Lot Nr. 113


Corrado Giaquinto und Werkstatt


(Molfetta 1703–1766 Neapel)
Kirke,
Öl auf Leinwand, 130 x 100 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung

Wir danken Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat.

Das vorliegende Gemälde bezieht sich auf ein Gemälde kleineren Formats Corrado Giaquintos mit demselben Thema, das in der Pinacoteca Comunale Fortunato Duranti in Montefortino aufbewahrt wird (Inv.-Nr. 23). Die Identifizierung des Motivs war Gegenstand einer fortdauernden wissenschaftlichen Debatte. Die Figur wurde für die heilige Agatha gehalten, da der Stab als Klinge und damit als Anspielung auf das Martyrium der Heiligen missverstanden wurde. Die weibliche Figur wurde sodann aufgrund des Vergleichs mit zwei anderen Werken Giaquintos in Privatsammlungen für Medea gehalten (siehe M. Scolaro, Corrado Giaquinto. Il Cielo e la terra, Ausstellungskatalog, Argelato 2005, S. 230f.). In weiteren Interpretationen wird die Figur als Sibylle oder Allegorie beschrieben, und wieder andere erkannten die Dargestellte aufgrund ihrer Kleidung und königlichen Haltung als Armida aus Torquato Tassos Gerusalemme Liberata; der Stab mit der Schlange sollte das Böse heraufbeschwören, um sich an Rinaldo zu rächen, der sie verlassen hatte.

Laut der von den meisten anerkannten Hypothese handelt es sich bei der weiblichen Figur jedoch um Kirke aus der Odyssee, zumal alle ihr beigegebenen Attribute auf böse Kräfte verweisen. Konkret beziehen sich die Symbole auf ihre Zauberkünste: ein Mörser zur Herstellung von Zaubertränken, ein Totenkopf, eine Schlange, ein Buch und eine vermutlich astronomische Karte sowie ein Zauberstab, mit dem sie die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelte.

Die Zauberin erscheint als majestätische Frauengestalt, die in einer Grotte sitzt. Ihr Gewand und ihr Haar werden von einem leichten Windhauch bewegt. Das Unterkleid ist von der linken Schulter gerutscht und gibt den Blick auf ihre Brust frei. Mit dem hochgesteckten Haar, das von einem Metallreif gehalten wird, den vollen Lippen, der geraden Nase und den gerundeten Gesichtszügen verweist die Dargestellte auf hellenistische Bildhauermodelle.

Die Datierung des Montefortino-Bildes ist umstritten. Einige Forscher glauben, dass es um die Mitte des 17. Jahrhunderts gemalt wurde, andere datieren es in eine frühere Zeit (siehe M. Scolaro 2005, ebd.). In jedem Fall ist das Gemälde stilistisch in die Reifezeit Corrado Giaquintos zu datieren, in der sich die Anklänge an den Klassizismus Marattis mit einer Neuinterpretation des Barocks und einer persönlichen Auslegung des neuen Geistes des Rokokos verbinden.

Corrado Giaquinto wurde in der Werkstatt des neapolitanischen Künstlers Nicola Maria Rossi ausgebildet. Im Jahr 1723 begann Giaquinto in Rom den robusten neapolitanischen Malstil zu modifizieren, um dem klassizistischen Geschmack des Rokokos Genüge zu tun. Er wurde 1740 in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen. Mit den Fresken für die Kirche San Nicola dei Lorenesi im Jahr 1731 erhielt Giaquinto weitere prestigeträchtige Aufträge, die ihm Anerkennung eintrugen und zu Aufenthalten in Turin und Spanien führten. Der Maler wurde 1753 von Ferdinand VI. an den Hof von Madrid berufen, wo er fast ein Jahrzehnt verbringen sollte. Seine Stellung als herausragende künstlerische Persönlichkeit des Landes wurde durch seine Ernennung zum Primer Pintor del Rey und zum Direktor der Academia di San Fernando bestätigt, die der kunstbegeisterte spanische König neu gegründet hatte. Später kehrte Corrado Giaquinto nach Neapel zurück.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

25.10.2023 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 18.480,-
Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Corrado Giaquinto und Werkstatt


(Molfetta 1703–1766 Neapel)
Kirke,
Öl auf Leinwand, 130 x 100 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung

Wir danken Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat.

Das vorliegende Gemälde bezieht sich auf ein Gemälde kleineren Formats Corrado Giaquintos mit demselben Thema, das in der Pinacoteca Comunale Fortunato Duranti in Montefortino aufbewahrt wird (Inv.-Nr. 23). Die Identifizierung des Motivs war Gegenstand einer fortdauernden wissenschaftlichen Debatte. Die Figur wurde für die heilige Agatha gehalten, da der Stab als Klinge und damit als Anspielung auf das Martyrium der Heiligen missverstanden wurde. Die weibliche Figur wurde sodann aufgrund des Vergleichs mit zwei anderen Werken Giaquintos in Privatsammlungen für Medea gehalten (siehe M. Scolaro, Corrado Giaquinto. Il Cielo e la terra, Ausstellungskatalog, Argelato 2005, S. 230f.). In weiteren Interpretationen wird die Figur als Sibylle oder Allegorie beschrieben, und wieder andere erkannten die Dargestellte aufgrund ihrer Kleidung und königlichen Haltung als Armida aus Torquato Tassos Gerusalemme Liberata; der Stab mit der Schlange sollte das Böse heraufbeschwören, um sich an Rinaldo zu rächen, der sie verlassen hatte.

Laut der von den meisten anerkannten Hypothese handelt es sich bei der weiblichen Figur jedoch um Kirke aus der Odyssee, zumal alle ihr beigegebenen Attribute auf böse Kräfte verweisen. Konkret beziehen sich die Symbole auf ihre Zauberkünste: ein Mörser zur Herstellung von Zaubertränken, ein Totenkopf, eine Schlange, ein Buch und eine vermutlich astronomische Karte sowie ein Zauberstab, mit dem sie die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelte.

Die Zauberin erscheint als majestätische Frauengestalt, die in einer Grotte sitzt. Ihr Gewand und ihr Haar werden von einem leichten Windhauch bewegt. Das Unterkleid ist von der linken Schulter gerutscht und gibt den Blick auf ihre Brust frei. Mit dem hochgesteckten Haar, das von einem Metallreif gehalten wird, den vollen Lippen, der geraden Nase und den gerundeten Gesichtszügen verweist die Dargestellte auf hellenistische Bildhauermodelle.

Die Datierung des Montefortino-Bildes ist umstritten. Einige Forscher glauben, dass es um die Mitte des 17. Jahrhunderts gemalt wurde, andere datieren es in eine frühere Zeit (siehe M. Scolaro 2005, ebd.). In jedem Fall ist das Gemälde stilistisch in die Reifezeit Corrado Giaquintos zu datieren, in der sich die Anklänge an den Klassizismus Marattis mit einer Neuinterpretation des Barocks und einer persönlichen Auslegung des neuen Geistes des Rokokos verbinden.

Corrado Giaquinto wurde in der Werkstatt des neapolitanischen Künstlers Nicola Maria Rossi ausgebildet. Im Jahr 1723 begann Giaquinto in Rom den robusten neapolitanischen Malstil zu modifizieren, um dem klassizistischen Geschmack des Rokokos Genüge zu tun. Er wurde 1740 in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen. Mit den Fresken für die Kirche San Nicola dei Lorenesi im Jahr 1731 erhielt Giaquinto weitere prestigeträchtige Aufträge, die ihm Anerkennung eintrugen und zu Aufenthalten in Turin und Spanien führten. Der Maler wurde 1753 von Ferdinand VI. an den Hof von Madrid berufen, wo er fast ein Jahrzehnt verbringen sollte. Seine Stellung als herausragende künstlerische Persönlichkeit des Landes wurde durch seine Ernennung zum Primer Pintor del Rey und zum Direktor der Academia di San Fernando bestätigt, die der kunstbegeisterte spanische König neu gegründet hatte. Später kehrte Corrado Giaquinto nach Neapel zurück.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 25.10.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.10. - 25.10.2023


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.