Lot Nr. 24


Federico Barocci


(Urbino um 1535–1612)
Kopfstudie einer Frau im Profil,
Öl auf Holz, 43,4 x 33,3 cm, gerahmt

Rückseitig die Siegel von Boncompagni Ludovisi (links oben) und Boncompagni Ruffo (rechts unten)

Provenienz:
Ugo Boncompagni (1614–1676), 4. Herzog von Sora und Arce, Rom;
Gregorio II. Boncompagni (1642–1707), 5. Herzog von Sora und Arce, Rom, 1701;
Antonio I. Boncompagni (1658–1731), 6. Herzog von Sora und Arce, Rom, nach 1702, gen. Boncompagni Ludovisi;
Weitergabe im Erbgang;
Auktion, Dorotheum, Wien, 21. Oktober 2014, Lot 61 (verkauft um 320.200 Euro);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Dokumentation:
Quadri delle Case de Principi in Roma, Gabinetto Comunale delle Stampe, Rom, Inv.-Nr. 2452, f. 91r, 1701: Dal S.r Duca di Sora, Principe di Piombino, Due Testine, in tavola, del Barocci n.o 2 (siehe Literatur);
ASV, Archivio Boncompagni Ludovisi, Inventar des Gregorio Boncompagni vom 17. März 1707 (Prot. 659, Nr. 5) 42 /n.2: Quadri da mezza testa per alto con cornici dorate, rappresentanti due teste con busti di Donne al naturale dipinti in tavola

Literatur:
G. De Marchi, Mostre di quadri a S. Salvatore in Lauro (1682–1725). Stime di collezioni romane. Note e appunti di Giuseppe Ghezzi, in: Miscellanea della Società Romana di Storia Patria, Nr. 27, Rom 1987, verzeichnet auf S. 150

Die vorliegende Studie bereitet das bedeutende, aus den 1570er-Jahren stammende und auch Madonna del Popolo genannte Altarbild Federico Barroccis, Die Sieben Akte der Barmherzigkeit, vor, welches sich heute in den Uffizien befindet (Inv. 1890, Nr. 751). Die weibliche Figur des vorliegenden Bildes wurde auf dem Altarbild in Form der elegant gekleideten Frau ganz links im Bild wiedergegeben, wobei jedes Detail ihres Haars und ihres Schmucks übernommen wurde, sodass der Maler die Studie ohne wesentliche Veränderungen übertrug. Es gibt weitere vorbereitende Zeichnungen für die Frauengestalt dieser Komposition, darunter eine im Gabinetto die Disegni e delle Stampe der Uffizien in Florenz (Inv.-Nr. 11603 F, verso), welche jede einzelne Falte mit größter Genauigkeit wiedergibt. Es ist bekannt, dass Barocci für seine Porträts oder Figuren bekleidete Puppen in seiner Werkstatt verwendete, während er den Ausdruck der Figur direkt aus dem Leben in einer Alltagssituation einfing.

Die vorliegende Studie kann als ein wichtiges Beispiel für Baroccis Arbeitspraxis und als ein integraler Bestandteil des besagten Gemäldes angesehen werden. Der lange, rastlose Schaffensprozess, der die herausforderndsten Projekte des Künstlers begleitete, gab ihm vor allem Vertrauen in die realistische Wiedergabe seiner Bildkomposition.

Die Madonna del Popolo stellt einen Meilenstein in Barroccis Laufbahn dar. In dem Bild manifestiert sich deutlich die Absicht, Freundschaft und die Schönheit von Gemeinschaft in der Mitmenschlichkeit Christi widerzuspiegeln. Tatsächlich ist die gesamte Komposition darauf ausgerichtet, Nähe herzustellen und freundschaftliche Verbindungen hervorzuheben, die durch Gesten und das Gefühl von Vertrautheit suggeriert werden. Die Charaktere der Szene entsprechen einer Abfolge wiederkehrender Gesichter von Freunden und Familienmitgliedern; Barrocci setzte hier mit einer Herangehensweise fort, auf die er bereits bei seinem Altarbild Martyrium des heiligen Sebastian für die Kathedrale in Urbino zugegriffen hatte. Die Arbeitsweise des Malers wird von Giovanni Pietro Bellori in dessen Vite de’ pittori, scultori et architetti moderni beschrieben, die 1672 veröffentlicht wurden.

Der höchstwahrscheinlich 1535 geborene Barocci arbeitete schon in äußerst frühen Jahren in den vatikanischen Gärten, wo er an der Freskenausstattung der Innenräume des Kasinos von Pius IV. sowie ab 1562 an anderen Orten innerhalb des Belvederes mitwirkte. Nachdem er sich von einer unbekannten Krankheit, die ihn in Rom ereilte, erholt hatte, lehnte er es trotz seines großen Erfolges ab, wieder dorthin zurückzukehren. Drei Jahre hatte er in Rom verbracht und unermüdlich gearbeitet, wodurch er in der Folge erkrankte. Viele Historikern vermuteten eine Vergiftung.

Barroccis Besinnung auf christliche Spiritualität und Meditation kehrten wieder, als er gesundete. Es ist daher plausibel, dass er sich, wie von Biografen behauptet, in das kleine Kloster von Crocicchia zurückzog. Seine Werke zeugen von einer Übereinstimmung mit der Lehre des heiligen Franziskus, wie das Gemälde Madonna del Popolo dies vor Augen führt, welches von der Fraternità dei laici von Arezzo in Auftrag gegeben wurde.

Der Auftrag für das Altarbild Madonna del Popolo der 1570er-Jahre ist urkundlich mehrfach belegt, wie zum Beispiel durch die Briefe des Botschafters Maschi in Spanien an Barocci und an die Bruderschaft, die es ermöglichen, die Genese des Bildes im Detail zu verfolgen. Die komplexe Entwicklung des Projekts fand zwischen 1575 und 1579 statt. Das Gemälde wurde persönlich übergeben, indem es auf den Wegen der Alpe della Luna zwischen Montefeltro und Casentino über den Apennin zwischen Toskana und Herzogtum Urbino gebracht wurde, von wo es schließlich Arezzo erreichte. Barocci kümmerte sich persönlich um jedes Detail der Anbringung des Bildes, um die Wirksamkeit der für den toskanischen Altar geplanten Beleuchtung zu gewährleisten.

Andrea Emiliani half bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 195.000,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Federico Barocci


(Urbino um 1535–1612)
Kopfstudie einer Frau im Profil,
Öl auf Holz, 43,4 x 33,3 cm, gerahmt

Rückseitig die Siegel von Boncompagni Ludovisi (links oben) und Boncompagni Ruffo (rechts unten)

Provenienz:
Ugo Boncompagni (1614–1676), 4. Herzog von Sora und Arce, Rom;
Gregorio II. Boncompagni (1642–1707), 5. Herzog von Sora und Arce, Rom, 1701;
Antonio I. Boncompagni (1658–1731), 6. Herzog von Sora und Arce, Rom, nach 1702, gen. Boncompagni Ludovisi;
Weitergabe im Erbgang;
Auktion, Dorotheum, Wien, 21. Oktober 2014, Lot 61 (verkauft um 320.200 Euro);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Dokumentation:
Quadri delle Case de Principi in Roma, Gabinetto Comunale delle Stampe, Rom, Inv.-Nr. 2452, f. 91r, 1701: Dal S.r Duca di Sora, Principe di Piombino, Due Testine, in tavola, del Barocci n.o 2 (siehe Literatur);
ASV, Archivio Boncompagni Ludovisi, Inventar des Gregorio Boncompagni vom 17. März 1707 (Prot. 659, Nr. 5) 42 /n.2: Quadri da mezza testa per alto con cornici dorate, rappresentanti due teste con busti di Donne al naturale dipinti in tavola

Literatur:
G. De Marchi, Mostre di quadri a S. Salvatore in Lauro (1682–1725). Stime di collezioni romane. Note e appunti di Giuseppe Ghezzi, in: Miscellanea della Società Romana di Storia Patria, Nr. 27, Rom 1987, verzeichnet auf S. 150

Die vorliegende Studie bereitet das bedeutende, aus den 1570er-Jahren stammende und auch Madonna del Popolo genannte Altarbild Federico Barroccis, Die Sieben Akte der Barmherzigkeit, vor, welches sich heute in den Uffizien befindet (Inv. 1890, Nr. 751). Die weibliche Figur des vorliegenden Bildes wurde auf dem Altarbild in Form der elegant gekleideten Frau ganz links im Bild wiedergegeben, wobei jedes Detail ihres Haars und ihres Schmucks übernommen wurde, sodass der Maler die Studie ohne wesentliche Veränderungen übertrug. Es gibt weitere vorbereitende Zeichnungen für die Frauengestalt dieser Komposition, darunter eine im Gabinetto die Disegni e delle Stampe der Uffizien in Florenz (Inv.-Nr. 11603 F, verso), welche jede einzelne Falte mit größter Genauigkeit wiedergibt. Es ist bekannt, dass Barocci für seine Porträts oder Figuren bekleidete Puppen in seiner Werkstatt verwendete, während er den Ausdruck der Figur direkt aus dem Leben in einer Alltagssituation einfing.

Die vorliegende Studie kann als ein wichtiges Beispiel für Baroccis Arbeitspraxis und als ein integraler Bestandteil des besagten Gemäldes angesehen werden. Der lange, rastlose Schaffensprozess, der die herausforderndsten Projekte des Künstlers begleitete, gab ihm vor allem Vertrauen in die realistische Wiedergabe seiner Bildkomposition.

Die Madonna del Popolo stellt einen Meilenstein in Barroccis Laufbahn dar. In dem Bild manifestiert sich deutlich die Absicht, Freundschaft und die Schönheit von Gemeinschaft in der Mitmenschlichkeit Christi widerzuspiegeln. Tatsächlich ist die gesamte Komposition darauf ausgerichtet, Nähe herzustellen und freundschaftliche Verbindungen hervorzuheben, die durch Gesten und das Gefühl von Vertrautheit suggeriert werden. Die Charaktere der Szene entsprechen einer Abfolge wiederkehrender Gesichter von Freunden und Familienmitgliedern; Barrocci setzte hier mit einer Herangehensweise fort, auf die er bereits bei seinem Altarbild Martyrium des heiligen Sebastian für die Kathedrale in Urbino zugegriffen hatte. Die Arbeitsweise des Malers wird von Giovanni Pietro Bellori in dessen Vite de’ pittori, scultori et architetti moderni beschrieben, die 1672 veröffentlicht wurden.

Der höchstwahrscheinlich 1535 geborene Barocci arbeitete schon in äußerst frühen Jahren in den vatikanischen Gärten, wo er an der Freskenausstattung der Innenräume des Kasinos von Pius IV. sowie ab 1562 an anderen Orten innerhalb des Belvederes mitwirkte. Nachdem er sich von einer unbekannten Krankheit, die ihn in Rom ereilte, erholt hatte, lehnte er es trotz seines großen Erfolges ab, wieder dorthin zurückzukehren. Drei Jahre hatte er in Rom verbracht und unermüdlich gearbeitet, wodurch er in der Folge erkrankte. Viele Historikern vermuteten eine Vergiftung.

Barroccis Besinnung auf christliche Spiritualität und Meditation kehrten wieder, als er gesundete. Es ist daher plausibel, dass er sich, wie von Biografen behauptet, in das kleine Kloster von Crocicchia zurückzog. Seine Werke zeugen von einer Übereinstimmung mit der Lehre des heiligen Franziskus, wie das Gemälde Madonna del Popolo dies vor Augen führt, welches von der Fraternità dei laici von Arezzo in Auftrag gegeben wurde.

Der Auftrag für das Altarbild Madonna del Popolo der 1570er-Jahre ist urkundlich mehrfach belegt, wie zum Beispiel durch die Briefe des Botschafters Maschi in Spanien an Barocci und an die Bruderschaft, die es ermöglichen, die Genese des Bildes im Detail zu verfolgen. Die komplexe Entwicklung des Projekts fand zwischen 1575 und 1579 statt. Das Gemälde wurde persönlich übergeben, indem es auf den Wegen der Alpe della Luna zwischen Montefeltro und Casentino über den Apennin zwischen Toskana und Herzogtum Urbino gebracht wurde, von wo es schließlich Arezzo erreichte. Barocci kümmerte sich persönlich um jedes Detail der Anbringung des Bildes, um die Wirksamkeit der für den toskanischen Altar geplanten Beleuchtung zu gewährleisten.

Andrea Emiliani half bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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