Lot Nr. 8 -


Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna


(Spoleto um 1470/1480–1528)
Madonna mit Kind,
Öl auf Holz, 40,5 x 28,5 cm, Tabernakelrahmen

Provenienz:
Sammlung Heinrich Freiherr Tucher von Simmelsdorf (1853–1925), Wien/Nürnberg;
dessen Auktion, Paul Cassirer & Hugo Helbing, Berlin, 8. Dezember 1925, Lot 65 (als Bernardino Pinturicchio);
vermutlich Kunsthandel Albert Werner (1884–1928), Wien;
Sammlung August Lederer (1857–1936), Wien;
Sammlung Serena Lederer (1867–1943), Wien, bis 1938;
beschlagnahmt 1938;
restituiert an Erich Lederer (1896–1985), Genf, 1948;
Weitergabe im Erbgang;
Privatsammlung, Wien;
Auktion, Im Kinsky, Wien, 6. April 2006, Lot 473 (als Nachfolger des Giovanni Bellini);
Privatsammlung, Deutschland;
Kunsthandel, Deutschland;
Privatsammlung, Schweiz

Literatur:
C. Ricci, Pintoricchio. Sa Vie Son Oeuvre et son Temps, Paris 1903, S. 12, 29 (als Pinturicchio);
F. Wickhoff, Die Sammlung Tucher, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Bd. 1, 1908, S. 23f., Abb. 4 (als Pinturicchio);
B. Berenson, The Central Italian Painters of the Renaissance, New York 1909, S. 255 (als Lo Spagna);
C. Ricci, Pintoricchio, Perugia 1912, S. 29 (als Pinturicchio);
E. Harter, Sei quadri dello Spagna, in: Rassegna d’arte antica e moderna, Nr. 1, 1914, Abb. S. 60, S. 61 (als Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna);
B. Berenson, Italian Pictures of the Renaissance. A list of the principal artists and their works with an index of places, Oxford 1932, S. 545 (als Lo Spagna, Sammlung Lederer);
R. van Marle, The Development of the Italian Schools of Painting, Bd. 14, Den Haag1933, S. 287 (als Pinturicchio);
E. Carli, Il Pintoricchio, Mailand 1960, S. 21, Abb. 22 (als einer der ersten Nachfolger Pinturicchios);
B. Berenson, Italian Pictures of the Renaissance. A list of the principal artists and their works with an index of places. Central Italian and North Italian Schools, New York 1968, Bd. 1, S. 414 (als Lo Spagna, ehemals Sammlung Tucher);
F. Gualdi Sabatini, Giovanni di Pietro detto Lo Spagna, Spoleto 1984, S. 344 (als Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna; „ma si diversifica per una maggiore aderenza dell’artista umbro al linguaggio pintoricchiesco“);
F. Todini, La pittura umbra. Dal Duecento al primo Cinquecento, Bd. I, Mailand 1989, S. 317 (als Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna)

Die Provenienz dieser privaten Andachtstafel ist bekannt, seit sie sich in der Sammlung Tucher von Simmelsdorf befand. Corrado Ricci, Direktor der Pinacoteca di Brera, veröffentlichte sie in seiner ersten Monografie über Pinturicchio als ein Werk des Meisters und hielt in späteren Publikationen an dieser Zuschreibung fest. Bernard Berenson schlug eine alternative Zuschreibung an Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna, vor, einen Künstler möglicherweise spanischer Herkunft, der zu Pinturicchios wichtigsten Nachfolgern und Mitarbeitern gehörte. Die Vermutung Berensons wurde von der heutigen Wissenschaft akzeptiert und das Gemälde von Fausta Gualdi Sabatini, die dessen große Ähnlichkeit mit den eigenhändigen Werken Pinturicchios feststellt, in die Monografie über Lo Spagna aufgenommen. Es scheint daher möglich, das Gemälde einer Gruppe von Werken Lo Spagnas zuzuordnen, die in das frühe 16. Jahrhundert datiert werden können, eine Zeit, in der der Künstler in Perugia tätig war und sich getreu an Pinturicchios Vorlagen orientierte. Es sind dies die Abschiedsworte im Garten von Gethsemane in der National Gallery in London, der Büßende heilige Hieronymus in der Galleria Colonna in Rom und die verschiedenen Fassungen der Geburt Christi, die heute in der Pinacoteca Vaticana, im Louvre und in den Staatlichen Museen zu Berlin aufbewahrt werden.

Als Tucher 1925 starb, wurde seine Sammlung auf einer Auktion in Berlin veräußert. Der Sammler, der als Diplomat in Rom tätig war, wo er im Palazzo Borghese residierte, hatte zahlreiche Kunstwerke erworben. Nach einer weiteren diplomatischen Tätigkeit in Wien und der Übergabe seiner Sammlung an das Palais Mollard-Clary kehrte Tucher schließlich in seine bayerische Heimat zurück, um sich dem Projekt der Restaurierung des Tucherschlosses in Nürnberg zu widmen, das heute ein Museum ist. Zu den Werken, die keinen Platz in der Sammlung des Schlosses fanden und versteigert wurden, gehörte die vorliegende Madonna mit Kind, die im Auktionskatalog als ein Werk von Pinturicchio beschrieben und abgebildet wurde. Damals wurde das Gemälde bereits in dem eleganten Tabernakelrahmen präsentiert, der es noch heute umschließt und der auch im Einleitungstext des Katalogs als Beispiel für die Sorgfalt erwähnt wird, mit der Tucher die antiken Rahmen passend zu Stil und Zeit für die Werke seiner Sammlung auswählte.

Kurz nach der Auktion von 1925 wurde die vorliegende Tafel von dem jüdischen Industriellen August Lederer, Besitzer des Ledererschlössels in Hadersdorf, erworben. Lederer und seine Frau Serena Pulitzer waren Sammler und große Förderer von Gustav Klimt: Der außergewöhnliche 34 Meter lange Beethovenfries, den der Künstler 1902 schuf und der heute in der Wiener Secession untergebracht ist, befand sich in ihrem Besitz. Die Lederers sammelten auch zahlreiche Werke anderer zeitgenössischer Künstler, darunter Egon Schiele, sowie Möbel, Bücher, Schmuck und Altmeistergemälde, die sie vor allem aus den großen europäischen Sammlungen des Adels ersteigerten.

August Lederer starb im Jahr 1936. Unter der nationalsozialistischen Verfolgung wurde ab 1938 ein großer Teil der Sammlung, darunter auch die vorliegende Madonna mit Kind von Lo Spagna, von der Gestapo beschlagnahmt, wobei einige Gemälde für das Führermuseum in Linz ausgewählt wurden. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gelang es Erich Lederer, dem Sohn von August und Serena, die Rückgabe einiger Kunstwerke seiner Familie zu erwirken, darunter auch das vorliegende Gemälde, das im Besitz seiner Erben blieb, bevor es 2006 wieder im Kunsthandel auftauchte. Weitere Werke aus der Sammlung von Erich Lederer wurden dem Metropolitan Museum in New York, dem Kunstmuseum in Basel und der Wiener Albertina als Schenkung übergeben.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

25.10.2023 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 200.392,-
Schätzwert:
EUR 200.000,- bis EUR 300.000,-

Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna


(Spoleto um 1470/1480–1528)
Madonna mit Kind,
Öl auf Holz, 40,5 x 28,5 cm, Tabernakelrahmen

Provenienz:
Sammlung Heinrich Freiherr Tucher von Simmelsdorf (1853–1925), Wien/Nürnberg;
dessen Auktion, Paul Cassirer & Hugo Helbing, Berlin, 8. Dezember 1925, Lot 65 (als Bernardino Pinturicchio);
vermutlich Kunsthandel Albert Werner (1884–1928), Wien;
Sammlung August Lederer (1857–1936), Wien;
Sammlung Serena Lederer (1867–1943), Wien, bis 1938;
beschlagnahmt 1938;
restituiert an Erich Lederer (1896–1985), Genf, 1948;
Weitergabe im Erbgang;
Privatsammlung, Wien;
Auktion, Im Kinsky, Wien, 6. April 2006, Lot 473 (als Nachfolger des Giovanni Bellini);
Privatsammlung, Deutschland;
Kunsthandel, Deutschland;
Privatsammlung, Schweiz

Literatur:
C. Ricci, Pintoricchio. Sa Vie Son Oeuvre et son Temps, Paris 1903, S. 12, 29 (als Pinturicchio);
F. Wickhoff, Die Sammlung Tucher, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, Bd. 1, 1908, S. 23f., Abb. 4 (als Pinturicchio);
B. Berenson, The Central Italian Painters of the Renaissance, New York 1909, S. 255 (als Lo Spagna);
C. Ricci, Pintoricchio, Perugia 1912, S. 29 (als Pinturicchio);
E. Harter, Sei quadri dello Spagna, in: Rassegna d’arte antica e moderna, Nr. 1, 1914, Abb. S. 60, S. 61 (als Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna);
B. Berenson, Italian Pictures of the Renaissance. A list of the principal artists and their works with an index of places, Oxford 1932, S. 545 (als Lo Spagna, Sammlung Lederer);
R. van Marle, The Development of the Italian Schools of Painting, Bd. 14, Den Haag1933, S. 287 (als Pinturicchio);
E. Carli, Il Pintoricchio, Mailand 1960, S. 21, Abb. 22 (als einer der ersten Nachfolger Pinturicchios);
B. Berenson, Italian Pictures of the Renaissance. A list of the principal artists and their works with an index of places. Central Italian and North Italian Schools, New York 1968, Bd. 1, S. 414 (als Lo Spagna, ehemals Sammlung Tucher);
F. Gualdi Sabatini, Giovanni di Pietro detto Lo Spagna, Spoleto 1984, S. 344 (als Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna; „ma si diversifica per una maggiore aderenza dell’artista umbro al linguaggio pintoricchiesco“);
F. Todini, La pittura umbra. Dal Duecento al primo Cinquecento, Bd. I, Mailand 1989, S. 317 (als Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna)

Die Provenienz dieser privaten Andachtstafel ist bekannt, seit sie sich in der Sammlung Tucher von Simmelsdorf befand. Corrado Ricci, Direktor der Pinacoteca di Brera, veröffentlichte sie in seiner ersten Monografie über Pinturicchio als ein Werk des Meisters und hielt in späteren Publikationen an dieser Zuschreibung fest. Bernard Berenson schlug eine alternative Zuschreibung an Giovanni di Pietro, gen. Lo Spagna, vor, einen Künstler möglicherweise spanischer Herkunft, der zu Pinturicchios wichtigsten Nachfolgern und Mitarbeitern gehörte. Die Vermutung Berensons wurde von der heutigen Wissenschaft akzeptiert und das Gemälde von Fausta Gualdi Sabatini, die dessen große Ähnlichkeit mit den eigenhändigen Werken Pinturicchios feststellt, in die Monografie über Lo Spagna aufgenommen. Es scheint daher möglich, das Gemälde einer Gruppe von Werken Lo Spagnas zuzuordnen, die in das frühe 16. Jahrhundert datiert werden können, eine Zeit, in der der Künstler in Perugia tätig war und sich getreu an Pinturicchios Vorlagen orientierte. Es sind dies die Abschiedsworte im Garten von Gethsemane in der National Gallery in London, der Büßende heilige Hieronymus in der Galleria Colonna in Rom und die verschiedenen Fassungen der Geburt Christi, die heute in der Pinacoteca Vaticana, im Louvre und in den Staatlichen Museen zu Berlin aufbewahrt werden.

Als Tucher 1925 starb, wurde seine Sammlung auf einer Auktion in Berlin veräußert. Der Sammler, der als Diplomat in Rom tätig war, wo er im Palazzo Borghese residierte, hatte zahlreiche Kunstwerke erworben. Nach einer weiteren diplomatischen Tätigkeit in Wien und der Übergabe seiner Sammlung an das Palais Mollard-Clary kehrte Tucher schließlich in seine bayerische Heimat zurück, um sich dem Projekt der Restaurierung des Tucherschlosses in Nürnberg zu widmen, das heute ein Museum ist. Zu den Werken, die keinen Platz in der Sammlung des Schlosses fanden und versteigert wurden, gehörte die vorliegende Madonna mit Kind, die im Auktionskatalog als ein Werk von Pinturicchio beschrieben und abgebildet wurde. Damals wurde das Gemälde bereits in dem eleganten Tabernakelrahmen präsentiert, der es noch heute umschließt und der auch im Einleitungstext des Katalogs als Beispiel für die Sorgfalt erwähnt wird, mit der Tucher die antiken Rahmen passend zu Stil und Zeit für die Werke seiner Sammlung auswählte.

Kurz nach der Auktion von 1925 wurde die vorliegende Tafel von dem jüdischen Industriellen August Lederer, Besitzer des Ledererschlössels in Hadersdorf, erworben. Lederer und seine Frau Serena Pulitzer waren Sammler und große Förderer von Gustav Klimt: Der außergewöhnliche 34 Meter lange Beethovenfries, den der Künstler 1902 schuf und der heute in der Wiener Secession untergebracht ist, befand sich in ihrem Besitz. Die Lederers sammelten auch zahlreiche Werke anderer zeitgenössischer Künstler, darunter Egon Schiele, sowie Möbel, Bücher, Schmuck und Altmeistergemälde, die sie vor allem aus den großen europäischen Sammlungen des Adels ersteigerten.

August Lederer starb im Jahr 1936. Unter der nationalsozialistischen Verfolgung wurde ab 1938 ein großer Teil der Sammlung, darunter auch die vorliegende Madonna mit Kind von Lo Spagna, von der Gestapo beschlagnahmt, wobei einige Gemälde für das Führermuseum in Linz ausgewählt wurden. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gelang es Erich Lederer, dem Sohn von August und Serena, die Rückgabe einiger Kunstwerke seiner Familie zu erwirken, darunter auch das vorliegende Gemälde, das im Besitz seiner Erben blieb, bevor es 2006 wieder im Kunsthandel auftauchte. Weitere Werke aus der Sammlung von Erich Lederer wurden dem Metropolitan Museum in New York, dem Kunstmuseum in Basel und der Wiener Albertina als Schenkung übergeben.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 25.10.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.10. - 25.10.2023


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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