Lot Nr. 60


Jacob Jordaens


Jacob Jordaens - Alte Meister I

(Antwerpen 1593–1678)
Kampf zwischen Lapithen und Kentauren,
Öl auf Holz, rückseitig mit dem Kleeblatt des Tafelmachers Michiel Claessens (tätig ab 1590, gest. 1637), 76,9 x 105,6 cm, gerahmt

Provenienz:
(vermutlich) Auktion, Regnaut, Ghent, 30. Oktober 1821, Lot 20 (als Jacques Jordaens, Combat des Centaures et des Lapithes);
Galerie Neupert, Zürich;
Auktion, Van Ham, Köln, 14. Februar 2008, Lot 1074;
Privatsammlung, Belgien

Literatur:
J. Vander Auwera, Jacques Jordaens, his panels and panel makers: identifications and patterns, in: Jordaens Van Dyck Journal 3, April 2022, S. 54–71

Wir danken Joost Vander Auwera, Honorarkurator der Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique und Mitbegründer des Jordaens Van Dyck Panel Painting Project, der die Zuschreibung an Jacob Jordaens nach Prüfung des Gemäldes im Original bestätigt hat. Er schlägt eine Datierung um 1616 vor.

Das vorliegende Gemälde zeigt den Kampf zwischen Lapithen und Kentauren, wie er in Ovids Metamorphosen (XII, 210–535) beschrieben wird. Die sich drehenden und windenden Figuren, ihre Muskulatur und verschlungenen Formen, von Jordaens wunderbar wiedergegeben, beschreiben den versuchten Raub der lapithischen Frauen, insbesondere der blonden Frauengestalt rechts im Bild, und den damit ausgelösten Kampf, der sich über den gesamten Bildraum ausbreitet. Die Lapithen hatten die Kentauren und die Anführer der Thessalier zu einem Hochzeitsfest in einer schattigen Grotte neben ihrem Palast eingeladen. Als die Braut eintrat und die Gäste ihr zu ihrer Schönheit gratulierten, konnte Eurytion, der wildeste der Kentauren, erhitzt durch den Wein, seine Lust nicht länger bezähmen. Wie von Jordaens dargestellt, erfasste Eurytion die Braut, und seine begehrlichen Kentauren taten es ihm gleich und raubten die Frauen, die ihnen gerade in die Hände fielen. Links im Bild wird Eurytion jedoch vom Lapithen Theseus Einhalt geboten, der Hippodameia befreite und ihren Entführer tötete. Das gewalttätige und chaotische Handgemenge dauerte bis zum Einbruch der Nacht, als die verbliebenen Kentauren unter dem Schutzmantel der Dunkelheit flohen (siehe I. Schaudies, Battle of the Lapiths and Centaurs, in: J. Vander Auwera, I. Schaudies, J. Lange (Hg.), Jordaens and the Antique, Ausstellungskatalog, Brüssel 2012, S. 198–201).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um einen Neuzugang zum Œuvre Jacob Jordaens’, entstanden kurz nachdem er 1615 unabhängiger Meister der Antwerpener Lukasgilde wurde, nachdem er bei seinem künftigen Schwiegervater Adam Van Noort in die Lehre gegangen war. Jordaens war damals im Umfeld Peter Paul Rubens’ tätig und übernahm dessen antike Themen, lebhafte Farbigkeit und skulpturale Bewegtheit, die sein eigenes Frühwerk stark beeinflussten. Nach Anthonis van Dyck stellt Jordaens die dritte Säule des Triumvirats der großen Antwerpener Meister des 17. Jahrhunderts dar. Jordaens malte etwa ein Jahr später eine zweite Fassung des vorliegenden Bildes mit einer maßgeblichen Veränderung im Bereich des Hauptes des Gryneus, jenes Kentauren, der den Lapithen Broteas und Oreios einen Altar samt Feueropfer entgegenschleuderte. Diese zweite Fassung ist zwar gleich groß, aber auf dem Bildträger Leinwand ausgeführt (Christie’s, London, 6. Dezember 2018, Lot 5, verkauft um 512.750 Pfund inkl. Aufschlag).

Die vorliegende Komposition orientiert sich grob an Michelangelos Relief der Kentaurenschlacht, das Rubens in Italien kopierte. Im Katalog zur Ausstellung Jordaens and the Antique von 2012, wo die Leinwandfassung ausgestellt war, bemerkt Irene Schaudies: „Zwei der Hauptfiguren in Jordaens’ Kampf zwischen Lapithen und Kentauren sind anderen Werken Rubens’ geschuldet: Der erzürnte herkulische Lapith links außen ist direkt vom jungen Helden in Rubens’ David und Goliath angeregt […] während der junge Lapith mit der Brandfackel, der mit von sich gestreckten Gliedmaßen kopfüber in der Bildmitte zu sehen ist, letztendlich auf Michelangelos Titus zurückgeht, den Rubens für den toten Argus in seinem Werk Juno und Argus von 1609/10 entlehnt hat“ (siehe Schaudies 2012, Anm. 1).

Der hölzerne Bildträger besteht aus drei hochwertigen Brettern baltischer Eichen. Die dendrochronologische Altersbestimmung hat ergeben, dass die Bäume, von denen sie stammen, zwischen 1609 und 1618 gefällt wurden (siehe A. Daly, Dendrochronological analysis of a panel painting of „The Battle of the Lapiths & Centaurs“, attributed to Jordaens, in a private collection, Dendro.dk report 32:2016, freundlicherweise zur Verfügung gestellt durch das Jordaens Van Dyck Panel Paintings Project). Zwei Bretter kommen vom selben Baum. Die Tafel trägt das Kleeblattzeichen des Tafelmachers Michiel Claessens, der im Zeitraum seiner Mitgliedschaft in der Lukasgilde ab 1590 bis zur Beendigung seiner Tätigkeit als Tafelmacher einige Jahre vor seinem Tod 1637 in Antwerpen tätig war (siehe P. Bakker, The Claessens Family – A Biographical Timeline, in: J. Davies [Hg.], Jordaens Van Dyck Panel Paintings Project, www.jordaensvandyck.org/archive/claessens-family/ [Zugriff 15. März 2022]). Das Fehlen des Zeichens der Gilde (des Antwerpener Stadtwappens mit den zwei Händen und der Festung) auf der Rückseite der Tafel weist darauf hin, dass sie vor der Verfügung vom 11. Dezember 1617 angefertigt wurde, mit der bestimmt wurde, dass alle Tafeln einer Qualitätsprüfung unterzogen werden und vom Vorsitzenden der Tafelmachergilde innerhalb der Lukasgilde das Brandzeichen erhalten sollten (siehe J. Vander Auwera, Jacques Jordaens, his panels and panel makers: identifications and patterns, in: Jordaens Van Dyck Journal, 3. April 2021, S. 54–71).

Angesichts der Tatsache, dass eine zweite, etwas spätere Fassung des Kampfes zwischen Lapithen und Kentauren existiert, wurde diese Erstfassung auf Holz offensichtlich von Jordaens zurückbehalten. Sie gehört zu seinen frühesten Kabinettbildern mythologischer Sujets, die er als unabhängiger Meister geschaffen hat. Da das Werk im 17. Jahrhundert weder im Kunsthandel noch in irgendwelchen Sammlungen aufscheint, verblieb es womöglich bis zu Jordaens’ Tod im Jahr 1678 in dessen Besitz beziehungsweise Haus. „Die besten Bilder aus seinem Nachlass“ wurden von seinen Erben bei Anthoni Schaerders auf dem Freitagsmarkt in Antwerpen am 18. Juni 1687 öffentlich versteigert, doch bedauerlicherweise scheinen sich keine schriftlichen Verzeichnisse der Bilder erhalten zu haben“ (siehe R.-A. d’Hulst, Jacob Jordaens, London 1982, S. 328, Nr. 54).

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 80.080,-
Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Jacob Jordaens


(Antwerpen 1593–1678)
Kampf zwischen Lapithen und Kentauren,
Öl auf Holz, rückseitig mit dem Kleeblatt des Tafelmachers Michiel Claessens (tätig ab 1590, gest. 1637), 76,9 x 105,6 cm, gerahmt

Provenienz:
(vermutlich) Auktion, Regnaut, Ghent, 30. Oktober 1821, Lot 20 (als Jacques Jordaens, Combat des Centaures et des Lapithes);
Galerie Neupert, Zürich;
Auktion, Van Ham, Köln, 14. Februar 2008, Lot 1074;
Privatsammlung, Belgien

Literatur:
J. Vander Auwera, Jacques Jordaens, his panels and panel makers: identifications and patterns, in: Jordaens Van Dyck Journal 3, April 2022, S. 54–71

Wir danken Joost Vander Auwera, Honorarkurator der Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique und Mitbegründer des Jordaens Van Dyck Panel Painting Project, der die Zuschreibung an Jacob Jordaens nach Prüfung des Gemäldes im Original bestätigt hat. Er schlägt eine Datierung um 1616 vor.

Das vorliegende Gemälde zeigt den Kampf zwischen Lapithen und Kentauren, wie er in Ovids Metamorphosen (XII, 210–535) beschrieben wird. Die sich drehenden und windenden Figuren, ihre Muskulatur und verschlungenen Formen, von Jordaens wunderbar wiedergegeben, beschreiben den versuchten Raub der lapithischen Frauen, insbesondere der blonden Frauengestalt rechts im Bild, und den damit ausgelösten Kampf, der sich über den gesamten Bildraum ausbreitet. Die Lapithen hatten die Kentauren und die Anführer der Thessalier zu einem Hochzeitsfest in einer schattigen Grotte neben ihrem Palast eingeladen. Als die Braut eintrat und die Gäste ihr zu ihrer Schönheit gratulierten, konnte Eurytion, der wildeste der Kentauren, erhitzt durch den Wein, seine Lust nicht länger bezähmen. Wie von Jordaens dargestellt, erfasste Eurytion die Braut, und seine begehrlichen Kentauren taten es ihm gleich und raubten die Frauen, die ihnen gerade in die Hände fielen. Links im Bild wird Eurytion jedoch vom Lapithen Theseus Einhalt geboten, der Hippodameia befreite und ihren Entführer tötete. Das gewalttätige und chaotische Handgemenge dauerte bis zum Einbruch der Nacht, als die verbliebenen Kentauren unter dem Schutzmantel der Dunkelheit flohen (siehe I. Schaudies, Battle of the Lapiths and Centaurs, in: J. Vander Auwera, I. Schaudies, J. Lange (Hg.), Jordaens and the Antique, Ausstellungskatalog, Brüssel 2012, S. 198–201).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um einen Neuzugang zum Œuvre Jacob Jordaens’, entstanden kurz nachdem er 1615 unabhängiger Meister der Antwerpener Lukasgilde wurde, nachdem er bei seinem künftigen Schwiegervater Adam Van Noort in die Lehre gegangen war. Jordaens war damals im Umfeld Peter Paul Rubens’ tätig und übernahm dessen antike Themen, lebhafte Farbigkeit und skulpturale Bewegtheit, die sein eigenes Frühwerk stark beeinflussten. Nach Anthonis van Dyck stellt Jordaens die dritte Säule des Triumvirats der großen Antwerpener Meister des 17. Jahrhunderts dar. Jordaens malte etwa ein Jahr später eine zweite Fassung des vorliegenden Bildes mit einer maßgeblichen Veränderung im Bereich des Hauptes des Gryneus, jenes Kentauren, der den Lapithen Broteas und Oreios einen Altar samt Feueropfer entgegenschleuderte. Diese zweite Fassung ist zwar gleich groß, aber auf dem Bildträger Leinwand ausgeführt (Christie’s, London, 6. Dezember 2018, Lot 5, verkauft um 512.750 Pfund inkl. Aufschlag).

Die vorliegende Komposition orientiert sich grob an Michelangelos Relief der Kentaurenschlacht, das Rubens in Italien kopierte. Im Katalog zur Ausstellung Jordaens and the Antique von 2012, wo die Leinwandfassung ausgestellt war, bemerkt Irene Schaudies: „Zwei der Hauptfiguren in Jordaens’ Kampf zwischen Lapithen und Kentauren sind anderen Werken Rubens’ geschuldet: Der erzürnte herkulische Lapith links außen ist direkt vom jungen Helden in Rubens’ David und Goliath angeregt […] während der junge Lapith mit der Brandfackel, der mit von sich gestreckten Gliedmaßen kopfüber in der Bildmitte zu sehen ist, letztendlich auf Michelangelos Titus zurückgeht, den Rubens für den toten Argus in seinem Werk Juno und Argus von 1609/10 entlehnt hat“ (siehe Schaudies 2012, Anm. 1).

Der hölzerne Bildträger besteht aus drei hochwertigen Brettern baltischer Eichen. Die dendrochronologische Altersbestimmung hat ergeben, dass die Bäume, von denen sie stammen, zwischen 1609 und 1618 gefällt wurden (siehe A. Daly, Dendrochronological analysis of a panel painting of „The Battle of the Lapiths & Centaurs“, attributed to Jordaens, in a private collection, Dendro.dk report 32:2016, freundlicherweise zur Verfügung gestellt durch das Jordaens Van Dyck Panel Paintings Project). Zwei Bretter kommen vom selben Baum. Die Tafel trägt das Kleeblattzeichen des Tafelmachers Michiel Claessens, der im Zeitraum seiner Mitgliedschaft in der Lukasgilde ab 1590 bis zur Beendigung seiner Tätigkeit als Tafelmacher einige Jahre vor seinem Tod 1637 in Antwerpen tätig war (siehe P. Bakker, The Claessens Family – A Biographical Timeline, in: J. Davies [Hg.], Jordaens Van Dyck Panel Paintings Project, www.jordaensvandyck.org/archive/claessens-family/ [Zugriff 15. März 2022]). Das Fehlen des Zeichens der Gilde (des Antwerpener Stadtwappens mit den zwei Händen und der Festung) auf der Rückseite der Tafel weist darauf hin, dass sie vor der Verfügung vom 11. Dezember 1617 angefertigt wurde, mit der bestimmt wurde, dass alle Tafeln einer Qualitätsprüfung unterzogen werden und vom Vorsitzenden der Tafelmachergilde innerhalb der Lukasgilde das Brandzeichen erhalten sollten (siehe J. Vander Auwera, Jacques Jordaens, his panels and panel makers: identifications and patterns, in: Jordaens Van Dyck Journal, 3. April 2021, S. 54–71).

Angesichts der Tatsache, dass eine zweite, etwas spätere Fassung des Kampfes zwischen Lapithen und Kentauren existiert, wurde diese Erstfassung auf Holz offensichtlich von Jordaens zurückbehalten. Sie gehört zu seinen frühesten Kabinettbildern mythologischer Sujets, die er als unabhängiger Meister geschaffen hat. Da das Werk im 17. Jahrhundert weder im Kunsthandel noch in irgendwelchen Sammlungen aufscheint, verblieb es womöglich bis zu Jordaens’ Tod im Jahr 1678 in dessen Besitz beziehungsweise Haus. „Die besten Bilder aus seinem Nachlass“ wurden von seinen Erben bei Anthoni Schaerders auf dem Freitagsmarkt in Antwerpen am 18. Juni 1687 öffentlich versteigert, doch bedauerlicherweise scheinen sich keine schriftlichen Verzeichnisse der Bilder erhalten zu haben“ (siehe R.-A. d’Hulst, Jacob Jordaens, London 1982, S. 328, Nr. 54).

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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