellan, Marmor und auf Kupferstichen. Beyers Vorliebe für diese Haltung fällt ins Auge; sie erscheint wiederholt, etwa bei der Porzellanfigur der Artemisia aus Ludwigsburger Porzellan, der Terrakottafigur Die Zeit enthüllt die Wahrheit (Belvedere, Wien), der Marmorskulptur des Harpokrates (Akademie der bildenden Künste, Wien) und der Marmorstatue des Meleagros (Schönbrunn). Die Zuschreibung des wird zudem durch Beyers Werk über Gartenarchitektur Die neue Muse oder der Nationalgarten (1784) gestützt. Einige der im Buch aufscheinenden Protagonisten bevölkern auch das vorliegende Gemälde: Satyrn, Apollo und die drei Grazien. Die Flügel des schlafenden Gottes Kronos zitieren beinahe buchstäblich einen Kupferstich, wo sie zu einem Schwan gehören, der Leda leidenschaftlich umarmt.

Der Maler zitierte augenscheinlich nicht die Grazien der antiken Mythologie, sondern stellte lebende Personen dar. Tatsächlich ließ die Fürstenfamilie Liechtenstein, deren Wappen auf einer nahen Säule zu sehen ist, drei schöne junge Frauen in das 1790 ausgeführte Bild einfügen: Fürstin Karoline (geb. 1768), Gemahlin des regierenden Fürsten Aloys I. von Liechtenstein; Fürstin Maria Josepha Hermengilde von Liechtenstein (geb. 1768), Gemahlin des Fürsten Nikolaus II. Esterházy von Galantha, ab 1794 Fürst Esterházy; und die Landgräfin Maria Josefa Sophie von Fürstenberg-Weitra (geb. 1776), die jüngste der drei Frauen, die wie die beiden anderen im Alter von fünfzehn Jahren heiratete, und zwar in ihrem Fall Fürst Johann I. Joseph von Liechtenstein (1760–1836), ab 1805 regierender Fürst des Hauses. Im Zentrum des Bildes krönt Merkur Apollo mit dem Fürstenhut: Apollo zeigt mit dem Finger auf die Säule, die das Liechtenstein’sche Wappen trägt. Er verweist damit auf das Kunstmäzenatentum der Fürstenfamilie. Minerva als Förderin von Wissenschaft und Kunst steht neben dem Wappenemblem.

Die aus vielen Einzelszenen bestehende Komposition ist hochpolitisch: Sie symbolisiert die Hoffnung auf ein Ende des überstürzten gesellschaftlichen Wandels im Namen einer höheren Vernunft. Auf dem vorliegenden Bild attackieren Satyrn als Personifikationen dionysischen Lebens den Hohepriester im Tempel der Vernunft. Schlangen repräsentieren Durchtriebenheit und Falschheit. Der Künstler hat dem Priester das Profil Denis Diderots als Vertreter der Enzyklopädisten gegeben, welche die neuen Ideen der Aufklärung unter das Volk brachten. Jetzt werden sie für deren Folgen und teils verspätete, teils rücksichtslose Umsetzung bestraft. Ein teil der fortschrittlichen Ideen Kaiser Josephs II. konnten erst mit einiger Verzögerung verwirklicht werden.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.11.2021 - 18:05

Erzielter Preis: **
EUR 33.280,-
Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 35.000,-
Startpreis:
EUR 22.000,-

Wilhelm Beyer zugeschrieben

[Saleroom Notice]

(Gotha 1725–1806 Wien)
Allegorie der Hoffnung auf ein neues friedliches Zeitalter,
datiert 1790 rechts unten auf dem Obelisken mit dem Wappen der Fürsten von Liechtenstein,
Öl und Gouache auf Leinwand, 64 x 79 cm, gerahmt

Saleroom Notice:

Öl und Gouache auf Papier auf Leinwand aufgezogen

Wilhelm Beyer war zu seiner Zeit einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler in Wien. Er ist hauptsächlich als Bildhauer bekannt. Als man ihn 1770 am Wiener Hof zum Hofmaler und Statuarius ernannte, wurde ihm jedoch auch Anerkennung als Maler zuteil. In der vorliegenden Allegorie zeigen sich Spuren der Lebensstationen des vielseitig begabten Künstlers, inklusive seines Hauptwerks, der Gestaltung und Planung der Gärten von Schloss Schönbrunn (1773–1780). Die Komposition lässt insgesamt eine starke Affinität zur Mythologie erkennen. Beyer war zuvor Professor für Geschichte, Mythologie, Ikonologie und Bildhauerei an der Stuttgarter Akademie gewesen. Obwohl in enzyklopädischen Biografien Ausbildungen Beyers in Paris und Italien erwähnt werden, fällt es schwer, sein gezeichnetes und gemaltes Oeuvre zu rekonstruieren oder nachzuweisen, weil er kaum jemals Arbeiten signierte. Aufgrund der fehlenden Signaturen wurden erst 1927 und zuletzt 2002 Terrakottafiguren von seiner Hand im Belvedere in Wien und im Louvre identifiziert. Diese Zuschreibungen basieren auf Vergleichen mit gesicherten Porzellan- bzw. Marmorarbeiten der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur sowie in den Gärten von Schloss Schönbrunn. Für die Zuschreibung der vorliegenden Allegorie dienten Beyers Arbeiten aus Ludwigsburger Porzellan und Marmor gleichermaßen als Referenz, und sogar ein Kupferstich war hinsichtlich eines charakteristischen Details an einer der drei Grazien maßgeblich für die Bestimmung.

Ein typisches Merkmal ist der Kontrapost der mittleren Grazie. Das Standbein und das den Boden mit der Fußspitze berührende Spielbein kreuzen sich. Die dynamische Haltung, die sich aus der beschriebenen Drehung des Körpers ergibt, ist typisch für Beyers Schöpfungen in Porzellan, Marmor und auf Kupferstichen. Beyers Vorliebe für diese Haltung fällt ins Auge; sie erscheint wiederholt, etwa bei der Porzellanfigur der Artemisia aus Ludwigsburger Porzellan, der Terrakottafigur Die Zeit enthüllt die Wahrheit (Belvedere, Wien), der Marmorskulptur des Harpokrates (Akademie der bildenden Künste, Wien) und der Marmorstatue des Meleagros (Schönbrunn). Die Zuschreibung des wird zudem durch Beyers Werk über Gartenarchitektur Die neue Muse oder der Nationalgarten (1784) gestützt. Einige der im Buch aufscheinenden Protagonisten bevölkern auch das vorliegende Gemälde: Satyrn, Apollo und die drei Grazien. Die Flügel des schlafenden Gottes Kronos zitieren beinahe buchstäblich einen Kupferstich, wo sie zu einem Schwan gehören, der Leda leidenschaftlich umarmt.

Der Maler zitierte augenscheinlich nicht die Grazien der antiken Mythologie, sondern stellte lebende Personen dar. Tatsächlich ließ die Fürstenfamilie Liechtenstein, deren Wappen auf einer nahen Säule zu sehen ist, drei schöne junge Frauen in das 1790 ausgeführte Bild einfügen: Fürstin Karoline (geb. 1768), Gemahlin des regierenden Fürsten Aloys I. von Liechtenstein; Fürstin Maria Josepha Hermengilde von Liechtenstein (geb. 1768), Gemahlin des Fürsten Nikolaus II. Esterházy von Galantha, ab 1794 Fürst Esterházy; und die Landgräfin Maria Josefa Sophie von Fürstenberg-Weitra (geb. 1776), die jüngste der drei Frauen, die wie die beiden anderen im Alter von fünfzehn Jahren heiratete, und zwar in ihrem Fall Fürst Johann I. Joseph von Liechtenstein (1760–1836), ab 1805 regierender Fürst des Hauses. Im Zentrum des Bildes krönt Merkur Apollo mit dem Fürstenhut: Apollo zeigt mit dem Finger auf die Säule, die das Liechtenstein’sche Wappen trägt. Er verweist damit auf das Kunstmäzenatentum der Fürstenfamilie. Minerva als Förderin von Wissenschaft und Kunst steht neben dem Wappenemblem.

Die aus vielen Einzelszenen bestehende Komposition ist hochpolitisch: Sie symbolisiert die Hoffnung auf ein Ende des überstürzten gesellschaftlichen Wandels im Namen einer höheren Vernunft. Auf dem vorliegenden Bild attackieren Satyrn als Personifikationen dionysischen Lebens den Hohepriester im Tempel der Vernunft. Schlangen repräsentieren Durchtriebenheit und Falschheit. Der Künstler hat dem Priester das Profil Denis Diderots als Vertreter der Enzyklopädisten gegeben, welche die neuen Ideen der Aufklärung unter das Volk brachten. Jetzt werden sie für deren Folgen und teils verspätete, teils rücksichtslose Umsetzung bestraft. Ein teil der fortschrittlichen Ideen Kaiser Josephs II. konnten erst mit einiger Verzögerung verwirklicht werden.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister II
Auktionstyp: Online Auction
Datum: 11.11.2021 - 18:05
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 11.11.2021


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.