Lot Nr. 650


Johann Heinrich Tischbein d. Ä.


Johann Heinrich Tischbein d. Ä. - Alte Meister

(Haina 1722–1789 Kassel)
Porträt einer Dame im türkischen Gewand mit einem Kaffee servierenden Mohrenpagen,
Öl auf Leinwand, 70,5 x 53,5 cm, gerahmt

Wir danken Frau Dr. Anna Charlotte Flohr, Bearbeiterin des Werkverzeichnisses der Tischbein-Porträts, die das Gemälde im Original begutachtet hat, für die Bestätigung der Eigenhändigkeit. Ein schriftliches Gutachten liegt dem Bild bei.

Der „Kasseler Tischbein” gehört zu den talentiertesten und einflußreichsten Mitgliedern dieser weitverzweigten Künstlerfamilie. Sein Mäzen Graf Stadion ermöglichte ihm einen fünfjährigen Studienaufenthalt in Paris, wo er ab 1743 im Atelier von Charles Vanloo arbeitete. Er war zusammen mit Johann Christian Fiedler, Christian Bernhard Rode und Januarius Zick einer der ersten deutschen Künstler, die zur Weiterbildung nach Paris gingen. Von 1748 bis 1751 bereiste Tischbein Italien und hielt sich mehrere Monate in Venedig, kurzzeitig in Bologna und Florenz und zwei Jahre in Rom auf. In Venedig befreundete er sich mit Giovanni Battista Piazzetta. Graf Stadion vermittelte den Maler nach seiner Rückkehr aus Italien an Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. Dieser ernannte ihn im April 1753 zum Hofmaler. Nach dem Tod des Landgrafen blieb Tischbein auch unter seinem Nachfolger Friedrich II. erster Hofmaler. Seit 1762 unterrichtete er Zeichenkunst und Malerei am Collegium Carolinum. 1776 wurde er Professor für Malerei an der Kasseler Akademie und gleichzeitig deren Direktor. 1779 ernannte ihn die “Accademia Clementina” in Bologna zum Ehrenmitglied. Tischbein schuf bedeutende Historiengemälde, ist aber heute in erster Linie für seine höfisch-eleganten Porträts bekannt. Ob es sich bei dem hier vorliegenden Gemälde um das Porträt einer der Töchter des Landgrafen von Hessen-Kassel handelt, kann nicht abschließend geklärt werden. Einerseits deutet neben einer starken physiognomischen Ähnlichkeit der Hermelin des Hauskleides auf die Herkunft der Dargestellten aus dem Hochadel hin, andererseits gehört der blaue, hermelingefütterte Mantel zum festen Repertoire eines türkischen Kostüms und man findet zahlreiche Beispiele auch rangniederer Personen, die sich im Gewand ‘à la Turque’ mit Hermelin porträtieren ließen. Außerdem besteht eine starke Ähnlichkeit zu Tischbeins zweiter Ehefrau. Die an den europäischen Höfen des 18. Jahrhunderts herrschende Türkenmode (‘Turquerie’) stellt ein zivilisationsgeschichtliches Phänomen dar, das oft mit der Faszination durch die nicht mehr bedrohlich empfundene fremde Kultur erklärt wird. Sie war Ausdruck einer theatralischen Schwärmerei für den Luxus und die Sinnlichkeit orientalischer Lebensweise und damit der zeitgleichen ‘Chinoiserie’-Mode verwandt. Das vorliegende Gemälde stellt die Dame in einem wohl als charakteristisch empfundenen Gewand dar, das man auch auf Liotards Porträt der Kaiserin Maria Theresia wiederfindet, bestehend aus einem blausamtenen hermelinverbrämten Übergewand und einem an der Brust geschlossenen Kleid. Perlen und Federschmuck gehörten seit Liotard ebenso zum festen Repertoire eines Gewandes à la Turque. Die tropfenförmigen Ohrringe erscheinen in einem weiteren Porträt Tischbeins der Prinzessin Marie Amalie in Schloss Wilhelmsthal bei Kassel.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

17.04.2013 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 73.500,-
Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 30.000,-

Johann Heinrich Tischbein d. Ä.


(Haina 1722–1789 Kassel)
Porträt einer Dame im türkischen Gewand mit einem Kaffee servierenden Mohrenpagen,
Öl auf Leinwand, 70,5 x 53,5 cm, gerahmt

Wir danken Frau Dr. Anna Charlotte Flohr, Bearbeiterin des Werkverzeichnisses der Tischbein-Porträts, die das Gemälde im Original begutachtet hat, für die Bestätigung der Eigenhändigkeit. Ein schriftliches Gutachten liegt dem Bild bei.

Der „Kasseler Tischbein” gehört zu den talentiertesten und einflußreichsten Mitgliedern dieser weitverzweigten Künstlerfamilie. Sein Mäzen Graf Stadion ermöglichte ihm einen fünfjährigen Studienaufenthalt in Paris, wo er ab 1743 im Atelier von Charles Vanloo arbeitete. Er war zusammen mit Johann Christian Fiedler, Christian Bernhard Rode und Januarius Zick einer der ersten deutschen Künstler, die zur Weiterbildung nach Paris gingen. Von 1748 bis 1751 bereiste Tischbein Italien und hielt sich mehrere Monate in Venedig, kurzzeitig in Bologna und Florenz und zwei Jahre in Rom auf. In Venedig befreundete er sich mit Giovanni Battista Piazzetta. Graf Stadion vermittelte den Maler nach seiner Rückkehr aus Italien an Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. Dieser ernannte ihn im April 1753 zum Hofmaler. Nach dem Tod des Landgrafen blieb Tischbein auch unter seinem Nachfolger Friedrich II. erster Hofmaler. Seit 1762 unterrichtete er Zeichenkunst und Malerei am Collegium Carolinum. 1776 wurde er Professor für Malerei an der Kasseler Akademie und gleichzeitig deren Direktor. 1779 ernannte ihn die “Accademia Clementina” in Bologna zum Ehrenmitglied. Tischbein schuf bedeutende Historiengemälde, ist aber heute in erster Linie für seine höfisch-eleganten Porträts bekannt. Ob es sich bei dem hier vorliegenden Gemälde um das Porträt einer der Töchter des Landgrafen von Hessen-Kassel handelt, kann nicht abschließend geklärt werden. Einerseits deutet neben einer starken physiognomischen Ähnlichkeit der Hermelin des Hauskleides auf die Herkunft der Dargestellten aus dem Hochadel hin, andererseits gehört der blaue, hermelingefütterte Mantel zum festen Repertoire eines türkischen Kostüms und man findet zahlreiche Beispiele auch rangniederer Personen, die sich im Gewand ‘à la Turque’ mit Hermelin porträtieren ließen. Außerdem besteht eine starke Ähnlichkeit zu Tischbeins zweiter Ehefrau. Die an den europäischen Höfen des 18. Jahrhunderts herrschende Türkenmode (‘Turquerie’) stellt ein zivilisationsgeschichtliches Phänomen dar, das oft mit der Faszination durch die nicht mehr bedrohlich empfundene fremde Kultur erklärt wird. Sie war Ausdruck einer theatralischen Schwärmerei für den Luxus und die Sinnlichkeit orientalischer Lebensweise und damit der zeitgleichen ‘Chinoiserie’-Mode verwandt. Das vorliegende Gemälde stellt die Dame in einem wohl als charakteristisch empfundenen Gewand dar, das man auch auf Liotards Porträt der Kaiserin Maria Theresia wiederfindet, bestehend aus einem blausamtenen hermelinverbrämten Übergewand und einem an der Brust geschlossenen Kleid. Perlen und Federschmuck gehörten seit Liotard ebenso zum festen Repertoire eines Gewandes à la Turque. Die tropfenförmigen Ohrringe erscheinen in einem weiteren Porträt Tischbeins der Prinzessin Marie Amalie in Schloss Wilhelmsthal bei Kassel.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.04.2013 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 06.04. - 17.04.2013


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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