Lot Nr. 122 -


Gaetano Gandolfi


(San Matteo della Decima 1734–1802 Bologna)
Männerkopf,
Öl auf Leinwand, 40,5 x 33 cm, gerahmt

Wir danken Donatella Biagi Maino, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat. Ihr schriftliches Gutachten liegt dem Werk bei.

Gaetano Gandolfi malte diese Skizze eines jungen Mannes mit beeindruckender Unmittelbarkeit und Natürlichkeit. Sie scheint nach dem Leben gemalt. Gaetano, sein Bruder Ubaldo (1728–1781) und sein Sohn Mauro (1764–1834) waren alle als Bildnismaler tätig, wobei Gaetano und Ubaldo besonders produktiv waren. Im Alter von siebzehn Jahren wurde er an der Accademia Clementina in Bologna eingeschrieben und studierte bei Felice Torelli und Ercole Lelli. Gaetanos früheste Gemälde stehen dem Frühwerk seines Bruders Ubaldo stilistisch nahe. Sein Besuch in Venedig im Jahr 1760 bedeutete einen Wendepunkt in Gaetanos Karriere, als er den Einfluss der venezianischen Malerei, insbesondere der Werke Piazzettas und Tiepolos, aufnahm. Zurück in Bologna wurde er zu einem der führenden Künstler der Stadt.

Neben Altarbildern, Deckendekorationen und Gemälden mit mythologischen Themen malte Gandolfi auch Brustbilder von Männern und Frauen aus verschiedensten Lebensbereichen. Im Gegensatz zu formellen Porträts für zahlende Kunden erlaubten diese Charakterstudien dem Künstler, allerlei Emotionen, Ausdrücke und Gesichtstypen zu erforschen. Dieses Beispiel zeigt Gandolfis rasche, lebendige Pinselführung, die besonders bei der Wiedergabe der Physiognomie des Dargestellten, aber auch im Bereich von Kragen und Mütze deutlich wird.

Die Kopfstudien Gandolfis hatten unterschiedliche Funktionen. Einige wurden nach dem Leben gemalt und waren als Kunstwerke im eigentlichen Sinn gedacht. Manche Köpfe wurden mit Attributen versehen und damit zu allegorischen Figuren, wie zum Beispiel seine Darstellungen von Frühling, Sommer, Herbst und Winter, die sich allesamt in einer Privatsammlung befinden. Andere Köpfe waren als „teste di carattere“ aufgefasst, und obgleich sie nach dem Leben gemalt sind, handelt es sich um leicht romantisierte Darstellungen. Viele Köpfe wurden als vorbereitende Studien für in größere Kompositionen einzufügende Figuren gemalt, für die der Künstler eine bestimmte Haltung oder Positionierung im Sinn hatte. Das vorliegende Gemälde scheint ausschließlich als eigenständiges Kunstwerk gedacht gewesen zu sein, nicht als vorbereitende Studie für eine umfassendere Komposition. Gandolfis dezidiert moderner Fokus auf den psychologischen Ausdruck steht ganz im Zeichen des Aufbruchs in ein neues Zeitalter der Kunst.

Die glatte Wiedergabe der Gesichtszüge, die leichten Pinseltupfer in Bleiweiß, mit welchen die Nasenspitze, die linke Stirn und die Bereiche unter den Augen aufgehellt wurden, sowie der intensive Ausdruck des Mannes, der dem Betrachter mit nur leicht geschlossenen Lippen entgegenblickt, sind auch in anderen Werken des Künstlers anzutreffen. Biagi Maino hat festgestellt, dass der sichere Umgang mit der Farbe und die flüssige Pinselführung sich mit Gaetanos künstlerischer Produktion der 1780er-Jahre decken. Gandolfi experimentierte mit kräftigen Farben, weichen, verschwommenen Konturen – man beachte die kaum sichtbaren Umrisse der rechten Gesichtshälfte des vorliegenden Kopfes – und einem kühnen, sich durch ein leuchtendes Impasto auszeichnenden Farbauftrag; dabei malte er schnell und geschickt. Besonders auffällig wird dies bei der Ausführung des Mundes im vorliegenden Beispiel, den Gandolfi in einem leuchtenden Rot mit scheinbar nur wenigen, sicher gesetzten Pinselstrichen malte.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Gaetano Gandolfi


(San Matteo della Decima 1734–1802 Bologna)
Männerkopf,
Öl auf Leinwand, 40,5 x 33 cm, gerahmt

Wir danken Donatella Biagi Maino, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat. Ihr schriftliches Gutachten liegt dem Werk bei.

Gaetano Gandolfi malte diese Skizze eines jungen Mannes mit beeindruckender Unmittelbarkeit und Natürlichkeit. Sie scheint nach dem Leben gemalt. Gaetano, sein Bruder Ubaldo (1728–1781) und sein Sohn Mauro (1764–1834) waren alle als Bildnismaler tätig, wobei Gaetano und Ubaldo besonders produktiv waren. Im Alter von siebzehn Jahren wurde er an der Accademia Clementina in Bologna eingeschrieben und studierte bei Felice Torelli und Ercole Lelli. Gaetanos früheste Gemälde stehen dem Frühwerk seines Bruders Ubaldo stilistisch nahe. Sein Besuch in Venedig im Jahr 1760 bedeutete einen Wendepunkt in Gaetanos Karriere, als er den Einfluss der venezianischen Malerei, insbesondere der Werke Piazzettas und Tiepolos, aufnahm. Zurück in Bologna wurde er zu einem der führenden Künstler der Stadt.

Neben Altarbildern, Deckendekorationen und Gemälden mit mythologischen Themen malte Gandolfi auch Brustbilder von Männern und Frauen aus verschiedensten Lebensbereichen. Im Gegensatz zu formellen Porträts für zahlende Kunden erlaubten diese Charakterstudien dem Künstler, allerlei Emotionen, Ausdrücke und Gesichtstypen zu erforschen. Dieses Beispiel zeigt Gandolfis rasche, lebendige Pinselführung, die besonders bei der Wiedergabe der Physiognomie des Dargestellten, aber auch im Bereich von Kragen und Mütze deutlich wird.

Die Kopfstudien Gandolfis hatten unterschiedliche Funktionen. Einige wurden nach dem Leben gemalt und waren als Kunstwerke im eigentlichen Sinn gedacht. Manche Köpfe wurden mit Attributen versehen und damit zu allegorischen Figuren, wie zum Beispiel seine Darstellungen von Frühling, Sommer, Herbst und Winter, die sich allesamt in einer Privatsammlung befinden. Andere Köpfe waren als „teste di carattere“ aufgefasst, und obgleich sie nach dem Leben gemalt sind, handelt es sich um leicht romantisierte Darstellungen. Viele Köpfe wurden als vorbereitende Studien für in größere Kompositionen einzufügende Figuren gemalt, für die der Künstler eine bestimmte Haltung oder Positionierung im Sinn hatte. Das vorliegende Gemälde scheint ausschließlich als eigenständiges Kunstwerk gedacht gewesen zu sein, nicht als vorbereitende Studie für eine umfassendere Komposition. Gandolfis dezidiert moderner Fokus auf den psychologischen Ausdruck steht ganz im Zeichen des Aufbruchs in ein neues Zeitalter der Kunst.

Die glatte Wiedergabe der Gesichtszüge, die leichten Pinseltupfer in Bleiweiß, mit welchen die Nasenspitze, die linke Stirn und die Bereiche unter den Augen aufgehellt wurden, sowie der intensive Ausdruck des Mannes, der dem Betrachter mit nur leicht geschlossenen Lippen entgegenblickt, sind auch in anderen Werken des Künstlers anzutreffen. Biagi Maino hat festgestellt, dass der sichere Umgang mit der Farbe und die flüssige Pinselführung sich mit Gaetanos künstlerischer Produktion der 1780er-Jahre decken. Gandolfi experimentierte mit kräftigen Farben, weichen, verschwommenen Konturen – man beachte die kaum sichtbaren Umrisse der rechten Gesichtshälfte des vorliegenden Kopfes – und einem kühnen, sich durch ein leuchtendes Impasto auszeichnenden Farbauftrag; dabei malte er schnell und geschickt. Besonders auffällig wird dies bei der Ausführung des Mundes im vorliegenden Beispiel, den Gandolfi in einem leuchtenden Rot mit scheinbar nur wenigen, sicher gesetzten Pinselstrichen malte.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024